Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Nicht ohne Absicht haben wir diesen Novellisten unmittelbar auf den letzten Romantiker folgen lassen; denn nicht nur "Die katholische Mühle", sondern fast alle übrigen Erzählungen desselben Bändchens und des im Jahre darauf in demselben Verlag unter dem Titel "Für stille Abende" erschienenen, desgleichen "Eine Universitätsgeschichte" im ersten Bande von Hackländer's und Höfels Hausblättern (1855)*) zeigen in Stoff und Tonart eine entschiedene Verwandtschaft mit jener zwischen Schwermuth und Uebermuth in einer reizenden Mitte schwebenden Jugendstimmung, in der wir den Grundton der Eichendorffschen Dichtung erkannt haben, während sie zugleich aufs Deutlichste den Schritt bezeichnen, den die neuere Poesie in das wirkliche Leben hinaus gethan hat. Hier wie dort Waldeinsamkeit, verfallene Schlösser, um deren Roccoco-Fontänen spukhafte Sagen und unheimliche Geschichten schweben, Menschen, die aus der Prosa des Alltagslebens in die Natur flüchten und das philiströse Einerlei ihres socialen Berufs durch kecke Abenteuer aufzufrischen suchen; endlich hier wie dort -- freilich nur ein äußerlicher, aber immerhin bezeichnender Zug -- die Neigung, die Si- *) Die im zweiten Bande der Hausblätter mitgetheilte interessante Novelle "die Tochter der Schauspielerin" hat einen anderen Charakter.
Nicht ohne Absicht haben wir diesen Novellisten unmittelbar auf den letzten Romantiker folgen lassen; denn nicht nur „Die katholische Mühle“, sondern fast alle übrigen Erzählungen desselben Bändchens und des im Jahre darauf in demselben Verlag unter dem Titel „Für stille Abende“ erschienenen, desgleichen „Eine Universitätsgeschichte“ im ersten Bande von Hackländer's und Höfels Hausblättern (1855)*) zeigen in Stoff und Tonart eine entschiedene Verwandtschaft mit jener zwischen Schwermuth und Uebermuth in einer reizenden Mitte schwebenden Jugendstimmung, in der wir den Grundton der Eichendorffschen Dichtung erkannt haben, während sie zugleich aufs Deutlichste den Schritt bezeichnen, den die neuere Poesie in das wirkliche Leben hinaus gethan hat. Hier wie dort Waldeinsamkeit, verfallene Schlösser, um deren Roccoco-Fontänen spukhafte Sagen und unheimliche Geschichten schweben, Menschen, die aus der Prosa des Alltagslebens in die Natur flüchten und das philiströse Einerlei ihres socialen Berufs durch kecke Abenteuer aufzufrischen suchen; endlich hier wie dort — freilich nur ein äußerlicher, aber immerhin bezeichnender Zug — die Neigung, die Si- *) Die im zweiten Bande der Hausblätter mitgetheilte interessante Novelle „die Tochter der Schauspielerin“ hat einen anderen Charakter.
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Nicht ohne Absicht haben wir diesen Novellisten unmittelbar auf den letzten Romantiker folgen lassen; denn nicht nur „Die katholische Mühle“, sondern fast alle übrigen Erzählungen desselben Bändchens und des im Jahre darauf in demselben Verlag unter dem Titel „Für stille Abende“ erschienenen, desgleichen „Eine Universitätsgeschichte“ im ersten Bande von Hackländer's und Höfels Hausblättern (1855) *) zeigen in Stoff und Tonart eine entschiedene Verwandtschaft mit jener zwischen Schwermuth und Uebermuth in einer reizenden Mitte schwebenden Jugendstimmung, in der wir den Grundton der Eichendorffschen Dichtung erkannt haben, während sie zugleich aufs Deutlichste den Schritt bezeichnen, den die neuere Poesie in das wirkliche Leben hinaus gethan hat. Hier wie dort Waldeinsamkeit, verfallene Schlösser, um deren Roccoco-Fontänen spukhafte Sagen und unheimliche Geschichten schweben, Menschen, die aus der Prosa des Alltagslebens in die Natur flüchten und das philiströse Einerlei ihres socialen Berufs durch kecke Abenteuer aufzufrischen suchen; endlich hier wie dort — freilich nur ein äußerlicher, aber immerhin bezeichnender Zug — die Neigung, die Si-
*) Die im zweiten Bande der Hausblätter mitgetheilte interessante Novelle „die Tochter der Schauspielerin“ hat einen anderen Charakter.
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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