stärkrer oder schwächrer Veranlassung die ganze Masse unsrer Begierden durchsäuert, daß Freundschaft, Rechtschaffenheit und selbst die Religion zu schwach ist, seiner bei- ßenden Schärfe zu wiederstehen: wir wollen es nicht ohne unsern Nutzen bewiesen haben. Hier auf diesem Flecke laßt uns in froher Einsamkeit und ruhiger Eintracht den Rest unsrer Tage hinleben, und unsern Begier- den jeden Sporn, jeden Reiz benehmen, die sie aufwiegeln könnten, diese schöne Ruhe zu stören. Wir wollen diesen Flecken Erde, der unser Eigenthum geworden ist, zu glei- chen Theilen besitzen; unsre Bedürfnisse kön- nen nicht über unser thierisches Selbst hin- ausreichen, und sie werden uns nicht ent- zweyen, so lange uns nicht gänzlicher Man- gel um Leben und Nahrung kämpfen läßt. Wir wollen uns von unserm Geschlechte tren- nen, damit nicht ein neidischer Anfall von ihnen unsre Glückseligkeit unterbricht: so sind wir von innen und von außen verschanzt und machen für uns allein eine Welt aus -- eine Welt, wie wir sie in den ersten Jahren unsers Lebens träumten, Belphegor -- eine Gesellschaft, die Freundschaft, Liebe,
Sym-
T 5
ſtaͤrkrer oder ſchwaͤchrer Veranlaſſung die ganze Maſſe unſrer Begierden durchſaͤuert, daß Freundſchaft, Rechtſchaffenheit und ſelbſt die Religion zu ſchwach iſt, ſeiner bei- ßenden Schaͤrfe zu wiederſtehen: wir wollen es nicht ohne unſern Nutzen bewieſen haben. Hier auf dieſem Flecke laßt uns in froher Einſamkeit und ruhiger Eintracht den Reſt unſrer Tage hinleben, und unſern Begier- den jeden Sporn, jeden Reiz benehmen, die ſie aufwiegeln koͤnnten, dieſe ſchoͤne Ruhe zu ſtoͤren. Wir wollen dieſen Flecken Erde, der unſer Eigenthum geworden iſt, zu glei- chen Theilen beſitzen; unſre Beduͤrfniſſe koͤn- nen nicht uͤber unſer thieriſches Selbſt hin- ausreichen, und ſie werden uns nicht ent- zweyen, ſo lange uns nicht gaͤnzlicher Man- gel um Leben und Nahrung kaͤmpfen laͤßt. Wir wollen uns von unſerm Geſchlechte tren- nen, damit nicht ein neidiſcher Anfall von ihnen unſre Gluͤckſeligkeit unterbricht: ſo ſind wir von innen und von außen verſchanzt und machen fuͤr uns allein eine Welt aus — eine Welt, wie wir ſie in den erſten Jahren unſers Lebens traͤumten, Belphegor — eine Geſellſchaft, die Freundſchaft, Liebe,
Sym-
T 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0301"n="295"/>ſtaͤrkrer oder ſchwaͤchrer Veranlaſſung die<lb/>
ganze Maſſe unſrer Begierden durchſaͤuert,<lb/>
daß Freundſchaft, Rechtſchaffenheit und<lb/>ſelbſt die Religion zu ſchwach iſt, ſeiner bei-<lb/>
ßenden Schaͤrfe zu wiederſtehen: wir wollen<lb/>
es nicht ohne unſern Nutzen bewieſen haben.<lb/>
Hier auf dieſem Flecke laßt uns in froher<lb/>
Einſamkeit und ruhiger Eintracht den Reſt<lb/>
unſrer Tage hinleben, und unſern Begier-<lb/>
den jeden Sporn, jeden Reiz benehmen, die<lb/>ſie aufwiegeln koͤnnten, dieſe ſchoͤne Ruhe zu<lb/>ſtoͤren. Wir wollen dieſen Flecken Erde,<lb/>
der unſer Eigenthum geworden iſt, zu glei-<lb/>
chen Theilen beſitzen; unſre Beduͤrfniſſe koͤn-<lb/>
nen nicht uͤber unſer thieriſches Selbſt hin-<lb/>
ausreichen, und ſie werden uns nicht ent-<lb/>
zweyen, ſo lange uns nicht gaͤnzlicher Man-<lb/>
gel um Leben und Nahrung kaͤmpfen laͤßt.<lb/>
Wir wollen uns von unſerm Geſchlechte tren-<lb/>
nen, damit nicht ein neidiſcher Anfall von<lb/>
ihnen unſre Gluͤckſeligkeit unterbricht: ſo<lb/>ſind wir von innen und von außen verſchanzt<lb/>
und machen fuͤr uns allein eine Welt aus<lb/>— eine Welt, wie wir ſie in den erſten<lb/>
Jahren unſers Lebens traͤumten, Belphegor<lb/>— eine Geſellſchaft, die Freundſchaft, Liebe,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">T 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Sym-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[295/0301]
ſtaͤrkrer oder ſchwaͤchrer Veranlaſſung die
ganze Maſſe unſrer Begierden durchſaͤuert,
daß Freundſchaft, Rechtſchaffenheit und
ſelbſt die Religion zu ſchwach iſt, ſeiner bei-
ßenden Schaͤrfe zu wiederſtehen: wir wollen
es nicht ohne unſern Nutzen bewieſen haben.
Hier auf dieſem Flecke laßt uns in froher
Einſamkeit und ruhiger Eintracht den Reſt
unſrer Tage hinleben, und unſern Begier-
den jeden Sporn, jeden Reiz benehmen, die
ſie aufwiegeln koͤnnten, dieſe ſchoͤne Ruhe zu
ſtoͤren. Wir wollen dieſen Flecken Erde,
der unſer Eigenthum geworden iſt, zu glei-
chen Theilen beſitzen; unſre Beduͤrfniſſe koͤn-
nen nicht uͤber unſer thieriſches Selbſt hin-
ausreichen, und ſie werden uns nicht ent-
zweyen, ſo lange uns nicht gaͤnzlicher Man-
gel um Leben und Nahrung kaͤmpfen laͤßt.
Wir wollen uns von unſerm Geſchlechte tren-
nen, damit nicht ein neidiſcher Anfall von
ihnen unſre Gluͤckſeligkeit unterbricht: ſo
ſind wir von innen und von außen verſchanzt
und machen fuͤr uns allein eine Welt aus
— eine Welt, wie wir ſie in den erſten
Jahren unſers Lebens traͤumten, Belphegor
— eine Geſellſchaft, die Freundſchaft, Liebe,
Sym-
T 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/301>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.