Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Agathon. einem Worte, Petronius, bedient sich irgendwo einesAusdruks, welcher ganz deutlich zu erkennen giebt, daß er eine verliebte Vermischung der Seelen nicht nur für möglich, sondern für einen solchen Umstand gehalten habe, der die Geheimnisse der Liebesgöttin natürlicher Weise zu begleiten pflege. Jam alligata mutuo ambitu corpora animarum quoque mixturam fecerant, sagt dieser Oberaufseher der Ergözlichkeiten des Kaysers Nero; um vermuthlich eben dasselbe zu bezeichnen, was er an einem andern Ort ungleich schöner also aus- drükt: Et transfudimus hinc & hinc labellis Ob er selbst die ganze Stärke dieses Ausdruks einge- chen
Agathon. einem Worte, Petronius, bedient ſich irgendwo einesAusdruks, welcher ganz deutlich zu erkennen giebt, daß er eine verliebte Vermiſchung der Seelen nicht nur fuͤr moͤglich, ſondern fuͤr einen ſolchen Umſtand gehalten habe, der die Geheimniſſe der Liebesgoͤttin natuͤrlicher Weiſe zu begleiten pflege. Jam alligata mutuo ambitu corpora animarum quoque mixturam fecerant, ſagt dieſer Oberaufſeher der Ergoͤzlichkeiten des Kayſers Nero; um vermuthlich eben daſſelbe zu bezeichnen, was er an einem andern Ort ungleich ſchoͤner alſo aus- druͤkt: Et transfudimus hinc & hinc labellis Ob er ſelbſt die ganze Staͤrke dieſes Ausdruks einge- chen
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Agathon.
einem Worte, Petronius, bedient ſich irgendwo eines
Ausdruks, welcher ganz deutlich zu erkennen giebt, daß
er eine verliebte Vermiſchung der Seelen nicht nur fuͤr
moͤglich, ſondern fuͤr einen ſolchen Umſtand gehalten
habe, der die Geheimniſſe der Liebesgoͤttin natuͤrlicher
Weiſe zu begleiten pflege. Jam alligata mutuo ambitu
corpora animarum quoque mixturam fecerant, ſagt
dieſer Oberaufſeher der Ergoͤzlichkeiten des Kayſers
Nero; um vermuthlich eben daſſelbe zu bezeichnen,
was er an einem andern Ort ungleich ſchoͤner alſo aus-
druͤkt:
Et transfudimus hinc & hinc labellis
Errantes animas —
Ob er ſelbſt die ganze Staͤrke dieſes Ausdruks einge-
ſehen, oder ihm ſo viel Bedeutung beygelegt habe,
als wir; iſt eine Frage, die uns (nach Gewohnheit
der meiſten Ausleger) ſehr wenig bekuͤmmert. Genug,
daß wir dieſe Stellen einer Hypotheſe guͤnſtig finden,
ohne welche ſich, unſrer Meynung nach, verſchiedene
Phaͤnomena der Liebe nicht wohl erklaͤren laſſen, und
vermoͤge welcher wir annehmen, daß bey wahren Lie-
benden, in gewiſſen Umſtaͤnden, nicht (wie einer unſ-
rer tugendhafteſten Dichter meynt) ein Tauſch, ſon-
dern eine wuͤrkliche Miſchung der Seelen vorgehe.
Wie dieſes moͤglich ſey zu unterſuchen, uͤberlaſſen wir
billig den weiſen und tiefſinnigen Leuten, welche ſich,
in ſtolzer Muſſe und ſeliger Abgeſchiedenheit von dem
Getuͤmmel dieſer ſublunariſchen Welt, mit der nuͤzli-
chen
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