Akante erschien nicht; sie hatte kurz vor der Abreise eine verliebte Kuppeley unter- nommen, und da der Mann, dessen Frau sie durch ihre Bemühungen zur Untreue ver- leiten wollte, die Sache sehr übel nahm, so rächte er sich mit einem guten Schlage an ihr, der so übel abgepaßt war, daß sie nach langen Schmerzen verschied. Aus alter Liebe, und weil er ihre schlimme Seite nicht genug kannte, betrauerte sie Belphegor und beklagte ihren Tod als einen Verlust für sich: allein Medardus unterbrach sein Kla- gelied und rieth ihn, nicht Einen Seufzer an ein schändliches Weib zu verschwenden, das nicht verdient hätte, Athem zu holen. -- Brüderchen, sprach er, sie hätte die Minute nach ihrer Geburt einen so gesunden Schlag auf den Hirnschädel bekommen sollen: so wären viele Menschen weniger unglücklich, und Du nicht betrogen worden. Sie war eine Falsche, die listig die Grundsätze und Neigungen desienigen annahm, dessen Hülfe sie eben brauchte: in einer Minute war sie zärtlich, feurig verliebt und bis zur Ueber- treibung einschmeichelnd, die folgende Mi- nute, wenn es ihr Vortheil verlangte, kalt,
verach-
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Akante erſchien nicht; ſie hatte kurz vor der Abreiſe eine verliebte Kuppeley unter- nommen, und da der Mann, deſſen Frau ſie durch ihre Bemuͤhungen zur Untreue ver- leiten wollte, die Sache ſehr uͤbel nahm, ſo raͤchte er ſich mit einem guten Schlage an ihr, der ſo uͤbel abgepaßt war, daß ſie nach langen Schmerzen verſchied. Aus alter Liebe, und weil er ihre ſchlimme Seite nicht genug kannte, betrauerte ſie Belphegor und beklagte ihren Tod als einen Verluſt fuͤr ſich: allein Medardus unterbrach ſein Kla- gelied und rieth ihn, nicht Einen Seufzer an ein ſchaͤndliches Weib zu verſchwenden, das nicht verdient haͤtte, Athem zu holen. — Bruͤderchen, ſprach er, ſie haͤtte die Minute nach ihrer Geburt einen ſo geſunden Schlag auf den Hirnſchaͤdel bekommen ſollen: ſo waͤren viele Menſchen weniger ungluͤcklich, und Du nicht betrogen worden. Sie war eine Falſche, die liſtig die Grundſaͤtze und Neigungen desienigen annahm, deſſen Huͤlfe ſie eben brauchte: in einer Minute war ſie zaͤrtlich, feurig verliebt und bis zur Ueber- treibung einſchmeichelnd, die folgende Mi- nute, wenn es ihr Vortheil verlangte, kalt,
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Akante erſchien nicht; ſie hatte kurz vor
der Abreiſe eine verliebte Kuppeley unter-
nommen, und da der Mann, deſſen Frau
ſie durch ihre Bemuͤhungen zur Untreue ver-
leiten wollte, die Sache ſehr uͤbel nahm, ſo
raͤchte er ſich mit einem guten Schlage an
ihr, der ſo uͤbel abgepaßt war, daß ſie nach
langen Schmerzen verſchied. Aus alter
Liebe, und weil er ihre ſchlimme Seite nicht
genug kannte, betrauerte ſie Belphegor und
beklagte ihren Tod als einen Verluſt fuͤr
ſich: allein Medardus unterbrach ſein Kla-
gelied und rieth ihn, nicht Einen Seufzer
an ein ſchaͤndliches Weib zu verſchwenden,
das nicht verdient haͤtte, Athem zu holen. —
Bruͤderchen, ſprach er, ſie haͤtte die Minute
nach ihrer Geburt einen ſo geſunden Schlag
auf den Hirnſchaͤdel bekommen ſollen: ſo
waͤren viele Menſchen weniger ungluͤcklich,
und Du nicht betrogen worden. Sie war
eine Falſche, die liſtig die Grundſaͤtze und
Neigungen desienigen annahm, deſſen Huͤlfe
ſie eben brauchte: in einer Minute war ſie
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/281>, abgerufen am 22.12.2024.
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