Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dem Gesuchten ein, den sie schon auf dem Rückweg getroffen hatten; sonst regte sich nichts im Wald und Thal. Unbemerkt suchte der Maurerkarle sein Gewehr in eine dunkle Ecke zu stellen, denn es war verboten, zum Kundschaften bewaffnet auszugehen, und seine Begleiter hatten ihn gehindert, die Flinte vor der Thüre abzustellen, weil sie ihn nicht leiden konnten und ihm einen Verweis gönnten. Der Müller hatte es aber wohl gesehen, doch sagte er nichts, ließ den Ankömmling erst den dargebrachten Trunk thun und bedeutete ihn dann, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Er richtete sich eben empor, um den Burschen auszuforschen, als seine Tochter vor ihn hintrat, so daß sie zugleich den Maurer im Auge hatte. Um Gott, ihr guten Mannen, ich will Recht suchen, sprach sie mit fester Stimme. -- So muß die Anklage unter den Wilderern nach Herkommen beginnen, und die Aeltesten sprechen das Urtheil. Sogleich sprangen die vom Ofen herzu; die Jüngeren stellten sich hinter die Männer am Tisch. Der Alte sah die Tochter zornig an; sie hielt aber den Blick so ruhig aus, daß er sich anschickte und sein Messer tief in den Tisch trieb, worauf alle Uebrigen die Messer an ihn ablieferten, zum Zeichen, daß Friede sein müsse, was auch geschehe. Langsam erhob sich der Müller: Die Mannen suchen das Recht, nicht die Weiber; nur eine reine Jungfrau kann reden ohne Fürsprech. dem Gesuchten ein, den sie schon auf dem Rückweg getroffen hatten; sonst regte sich nichts im Wald und Thal. Unbemerkt suchte der Maurerkarle sein Gewehr in eine dunkle Ecke zu stellen, denn es war verboten, zum Kundschaften bewaffnet auszugehen, und seine Begleiter hatten ihn gehindert, die Flinte vor der Thüre abzustellen, weil sie ihn nicht leiden konnten und ihm einen Verweis gönnten. Der Müller hatte es aber wohl gesehen, doch sagte er nichts, ließ den Ankömmling erst den dargebrachten Trunk thun und bedeutete ihn dann, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Er richtete sich eben empor, um den Burschen auszuforschen, als seine Tochter vor ihn hintrat, so daß sie zugleich den Maurer im Auge hatte. Um Gott, ihr guten Mannen, ich will Recht suchen, sprach sie mit fester Stimme. — So muß die Anklage unter den Wilderern nach Herkommen beginnen, und die Aeltesten sprechen das Urtheil. Sogleich sprangen die vom Ofen herzu; die Jüngeren stellten sich hinter die Männer am Tisch. Der Alte sah die Tochter zornig an; sie hielt aber den Blick so ruhig aus, daß er sich anschickte und sein Messer tief in den Tisch trieb, worauf alle Uebrigen die Messer an ihn ablieferten, zum Zeichen, daß Friede sein müsse, was auch geschehe. Langsam erhob sich der Müller: Die Mannen suchen das Recht, nicht die Weiber; nur eine reine Jungfrau kann reden ohne Fürsprech. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047"/> dem Gesuchten ein, den sie schon auf dem Rückweg getroffen hatten; sonst regte sich nichts im Wald und Thal. Unbemerkt suchte der Maurerkarle sein Gewehr in eine dunkle Ecke zu stellen, denn es war verboten, zum Kundschaften bewaffnet auszugehen, und seine Begleiter hatten ihn gehindert, die Flinte vor der Thüre abzustellen, weil sie ihn nicht leiden konnten und ihm einen Verweis gönnten. Der Müller hatte es aber wohl gesehen, doch sagte er nichts, ließ den Ankömmling erst den dargebrachten Trunk thun und bedeutete ihn dann, ihm gegenüber Platz zu nehmen.</p><lb/> <p>Er richtete sich eben empor, um den Burschen auszuforschen, als seine Tochter vor ihn hintrat, so daß sie zugleich den Maurer im Auge hatte.</p><lb/> <p>Um Gott, ihr guten Mannen, ich will Recht suchen, sprach sie mit fester Stimme. — So muß die Anklage unter den Wilderern nach Herkommen beginnen, und die Aeltesten sprechen das Urtheil.</p><lb/> <p>Sogleich sprangen die vom Ofen herzu; die Jüngeren stellten sich hinter die Männer am Tisch. Der Alte sah die Tochter zornig an; sie hielt aber den Blick so ruhig aus, daß er sich anschickte und sein Messer tief in den Tisch trieb, worauf alle Uebrigen die Messer an ihn ablieferten, zum Zeichen, daß Friede sein müsse, was auch geschehe.</p><lb/> <p>Langsam erhob sich der Müller: Die Mannen suchen das Recht, nicht die Weiber; nur eine reine Jungfrau kann reden ohne Fürsprech.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0047]
dem Gesuchten ein, den sie schon auf dem Rückweg getroffen hatten; sonst regte sich nichts im Wald und Thal. Unbemerkt suchte der Maurerkarle sein Gewehr in eine dunkle Ecke zu stellen, denn es war verboten, zum Kundschaften bewaffnet auszugehen, und seine Begleiter hatten ihn gehindert, die Flinte vor der Thüre abzustellen, weil sie ihn nicht leiden konnten und ihm einen Verweis gönnten. Der Müller hatte es aber wohl gesehen, doch sagte er nichts, ließ den Ankömmling erst den dargebrachten Trunk thun und bedeutete ihn dann, ihm gegenüber Platz zu nehmen.
Er richtete sich eben empor, um den Burschen auszuforschen, als seine Tochter vor ihn hintrat, so daß sie zugleich den Maurer im Auge hatte.
Um Gott, ihr guten Mannen, ich will Recht suchen, sprach sie mit fester Stimme. — So muß die Anklage unter den Wilderern nach Herkommen beginnen, und die Aeltesten sprechen das Urtheil.
Sogleich sprangen die vom Ofen herzu; die Jüngeren stellten sich hinter die Männer am Tisch. Der Alte sah die Tochter zornig an; sie hielt aber den Blick so ruhig aus, daß er sich anschickte und sein Messer tief in den Tisch trieb, worauf alle Uebrigen die Messer an ihn ablieferten, zum Zeichen, daß Friede sein müsse, was auch geschehe.
Langsam erhob sich der Müller: Die Mannen suchen das Recht, nicht die Weiber; nur eine reine Jungfrau kann reden ohne Fürsprech.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T13:16:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T13:16:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |