ihres Liebe glüklich zu machen, so leicht sich selbst ver- gessen kan! Möchten sie endlich in jenen Augenbliken, wo das Anschauen der Entzükungen, in die ihr zu se- zen fähig seyd, eure Klugheit überraschen könnte, euch in die Ohren flüstern: Daß selbst ein Agathon, weder Verdienst noch Liebe genug hat, um werth zu seyn, daß die Befriedigung seiner Wünsche euch die Ruhe eures Herzens koste.
Zehentes Capitel. Welches alle unsre verheyrathete Leser, wo- fern sie nicht sehr glüklich oder vollkomm- ne Stoiker sind, überschlagen können.
Die schöne Danae war keine von denen, welche das, was sie thun, nur zur Hälfte thun. Nachdem sie ein- mal beschlossen hatte, ihren Freund glüklich zu machen, so vollführte sie es auf eine Art, welche alles was er bisher Vergnügen und Wonne genannt hatte, in Schat- ten und Wolkenbilder verwandelte. Man erinnert sich vermuthlich noch, daß eine Art von Vorwiz oder viel- mehr ein launischer Einfall, die Macht ihrer Reizun- gen an unserm Helden zu probieren, anfangs die einzige Triebfeder der Anschläge war, welche sie auf sein Herz gemacht hatte. Die persönliche Bekanntschaft belebte
dieses
O 2
Fuͤnftes Buch, zehentes Capitel.
ihres Liebe gluͤklich zu machen, ſo leicht ſich ſelbſt ver- geſſen kan! Moͤchten ſie endlich in jenen Augenbliken, wo das Anſchauen der Entzuͤkungen, in die ihr zu ſe- zen faͤhig ſeyd, eure Klugheit uͤberraſchen koͤnnte, euch in die Ohren fluͤſtern: Daß ſelbſt ein Agathon, weder Verdienſt noch Liebe genug hat, um werth zu ſeyn, daß die Befriedigung ſeiner Wuͤnſche euch die Ruhe eures Herzens koſte.
Zehentes Capitel. Welches alle unſre verheyrathete Leſer, wo- fern ſie nicht ſehr gluͤklich oder vollkomm- ne Stoiker ſind, uͤberſchlagen koͤnnen.
Die ſchoͤne Danae war keine von denen, welche das, was ſie thun, nur zur Haͤlfte thun. Nachdem ſie ein- mal beſchloſſen hatte, ihren Freund gluͤklich zu machen, ſo vollfuͤhrte ſie es auf eine Art, welche alles was er bisher Vergnuͤgen und Wonne genannt hatte, in Schat- ten und Wolkenbilder verwandelte. Man erinnert ſich vermuthlich noch, daß eine Art von Vorwiz oder viel- mehr ein launiſcher Einfall, die Macht ihrer Reizun- gen an unſerm Helden zu probieren, anfangs die einzige Triebfeder der Anſchlaͤge war, welche ſie auf ſein Herz gemacht hatte. Die perſoͤnliche Bekanntſchaft belebte
dieſes
O 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0233"n="211"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Fuͤnftes Buch, zehentes Capitel.</hi></fw><lb/>
ihres Liebe gluͤklich zu machen, ſo leicht ſich ſelbſt ver-<lb/>
geſſen kan! Moͤchten ſie endlich in jenen Augenbliken,<lb/>
wo das Anſchauen der Entzuͤkungen, in die ihr zu ſe-<lb/>
zen faͤhig ſeyd, eure Klugheit uͤberraſchen koͤnnte, euch<lb/>
in die Ohren fluͤſtern: Daß ſelbſt ein Agathon, weder<lb/>
Verdienſt noch Liebe genug hat, um werth zu ſeyn,<lb/>
daß die Befriedigung ſeiner Wuͤnſche euch die Ruhe<lb/>
eures Herzens koſte.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Zehentes Capitel.</hi><lb/>
Welches alle unſre verheyrathete Leſer, wo-<lb/>
fern ſie nicht ſehr gluͤklich oder vollkomm-<lb/>
ne Stoiker ſind, uͤberſchlagen<lb/>
koͤnnen.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>ie ſchoͤne Danae war keine von denen, welche das,<lb/>
was ſie thun, nur zur Haͤlfte thun. Nachdem ſie ein-<lb/>
mal beſchloſſen hatte, ihren Freund gluͤklich zu machen,<lb/>ſo vollfuͤhrte ſie es auf eine Art, welche alles was er<lb/>
bisher Vergnuͤgen und Wonne genannt hatte, in Schat-<lb/>
ten und Wolkenbilder verwandelte. Man erinnert ſich<lb/>
vermuthlich noch, daß eine Art von Vorwiz oder viel-<lb/>
mehr ein launiſcher Einfall, die Macht ihrer Reizun-<lb/>
gen an unſerm Helden zu probieren, anfangs die einzige<lb/>
Triebfeder der Anſchlaͤge war, welche ſie auf ſein Herz<lb/>
gemacht hatte. Die perſoͤnliche Bekanntſchaft belebte<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">dieſes</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[211/0233]
Fuͤnftes Buch, zehentes Capitel.
ihres Liebe gluͤklich zu machen, ſo leicht ſich ſelbſt ver-
geſſen kan! Moͤchten ſie endlich in jenen Augenbliken,
wo das Anſchauen der Entzuͤkungen, in die ihr zu ſe-
zen faͤhig ſeyd, eure Klugheit uͤberraſchen koͤnnte, euch
in die Ohren fluͤſtern: Daß ſelbſt ein Agathon, weder
Verdienſt noch Liebe genug hat, um werth zu ſeyn,
daß die Befriedigung ſeiner Wuͤnſche euch die Ruhe
eures Herzens koſte.
Zehentes Capitel.
Welches alle unſre verheyrathete Leſer, wo-
fern ſie nicht ſehr gluͤklich oder vollkomm-
ne Stoiker ſind, uͤberſchlagen
koͤnnen.
Die ſchoͤne Danae war keine von denen, welche das,
was ſie thun, nur zur Haͤlfte thun. Nachdem ſie ein-
mal beſchloſſen hatte, ihren Freund gluͤklich zu machen,
ſo vollfuͤhrte ſie es auf eine Art, welche alles was er
bisher Vergnuͤgen und Wonne genannt hatte, in Schat-
ten und Wolkenbilder verwandelte. Man erinnert ſich
vermuthlich noch, daß eine Art von Vorwiz oder viel-
mehr ein launiſcher Einfall, die Macht ihrer Reizun-
gen an unſerm Helden zu probieren, anfangs die einzige
Triebfeder der Anſchlaͤge war, welche ſie auf ſein Herz
gemacht hatte. Die perſoͤnliche Bekanntſchaft belebte
dieſes
O 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/233>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.