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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
und zu allen Beschäftigungen desselben verdrossen machte.
Der Tempel zu Delphi schien ihm der tauglichste Ort
zu seyn, mich zu gleicher Zeit zu verbergen, und einer
guten Erziehung theilhaft zu machen. Er hatte Freunde
daselbst, denen ich besonders empfohlen wurde, mit
dem gemessensten Auftrag, mich in einer gänzlichen Un-
wissenheit über meinen Ursprung zu lassen. Sein Vor-
saz war, so bald der Tod seines Vaters ihn zum Mei-
ster über sich selbst und seine Güter gemacht haben wür-
de, mich von Delphi abzuholen, und nach Athen zu
bringen, wo er so dann seine Verbindung mit meiner
Mutter bekannt machen, und mich öffentlich für seinen
Sohn und Erben erklären wollte. Aber dieser Zufall
erfolgte erst wenige Monate vor meiner Flucht, und
seit demselben hatten ihn dringendere Geschäfte genö-
thigt, meine Abholung aufzuschieben.

Nachdem mein Vater diese Erzählung geendigt hatte,
ließ er einen alten Freygelassenen zu sich ruffen, und
fragte ihn: Ob er den kleinen Agathon kenne, den er
vor vierzehn Jahren dem Schuz des Delphischen Apollo
überliefert habe? Der gute Alte, dessen Züge mir selbst
nicht unbekannt waren, erkannte mich desto leichter, da
er binnen dieser Zeit von meinem Vater etliche male
nach Delphi abgeschikt worden war, sich meines Wol-
befindens zu erkundigen. Nunmehr wurde in wenigen
Augenbliken das ganze Haus mit allgemeiner Freude
erfüllt; die Zufriedenheit meines Vaters über mich, und
das Vergnügen, womit alle seine Haus-Genossen mich,

als

Agathon.
und zu allen Beſchaͤftigungen deſſelben verdroſſen machte.
Der Tempel zu Delphi ſchien ihm der tauglichſte Ort
zu ſeyn, mich zu gleicher Zeit zu verbergen, und einer
guten Erziehung theilhaft zu machen. Er hatte Freunde
daſelbſt, denen ich beſonders empfohlen wurde, mit
dem gemeſſenſten Auftrag, mich in einer gaͤnzlichen Un-
wiſſenheit uͤber meinen Urſprung zu laſſen. Sein Vor-
ſaz war, ſo bald der Tod ſeines Vaters ihn zum Mei-
ſter uͤber ſich ſelbſt und ſeine Guͤter gemacht haben wuͤr-
de, mich von Delphi abzuholen, und nach Athen zu
bringen, wo er ſo dann ſeine Verbindung mit meiner
Mutter bekannt machen, und mich oͤffentlich fuͤr ſeinen
Sohn und Erben erklaͤren wollte. Aber dieſer Zufall
erfolgte erſt wenige Monate vor meiner Flucht, und
ſeit demſelben hatten ihn dringendere Geſchaͤfte genoͤ-
thigt, meine Abholung aufzuſchieben.

Nachdem mein Vater dieſe Erzaͤhlung geendigt hatte,
ließ er einen alten Freygelaſſenen zu ſich ruffen, und
fragte ihn: Ob er den kleinen Agathon kenne, den er
vor vierzehn Jahren dem Schuz des Delphiſchen Apollo
uͤberliefert habe? Der gute Alte, deſſen Zuͤge mir ſelbſt
nicht unbekannt waren, erkannte mich deſto leichter, da
er binnen dieſer Zeit von meinem Vater etliche male
nach Delphi abgeſchikt worden war, ſich meines Wol-
befindens zu erkundigen. Nunmehr wurde in wenigen
Augenbliken das ganze Haus mit allgemeiner Freude
erfuͤllt; die Zufriedenheit meines Vaters uͤber mich, und
das Vergnuͤgen, womit alle ſeine Haus-Genoſſen mich,

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[326/0348] Agathon. und zu allen Beſchaͤftigungen deſſelben verdroſſen machte. Der Tempel zu Delphi ſchien ihm der tauglichſte Ort zu ſeyn, mich zu gleicher Zeit zu verbergen, und einer guten Erziehung theilhaft zu machen. Er hatte Freunde daſelbſt, denen ich beſonders empfohlen wurde, mit dem gemeſſenſten Auftrag, mich in einer gaͤnzlichen Un- wiſſenheit uͤber meinen Urſprung zu laſſen. Sein Vor- ſaz war, ſo bald der Tod ſeines Vaters ihn zum Mei- ſter uͤber ſich ſelbſt und ſeine Guͤter gemacht haben wuͤr- de, mich von Delphi abzuholen, und nach Athen zu bringen, wo er ſo dann ſeine Verbindung mit meiner Mutter bekannt machen, und mich oͤffentlich fuͤr ſeinen Sohn und Erben erklaͤren wollte. Aber dieſer Zufall erfolgte erſt wenige Monate vor meiner Flucht, und ſeit demſelben hatten ihn dringendere Geſchaͤfte genoͤ- thigt, meine Abholung aufzuſchieben. Nachdem mein Vater dieſe Erzaͤhlung geendigt hatte, ließ er einen alten Freygelaſſenen zu ſich ruffen, und fragte ihn: Ob er den kleinen Agathon kenne, den er vor vierzehn Jahren dem Schuz des Delphiſchen Apollo uͤberliefert habe? Der gute Alte, deſſen Zuͤge mir ſelbſt nicht unbekannt waren, erkannte mich deſto leichter, da er binnen dieſer Zeit von meinem Vater etliche male nach Delphi abgeſchikt worden war, ſich meines Wol- befindens zu erkundigen. Nunmehr wurde in wenigen Augenbliken das ganze Haus mit allgemeiner Freude erfuͤllt; die Zufriedenheit meines Vaters uͤber mich, und das Vergnuͤgen, womit alle ſeine Haus-Genoſſen mich, als

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/348>, abgerufen am 22.11.2024.