Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

am heftigsten. Er sah, daß alles sich ver-
einigte, auf die Kosten dieser Elenden wohl
zu leben, und sein Ungestüm, da er so viele
Nahrung fand, brach von neuem los. --
Ihr seyd Unmenschen, sprach er einst zu sei-
nem Herrn; ihr macht eure Schultern leicht
und legt alle Lasten der Menschlichkeit diesen
Kreaturen ohne Mitleid auf: ihr drückt sie,
weil sie keine rechten Christen sind, ohne zu
bedenken, daß sie Menschen sind. Laßt die-
sen Unglückseligen ihren Pachacamac*) oder
wie sie ihn sonst nennen wollen, und erleich-
tert ihnen die Mühe zu leben, und ihr seyd
ihre wahren Wohlthäter. Ist es nicht ewige
Schande, eine halbe Welt zu erobern, ihre
Einwohner zu Sklaven zu machen und dann
noch an ihrem dürftigen Unterhalte zu sau-
gen? -- Aber warum konnte nun die Natur
ihr Werk so anlegen, daß alle diese Härte
eine nothwendige Folge von seiner Einrich-
tung seyn mußte? daß ein Theil der Men-
schen von dem andern nicht allein zur Arbeit
gezwungen, sondern auch überdieß noch hart
behandelt werden mußte? daß ein Theil ganz

ernie-
*) Gott der Peruaner.
Q

am heftigſten. Er ſah, daß alles ſich ver-
einigte, auf die Koſten dieſer Elenden wohl
zu leben, und ſein Ungeſtuͤm, da er ſo viele
Nahrung fand, brach von neuem los. —
Ihr ſeyd Unmenſchen, ſprach er einſt zu ſei-
nem Herrn; ihr macht eure Schultern leicht
und legt alle Laſten der Menſchlichkeit dieſen
Kreaturen ohne Mitleid auf: ihr druͤckt ſie,
weil ſie keine rechten Chriſten ſind, ohne zu
bedenken, daß ſie Menſchen ſind. Laßt die-
ſen Ungluͤckſeligen ihren Pachacamac*) oder
wie ſie ihn ſonſt nennen wollen, und erleich-
tert ihnen die Muͤhe zu leben, und ihr ſeyd
ihre wahren Wohlthaͤter. Iſt es nicht ewige
Schande, eine halbe Welt zu erobern, ihre
Einwohner zu Sklaven zu machen und dann
noch an ihrem duͤrftigen Unterhalte zu ſau-
gen? — Aber warum konnte nun die Natur
ihr Werk ſo anlegen, daß alle dieſe Haͤrte
eine nothwendige Folge von ſeiner Einrich-
tung ſeyn mußte? daß ein Theil der Men-
ſchen von dem andern nicht allein zur Arbeit
gezwungen, ſondern auch uͤberdieß noch hart
behandelt werden mußte? daß ein Theil ganz

ernie-
*) Gott der Peruaner.
Q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0245" n="239"/>
am heftig&#x017F;ten. Er &#x017F;ah, daß alles &#x017F;ich ver-<lb/>
einigte, auf die Ko&#x017F;ten die&#x017F;er Elenden wohl<lb/>
zu leben, und &#x017F;ein Unge&#x017F;tu&#x0364;m, da er &#x017F;o viele<lb/>
Nahrung fand, brach von neuem los. &#x2014;<lb/>
Ihr &#x017F;eyd Unmen&#x017F;chen, &#x017F;prach er ein&#x017F;t zu &#x017F;ei-<lb/>
nem Herrn; ihr macht eure Schultern leicht<lb/>
und legt alle La&#x017F;ten der Men&#x017F;chlichkeit die&#x017F;en<lb/>
Kreaturen ohne Mitleid auf: ihr dru&#x0364;ckt &#x017F;ie,<lb/>
weil &#x017F;ie keine rechten Chri&#x017F;ten &#x017F;ind, ohne zu<lb/>
bedenken, daß &#x017F;ie Men&#x017F;chen &#x017F;ind. Laßt die-<lb/>
&#x017F;en Unglu&#x0364;ck&#x017F;eligen ihren Pachacamac<note place="foot" n="*)">Gott der Peruaner.</note> oder<lb/>
wie &#x017F;ie ihn &#x017F;on&#x017F;t nennen wollen, und erleich-<lb/>
tert ihnen die Mu&#x0364;he zu leben, und ihr &#x017F;eyd<lb/>
ihre wahren Wohltha&#x0364;ter. I&#x017F;t es nicht ewige<lb/>
Schande, eine halbe Welt zu erobern, ihre<lb/>
Einwohner zu Sklaven zu machen und dann<lb/>
noch an ihrem du&#x0364;rftigen Unterhalte zu &#x017F;au-<lb/>
gen? &#x2014; Aber warum konnte nun die Natur<lb/>
ihr Werk &#x017F;o anlegen, daß alle die&#x017F;e Ha&#x0364;rte<lb/>
eine nothwendige Folge von &#x017F;einer Einrich-<lb/>
tung &#x017F;eyn mußte? daß ein Theil der Men-<lb/>
&#x017F;chen von dem andern nicht allein zur Arbeit<lb/>
gezwungen, &#x017F;ondern auch u&#x0364;berdieß noch hart<lb/>
behandelt werden mußte? daß ein Theil ganz<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ernie-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0245] am heftigſten. Er ſah, daß alles ſich ver- einigte, auf die Koſten dieſer Elenden wohl zu leben, und ſein Ungeſtuͤm, da er ſo viele Nahrung fand, brach von neuem los. — Ihr ſeyd Unmenſchen, ſprach er einſt zu ſei- nem Herrn; ihr macht eure Schultern leicht und legt alle Laſten der Menſchlichkeit dieſen Kreaturen ohne Mitleid auf: ihr druͤckt ſie, weil ſie keine rechten Chriſten ſind, ohne zu bedenken, daß ſie Menſchen ſind. Laßt die- ſen Ungluͤckſeligen ihren Pachacamac *) oder wie ſie ihn ſonſt nennen wollen, und erleich- tert ihnen die Muͤhe zu leben, und ihr ſeyd ihre wahren Wohlthaͤter. Iſt es nicht ewige Schande, eine halbe Welt zu erobern, ihre Einwohner zu Sklaven zu machen und dann noch an ihrem duͤrftigen Unterhalte zu ſau- gen? — Aber warum konnte nun die Natur ihr Werk ſo anlegen, daß alle dieſe Haͤrte eine nothwendige Folge von ſeiner Einrich- tung ſeyn mußte? daß ein Theil der Men- ſchen von dem andern nicht allein zur Arbeit gezwungen, ſondern auch uͤberdieß noch hart behandelt werden mußte? daß ein Theil ganz ernie- *) Gott der Peruaner. Q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/245
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/245>, abgerufen am 22.12.2024.