Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

er ihr sein Zusammentreffen am Morgen und vorhin mit dem Maurerkarle erzählte.

Sie hatte aber nicht Zeit zu antworten. Drüben in der Mühle wurden die Stimmen heftig und laut; sie sah, daß ein Arm den Kienspan aus dem Ring nahm; ängstlich drängte sie zu gehen, denn sie begriff nicht, was es war.

Morgen um neun Uhr bei den sieben Buchen! sagte Otto; er konnte fast nicht wegkommen. Ja, bei den Buchen, riß sich Ammrey endlich los, sah Otto in den Büschen verschwinden, raufte noch schnell einige Kräuter zusammen und ging der Mühle zu.

Otto eilte am Bache hinab und kam bald an einen jähen Abgrund, der ihn vom nächsten Wege trennte, den er zu gehen hatte. In den leichten Buchen, welche über dem Abgrund schwankten, wohl dreißig Fuß hoch und nicht so dick wie ein Arm, spielte der silberne Schein; unten in der Tiefe braus'te der Bach und war schwarze Nacht.

Rasch bog Otto eine dieser Buchen herab, faßte sie so hoch am Gipfel als möglich und schnellte sich über den Abgrund. Von der andern Seite des Bachufers konnte er noch einmal die hellerleuchteten Scheiben der Mühle sehen. Er riß die Flinte herab und schoß, um seiner Gefühle los zu werden, in die Luft.

Lächelnd sah er noch, wie es drüben hinter den Scheiben wimmelte, als hätte er in ein Wespennest ge-

er ihr sein Zusammentreffen am Morgen und vorhin mit dem Maurerkarle erzählte.

Sie hatte aber nicht Zeit zu antworten. Drüben in der Mühle wurden die Stimmen heftig und laut; sie sah, daß ein Arm den Kienspan aus dem Ring nahm; ängstlich drängte sie zu gehen, denn sie begriff nicht, was es war.

Morgen um neun Uhr bei den sieben Buchen! sagte Otto; er konnte fast nicht wegkommen. Ja, bei den Buchen, riß sich Ammrey endlich los, sah Otto in den Büschen verschwinden, raufte noch schnell einige Kräuter zusammen und ging der Mühle zu.

Otto eilte am Bache hinab und kam bald an einen jähen Abgrund, der ihn vom nächsten Wege trennte, den er zu gehen hatte. In den leichten Buchen, welche über dem Abgrund schwankten, wohl dreißig Fuß hoch und nicht so dick wie ein Arm, spielte der silberne Schein; unten in der Tiefe braus'te der Bach und war schwarze Nacht.

Rasch bog Otto eine dieser Buchen herab, faßte sie so hoch am Gipfel als möglich und schnellte sich über den Abgrund. Von der andern Seite des Bachufers konnte er noch einmal die hellerleuchteten Scheiben der Mühle sehen. Er riß die Flinte herab und schoß, um seiner Gefühle los zu werden, in die Luft.

Lächelnd sah er noch, wie es drüben hinter den Scheiben wimmelte, als hätte er in ein Wespennest ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042"/>
er ihr sein Zusammentreffen am Morgen und vorhin      mit dem Maurerkarle erzählte.</p><lb/>
        <p>Sie hatte aber nicht Zeit zu antworten. Drüben in der Mühle wurden die Stimmen heftig und      laut; sie sah, daß ein Arm den Kienspan aus dem Ring nahm; ängstlich drängte sie zu gehen, denn      sie begriff nicht, was es war.</p><lb/>
        <p>Morgen um neun Uhr bei den sieben Buchen! sagte Otto; er konnte fast nicht wegkommen. Ja, bei      den Buchen, riß sich Ammrey endlich los, sah Otto in den Büschen verschwinden, raufte noch      schnell einige Kräuter zusammen und ging der Mühle zu.</p><lb/>
        <p>Otto eilte am Bache hinab und kam bald an einen jähen Abgrund, der ihn vom nächsten Wege      trennte, den er zu gehen hatte. In den leichten Buchen, welche über dem Abgrund schwankten,      wohl dreißig Fuß hoch und nicht so dick wie ein Arm, spielte der silberne Schein; unten in der      Tiefe braus'te der Bach und war schwarze Nacht.</p><lb/>
        <p>Rasch bog Otto eine dieser Buchen herab, faßte sie so hoch am Gipfel als möglich und      schnellte sich über den Abgrund. Von der andern Seite des Bachufers konnte er noch einmal die      hellerleuchteten Scheiben der Mühle sehen. Er riß die Flinte herab und schoß, um seiner Gefühle      los zu werden, in die Luft.</p><lb/>
        <p>Lächelnd sah er noch, wie es drüben hinter den Scheiben wimmelte, als hätte er in ein      Wespennest ge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042] er ihr sein Zusammentreffen am Morgen und vorhin mit dem Maurerkarle erzählte. Sie hatte aber nicht Zeit zu antworten. Drüben in der Mühle wurden die Stimmen heftig und laut; sie sah, daß ein Arm den Kienspan aus dem Ring nahm; ängstlich drängte sie zu gehen, denn sie begriff nicht, was es war. Morgen um neun Uhr bei den sieben Buchen! sagte Otto; er konnte fast nicht wegkommen. Ja, bei den Buchen, riß sich Ammrey endlich los, sah Otto in den Büschen verschwinden, raufte noch schnell einige Kräuter zusammen und ging der Mühle zu. Otto eilte am Bache hinab und kam bald an einen jähen Abgrund, der ihn vom nächsten Wege trennte, den er zu gehen hatte. In den leichten Buchen, welche über dem Abgrund schwankten, wohl dreißig Fuß hoch und nicht so dick wie ein Arm, spielte der silberne Schein; unten in der Tiefe braus'te der Bach und war schwarze Nacht. Rasch bog Otto eine dieser Buchen herab, faßte sie so hoch am Gipfel als möglich und schnellte sich über den Abgrund. Von der andern Seite des Bachufers konnte er noch einmal die hellerleuchteten Scheiben der Mühle sehen. Er riß die Flinte herab und schoß, um seiner Gefühle los zu werden, in die Luft. Lächelnd sah er noch, wie es drüben hinter den Scheiben wimmelte, als hätte er in ein Wespennest ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:16:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:16:28Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/42
Zitationshilfe: Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/42>, abgerufen am 09.11.2024.