sich gesetzt, neben dem Alten, der den in- nerlichen Tumult in seiner Mine las und darum ihn gerührt bey der Hand faßte, ohne sein Stillschweigen zu unterbrechen. Endlich machte sein Gast den Anfang: er schüttete ihm in einem Strome von persi- schen Worten sein Herz aus, die aber mei- stens halberstickt und abgerissen hervorka- men, weil er der Sprache zu wenig mäch- tig war, als daß seine Empfindungen und Gedanken die Geläufigkeit der Zunge nicht übereilen sollten. Der Derwisch bat ihn, von seinem Wege auszuruhn und alsdenn ein kleines Mahl mit ihm im Mondscheine einzunehmen. Belphegorn überlief ein süßer Schauer, als er dieses hörte, und er begab sich hinweg.
Die älteste von den beyden Töchtern führte ihn in ein Kabinet, wo sie ihm ein reinliches Lager von Blättern mit einer Decke von einem orieutalischen Halbtuche zu seiner Ruhe anbot und zu ihrem Vater zurückkehrte. So ermattet er war, so hatten doch die vor- hergehenden heftigen Empfindungen seine Nerven zu sehr angespannt, als daß der Schlaf sie hätte überwältigen sollen. Er lag
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ſich geſetzt, neben dem Alten, der den in- nerlichen Tumult in ſeiner Mine las und darum ihn geruͤhrt bey der Hand faßte, ohne ſein Stillſchweigen zu unterbrechen. Endlich machte ſein Gaſt den Anfang: er ſchuͤttete ihm in einem Strome von perſi- ſchen Worten ſein Herz aus, die aber mei- ſtens halberſtickt und abgeriſſen hervorka- men, weil er der Sprache zu wenig maͤch- tig war, als daß ſeine Empfindungen und Gedanken die Gelaͤufigkeit der Zunge nicht uͤbereilen ſollten. Der Derwiſch bat ihn, von ſeinem Wege auszuruhn und alsdenn ein kleines Mahl mit ihm im Mondſcheine einzunehmen. Belphegorn uͤberlief ein ſuͤßer Schauer, als er dieſes hoͤrte, und er begab ſich hinweg.
Die aͤlteſte von den beyden Toͤchtern fuͤhrte ihn in ein Kabinet, wo ſie ihm ein reinliches Lager von Blaͤttern mit einer Decke von einem orieutaliſchen Halbtuche zu ſeiner Ruhe anbot und zu ihrem Vater zuruͤckkehrte. So ermattet er war, ſo hatten doch die vor- hergehenden heftigen Empfindungen ſeine Nerven zu ſehr angeſpannt, als daß der Schlaf ſie haͤtte uͤberwaͤltigen ſollen. Er lag
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ſich geſetzt, neben dem Alten, der den in-
nerlichen Tumult in ſeiner Mine las und
darum ihn geruͤhrt bey der Hand faßte,
ohne ſein Stillſchweigen zu unterbrechen.
Endlich machte ſein Gaſt den Anfang: er
ſchuͤttete ihm in einem Strome von perſi-
ſchen Worten ſein Herz aus, die aber mei-
ſtens halberſtickt und abgeriſſen hervorka-
men, weil er der Sprache zu wenig maͤch-
tig war, als daß ſeine Empfindungen und
Gedanken die Gelaͤufigkeit der Zunge nicht
uͤbereilen ſollten. Der Derwiſch bat ihn,
von ſeinem Wege auszuruhn und alsdenn
ein kleines Mahl mit ihm im Mondſcheine
einzunehmen. Belphegorn uͤberlief ein ſuͤßer
Schauer, als er dieſes hoͤrte, und er begab
ſich hinweg.
Die aͤlteſte von den beyden Toͤchtern
fuͤhrte ihn in ein Kabinet, wo ſie ihm ein
reinliches Lager von Blaͤttern mit einer Decke
von einem orieutaliſchen Halbtuche zu ſeiner
Ruhe anbot und zu ihrem Vater zuruͤckkehrte.
So ermattet er war, ſo hatten doch die vor-
hergehenden heftigen Empfindungen ſeine
Nerven zu ſehr angeſpannt, als daß der
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/80>, abgerufen am 22.12.2024.
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