Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

die tiefe Nacht hinein. Aber es giebt noch Einen, der über dem Richter ist, und der wird mir helfen! -- Er hob drohend die Faust.

Geelhaar überlegte, daß jeder weitere Streit mit dem hartnäckigen Littauer fruchtlos bleiben würde. Der muß erst die Hand am Kragen fühlen, brummte er vor sich hin, wenn er merken soll, daß einer über ihn Gewalt hat. -- Er ließ anspannen und fuhr zum Richter.

Es verstrichen dann auch nur wenige Tage, bis der Executor mit dem großen blanken Amtsschilde im Dorfe sichtbar wurde. Du mußt binnen acht Tagen heraus, sagte er zu Wanags, hast dich unnützlich aufgeführt, gegen die Obrigkeit aufgelehnt, ruhestörenden Lärm gemacht, mit Waffen gedroht. Kann nicht gelitten werden, ist gegen die öffentliche Ordnung. Sieh hier mein Mandat -- acht Tage Frist, das heißt eigentlich für mich, nicht für dich. Weil ich aber noch weiter in den Kreis muß und erst nach acht Tagen zu berichten habe, will ich dir so lange Zeit zum Besinnen geben. Komme ich zurück und finde dich nicht mehr -- gut! Treffe ich dich noch, so wirst du an die Luft gesetzt -- exmittiren nennt man das. Verstanden?

Wanags lachte zwar verbissen, aber ihm war doch nicht frei zu Muth. Der Executor war Soldat gewesen, wie er, und flößte ihm Respect ein. Sich ihm offen zu widersetzen, wenn er das Amtsschild auf der Brust trug, schien nicht gerathen. Er war den

die tiefe Nacht hinein. Aber es giebt noch Einen, der über dem Richter ist, und der wird mir helfen! — Er hob drohend die Faust.

Geelhaar überlegte, daß jeder weitere Streit mit dem hartnäckigen Littauer fruchtlos bleiben würde. Der muß erst die Hand am Kragen fühlen, brummte er vor sich hin, wenn er merken soll, daß einer über ihn Gewalt hat. — Er ließ anspannen und fuhr zum Richter.

Es verstrichen dann auch nur wenige Tage, bis der Executor mit dem großen blanken Amtsschilde im Dorfe sichtbar wurde. Du mußt binnen acht Tagen heraus, sagte er zu Wanags, hast dich unnützlich aufgeführt, gegen die Obrigkeit aufgelehnt, ruhestörenden Lärm gemacht, mit Waffen gedroht. Kann nicht gelitten werden, ist gegen die öffentliche Ordnung. Sieh hier mein Mandat — acht Tage Frist, das heißt eigentlich für mich, nicht für dich. Weil ich aber noch weiter in den Kreis muß und erst nach acht Tagen zu berichten habe, will ich dir so lange Zeit zum Besinnen geben. Komme ich zurück und finde dich nicht mehr — gut! Treffe ich dich noch, so wirst du an die Luft gesetzt — exmittiren nennt man das. Verstanden?

Wanags lachte zwar verbissen, aber ihm war doch nicht frei zu Muth. Der Executor war Soldat gewesen, wie er, und flößte ihm Respect ein. Sich ihm offen zu widersetzen, wenn er das Amtsschild auf der Brust trug, schien nicht gerathen. Er war den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0052"/>
die tiefe Nacht hinein. Aber es giebt noch Einen, der über                     dem Richter ist, und der wird mir helfen! &#x2014; Er hob drohend die Faust.</p><lb/>
        <p>Geelhaar überlegte, daß jeder weitere Streit mit dem hartnäckigen Littauer                     fruchtlos bleiben würde. Der muß erst die Hand am Kragen fühlen, brummte er vor                     sich hin, wenn er merken soll, daß einer über ihn Gewalt hat. &#x2014; Er ließ                     anspannen und fuhr zum Richter.</p><lb/>
        <p>Es verstrichen dann auch nur wenige Tage, bis der Executor mit dem großen blanken                     Amtsschilde im Dorfe sichtbar wurde. Du mußt binnen acht Tagen heraus, sagte er                     zu Wanags, hast dich unnützlich aufgeführt, gegen die Obrigkeit aufgelehnt,                     ruhestörenden Lärm gemacht, mit Waffen gedroht. Kann nicht gelitten werden, ist                     gegen die öffentliche Ordnung. Sieh hier mein Mandat &#x2014; acht Tage Frist, das                     heißt eigentlich für mich, nicht für dich. Weil ich aber noch weiter in den                     Kreis muß und erst nach acht Tagen zu berichten habe, will ich dir so lange Zeit                     zum Besinnen geben. Komme ich zurück und finde dich nicht mehr &#x2014; gut! Treffe ich                     dich noch, so wirst du an die Luft gesetzt &#x2014; exmittiren nennt man das.                     Verstanden?</p><lb/>
        <p>Wanags lachte zwar verbissen, aber ihm war doch nicht frei zu Muth. Der Executor                     war Soldat gewesen, wie er, und flößte ihm Respect ein. Sich ihm offen zu                     widersetzen, wenn er das Amtsschild auf der Brust trug, schien nicht gerathen.                     Er war den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0052] die tiefe Nacht hinein. Aber es giebt noch Einen, der über dem Richter ist, und der wird mir helfen! — Er hob drohend die Faust. Geelhaar überlegte, daß jeder weitere Streit mit dem hartnäckigen Littauer fruchtlos bleiben würde. Der muß erst die Hand am Kragen fühlen, brummte er vor sich hin, wenn er merken soll, daß einer über ihn Gewalt hat. — Er ließ anspannen und fuhr zum Richter. Es verstrichen dann auch nur wenige Tage, bis der Executor mit dem großen blanken Amtsschilde im Dorfe sichtbar wurde. Du mußt binnen acht Tagen heraus, sagte er zu Wanags, hast dich unnützlich aufgeführt, gegen die Obrigkeit aufgelehnt, ruhestörenden Lärm gemacht, mit Waffen gedroht. Kann nicht gelitten werden, ist gegen die öffentliche Ordnung. Sieh hier mein Mandat — acht Tage Frist, das heißt eigentlich für mich, nicht für dich. Weil ich aber noch weiter in den Kreis muß und erst nach acht Tagen zu berichten habe, will ich dir so lange Zeit zum Besinnen geben. Komme ich zurück und finde dich nicht mehr — gut! Treffe ich dich noch, so wirst du an die Luft gesetzt — exmittiren nennt man das. Verstanden? Wanags lachte zwar verbissen, aber ihm war doch nicht frei zu Muth. Der Executor war Soldat gewesen, wie er, und flößte ihm Respect ein. Sich ihm offen zu widersetzen, wenn er das Amtsschild auf der Brust trug, schien nicht gerathen. Er war den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/52
Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/52>, abgerufen am 15.05.2024.