Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

chen mit einer lebenden, thätigen, wirksa-
men Vorsehung -- welch ein Unterschied!

From. Ja, Freund, für die Einbil-
dungskraft! die freylich ein freyeres Feld
für sich findet, wenn sie den Zusammenhang
der Dinge personifieiren und ihn mit allen
Eigenschaften eines sorgsamen Vaters aus-
putzen kann. Ich tadle dieß nicht: da die
meisten Menschen blos durch Einbildungs-
kraft und Empfindung geleitet werden, so
muß das System der Vorsehung für sie ein
unendlich wohlthätiges und vorzügliches
System, und die Menschen desto glücklicher
seyn, je ausgebreiteter es wird: und doch
besizt es nur der kleinste Theil der Mensch-
heit.

Medard. Ganz Europa besitzt es ja.

From. Dem Namen nach! Der größte
Haufen, Gelehrte und Ungelehrte, möchte
ich behaupten, hat im Munde und in der
Imagination die Vorsehung und im Verstan-
de das Fatum: prüfe sie, und du wirst fin-
den, daß die Vorsehung der meisten ein per-
sonificirtes, mit etlichen glänzenden Eigen-
schaften der Vorsehung ausgeschmücktes Fa-
tum ist. Von Europa fällt also ein großer

Theil

chen mit einer lebenden, thaͤtigen, wirkſa-
men Vorſehung — welch ein Unterſchied!

From. Ja, Freund, fuͤr die Einbil-
dungskraft! die freylich ein freyeres Feld
fuͤr ſich findet, wenn ſie den Zuſammenhang
der Dinge perſonifieiren und ihn mit allen
Eigenſchaften eines ſorgſamen Vaters aus-
putzen kann. Ich tadle dieß nicht: da die
meiſten Menſchen blos durch Einbildungs-
kraft und Empfindung geleitet werden, ſo
muß das Syſtem der Vorſehung fuͤr ſie ein
unendlich wohlthaͤtiges und vorzuͤgliches
Syſtem, und die Menſchen deſto gluͤcklicher
ſeyn, je ausgebreiteter es wird: und doch
beſizt es nur der kleinſte Theil der Menſch-
heit.

Medard. Ganz Europa beſitzt es ja.

From. Dem Namen nach! Der groͤßte
Haufen, Gelehrte und Ungelehrte, moͤchte
ich behaupten, hat im Munde und in der
Imagination die Vorſehung und im Verſtan-
de das Fatum: pruͤfe ſie, und du wirſt fin-
den, daß die Vorſehung der meiſten ein per-
ſonificirtes, mit etlichen glaͤnzenden Eigen-
ſchaften der Vorſehung ausgeſchmuͤcktes Fa-
tum iſt. Von Europa faͤllt alſo ein großer

Theil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0290" n="284"/>
chen mit einer lebenden, tha&#x0364;tigen, wirk&#x017F;a-<lb/>
men Vor&#x017F;ehung &#x2014; welch ein Unter&#x017F;chied!</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">From.</hi> Ja, Freund, fu&#x0364;r die Einbil-<lb/>
dungskraft! die freylich ein freyeres Feld<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ich findet, wenn &#x017F;ie den Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
der Dinge per&#x017F;onifieiren und ihn mit allen<lb/>
Eigen&#x017F;chaften eines &#x017F;org&#x017F;amen Vaters aus-<lb/>
putzen kann. Ich tadle dieß nicht: da die<lb/>
mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen <hi rendition="#fr">blos</hi> durch Einbildungs-<lb/>
kraft und Empfindung geleitet werden, &#x017F;o<lb/>
muß das Sy&#x017F;tem der Vor&#x017F;ehung fu&#x0364;r &#x017F;ie ein<lb/>
unendlich wohltha&#x0364;tiges und vorzu&#x0364;gliches<lb/>
Sy&#x017F;tem, und die Men&#x017F;chen de&#x017F;to glu&#x0364;cklicher<lb/>
&#x017F;eyn, je ausgebreiteter es wird: und doch<lb/>
be&#x017F;izt es nur der klein&#x017F;te Theil der Men&#x017F;ch-<lb/>
heit.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Medard.</hi> Ganz Europa be&#x017F;itzt es ja.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">From.</hi> Dem Namen nach! Der gro&#x0364;ßte<lb/>
Haufen, Gelehrte und Ungelehrte, mo&#x0364;chte<lb/>
ich behaupten, hat im Munde und in der<lb/>
Imagination die Vor&#x017F;ehung und im Ver&#x017F;tan-<lb/>
de das Fatum: pru&#x0364;fe &#x017F;ie, und du wir&#x017F;t fin-<lb/>
den, daß die Vor&#x017F;ehung der mei&#x017F;ten ein per-<lb/>
&#x017F;onificirtes, mit etlichen gla&#x0364;nzenden Eigen-<lb/>
&#x017F;chaften der Vor&#x017F;ehung ausge&#x017F;chmu&#x0364;cktes Fa-<lb/>
tum i&#x017F;t. Von Europa fa&#x0364;llt al&#x017F;o ein großer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Theil</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0290] chen mit einer lebenden, thaͤtigen, wirkſa- men Vorſehung — welch ein Unterſchied! From. Ja, Freund, fuͤr die Einbil- dungskraft! die freylich ein freyeres Feld fuͤr ſich findet, wenn ſie den Zuſammenhang der Dinge perſonifieiren und ihn mit allen Eigenſchaften eines ſorgſamen Vaters aus- putzen kann. Ich tadle dieß nicht: da die meiſten Menſchen blos durch Einbildungs- kraft und Empfindung geleitet werden, ſo muß das Syſtem der Vorſehung fuͤr ſie ein unendlich wohlthaͤtiges und vorzuͤgliches Syſtem, und die Menſchen deſto gluͤcklicher ſeyn, je ausgebreiteter es wird: und doch beſizt es nur der kleinſte Theil der Menſch- heit. Medard. Ganz Europa beſitzt es ja. From. Dem Namen nach! Der groͤßte Haufen, Gelehrte und Ungelehrte, moͤchte ich behaupten, hat im Munde und in der Imagination die Vorſehung und im Verſtan- de das Fatum: pruͤfe ſie, und du wirſt fin- den, daß die Vorſehung der meiſten ein per- ſonificirtes, mit etlichen glaͤnzenden Eigen- ſchaften der Vorſehung ausgeſchmuͤcktes Fa- tum iſt. Von Europa faͤllt alſo ein großer Theil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/290
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/290>, abgerufen am 22.12.2024.