spotismus, der diese Gemeine unter den hei- ligsten Benennungen tyrannisirt, nicht län- ger mehr erdulden, und trennte mich deswe- gen von ihr. Menschen geboten uns will- kührlich und wollten uns überreden, daß die Stimme des heiligen Geistes durch sie gebiete. Ich glaubte dem heiligen Geiste nicht mehr blindlings und wurde deswegen gemishandelt: ich verlies eine Sekte, wo die natürliche Freiheit ungleich mehr einge- schränkt ist, als in der despotischten Monar- chie, und die Schranken ungleich schwerer erweitert werden, weil sie mit der Heiligkeit überfirnißt und zugleich die Stützen des Ganzen sind, um dessentwillen sie je länger, je mehr vervielfältigt werden müssen, so daß zuletzt entweder ein Pabst mit etlichen listi- gen Füchsen den übrigen Haufen ganz ab- rutiren muß, um ihn in Ruhe nach Will- kühr, wie Marionetten, zu regieren, oder die ganze Gesellschaft ein Trupp so verdorb- ner Christen voll Zanks, Uneinigkeit und Tu- mult werden wird, wie die übrigen alle. Solltest du denken, daß unter der stillen friedfertigen Mine des Bruders das nämli- che Herz lauscht, und daß seine Gesellschaft
eine
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ſpotismus, der dieſe Gemeine unter den hei- ligſten Benennungen tyranniſirt, nicht laͤn- ger mehr erdulden, und trennte mich deswe- gen von ihr. Menſchen geboten uns will- kuͤhrlich und wollten uns uͤberreden, daß die Stimme des heiligen Geiſtes durch ſie gebiete. Ich glaubte dem heiligen Geiſte nicht mehr blindlings und wurde deswegen gemishandelt: ich verlies eine Sekte, wo die natuͤrliche Freiheit ungleich mehr einge- ſchraͤnkt iſt, als in der deſpotiſchten Monar- chie, und die Schranken ungleich ſchwerer erweitert werden, weil ſie mit der Heiligkeit uͤberfirnißt und zugleich die Stuͤtzen des Ganzen ſind, um deſſentwillen ſie je laͤnger, je mehr vervielfaͤltigt werden muͤſſen, ſo daß zuletzt entweder ein Pabſt mit etlichen liſti- gen Fuͤchſen den uͤbrigen Haufen ganz ab- rutiren muß, um ihn in Ruhe nach Will- kuͤhr, wie Marionetten, zu regieren, oder die ganze Geſellſchaft ein Trupp ſo verdorb- ner Chriſten voll Zanks, Uneinigkeit und Tu- mult werden wird, wie die uͤbrigen alle. Sollteſt du denken, daß unter der ſtillen friedfertigen Mine des Bruders das naͤmli- che Herz lauſcht, und daß ſeine Geſellſchaft
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ſpotismus, der dieſe Gemeine unter den hei-
ligſten Benennungen tyranniſirt, nicht laͤn-
ger mehr erdulden, und trennte mich deswe-
gen von ihr. Menſchen geboten uns will-
kuͤhrlich und wollten uns uͤberreden, daß
die Stimme des heiligen Geiſtes durch ſie
gebiete. Ich glaubte dem heiligen Geiſte
nicht mehr blindlings und wurde deswegen
gemishandelt: ich verlies eine Sekte, wo
die natuͤrliche Freiheit ungleich mehr einge-
ſchraͤnkt iſt, als in der deſpotiſchten Monar-
chie, und die Schranken ungleich ſchwerer
erweitert werden, weil ſie mit der Heiligkeit
uͤberfirnißt und zugleich die Stuͤtzen des
Ganzen ſind, um deſſentwillen ſie je laͤnger,
je mehr vervielfaͤltigt werden muͤſſen, ſo daß
zuletzt entweder ein Pabſt mit etlichen liſti-
gen Fuͤchſen den uͤbrigen Haufen ganz ab-
rutiren muß, um ihn in Ruhe nach Will-
kuͤhr, wie Marionetten, zu regieren, oder
die ganze Geſellſchaft ein Trupp ſo verdorb-
ner Chriſten voll Zanks, Uneinigkeit und Tu-
mult werden wird, wie die uͤbrigen alle.
Sollteſt du denken, daß unter der ſtillen
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/253>, abgerufen am 22.12.2024.
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