Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Siebentes Buch, siebentes Capitel. Welt, den unvergänglichen Wohnplaz der tugendhaftenSeelen, folgen wird; diese Handlungen haben mir euern Unwillen zugezogen. Die Athenienser wollen auf Unkosten des menschlichen Geschlechts groß seyn; und das werden sie so lange seyn wollen, bis sie in Ketten, welche sie sich felbst schmieden, und deren sie würdig sind, sobald sie über Sclaven gebieten wollen, allen ihren Ehrgeiz auf den rühmlichen Vorzug einschränken werden, die besten Sprachlehrer, und die gelenkigsten Pantomimen in der Welt zu seyn. Aber Agathon ist nicht dazu gemacht, euern Lauf auf diesem Wege, den die Gefälligkeit eurer Redner mit Blumen bestreut, beschleunigen zu helfen. Mein Privatleben hat euch bewiesen, daß die Grundsäze, nach welchen ich eure öffentlichen Handlungen zu leiten gewünscht hätte, die Maßregeln meines eigenen Verhaltens sind. Mein Vermögen hat mehr zum Gebrauch eines jeden unter euch, als zu meinem eigenen gedienet. Jch habe mir Undankbare verbindlich gemacht, und diese Erfahrung lehrt mich, Güter mit Gleichgültigkeit zurükzulassen, welche ich übel anwendete, da ich sie am besten anzu- wenden glaubte. Dieses, ihr Athenienser, ist alles, was ich zu meiner Vertheidigung zu sagen habe. Jhr seyd nun, weil euch die Menge eurer Arme zu mei- nen Herren macht, Meister über meine Umstände, und wenn ihr wollt, über mein Leben. Verlangt ihr mei- nen Tod, so meldet mir nur, was ich in euerm Na- men, dem weisen und guten Socrates sagen soll, zu dem ihr mich schiken werdet. Begnügt ihr euch aber, mich aus [Agath. I. Th.] A a
Siebentes Buch, ſiebentes Capitel. Welt, den unvergaͤnglichen Wohnplaz der tugendhaftenSeelen, folgen wird; dieſe Handlungen haben mir euern Unwillen zugezogen. Die Athenienſer wollen auf Unkoſten des menſchlichen Geſchlechts groß ſeyn; und das werden ſie ſo lange ſeyn wollen, bis ſie in Ketten, welche ſie ſich felbſt ſchmieden, und deren ſie wuͤrdig ſind, ſobald ſie uͤber Sclaven gebieten wollen, allen ihren Ehrgeiz auf den ruͤhmlichen Vorzug einſchraͤnken werden, die beſten Sprachlehrer, und die gelenkigſten Pantomimen in der Welt zu ſeyn. Aber Agathon iſt nicht dazu gemacht, euern Lauf auf dieſem Wege, den die Gefaͤlligkeit eurer Redner mit Blumen beſtreut, beſchleunigen zu helfen. Mein Privatleben hat euch bewieſen, daß die Grundſaͤze, nach welchen ich eure oͤffentlichen Handlungen zu leiten gewuͤnſcht haͤtte, die Maßregeln meines eigenen Verhaltens ſind. Mein Vermoͤgen hat mehr zum Gebrauch eines jeden unter euch, als zu meinem eigenen gedienet. Jch habe mir Undankbare verbindlich gemacht, und dieſe Erfahrung lehrt mich, Guͤter mit Gleichguͤltigkeit zuruͤkzulaſſen, welche ich uͤbel anwendete, da ich ſie am beſten anzu- wenden glaubte. Dieſes, ihr Athenienſer, iſt alles, was ich zu meiner Vertheidigung zu ſagen habe. Jhr ſeyd nun, weil euch die Menge eurer Arme zu mei- nen Herren macht, Meiſter uͤber meine Umſtaͤnde, und wenn ihr wollt, uͤber mein Leben. Verlangt ihr mei- nen Tod, ſo meldet mir nur, was ich in euerm Na- men, dem weiſen und guten Socrates ſagen ſoll, zu dem ihr mich ſchiken werdet. Begnuͤgt ihr euch aber, mich aus [Agath. I. Th.] A a
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0391" n="369"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebentes Buch, ſiebentes Capitel.</hi></fw><lb/> Welt, den unvergaͤnglichen Wohnplaz der tugendhaften<lb/> Seelen, folgen wird; dieſe Handlungen haben mir<lb/> euern Unwillen zugezogen. Die Athenienſer wollen auf<lb/> Unkoſten des menſchlichen Geſchlechts groß ſeyn; und<lb/> das werden ſie ſo lange ſeyn wollen, bis ſie in Ketten,<lb/> welche ſie ſich felbſt ſchmieden, und deren ſie wuͤrdig<lb/> ſind, ſobald ſie uͤber Sclaven gebieten wollen, allen<lb/> ihren Ehrgeiz auf den ruͤhmlichen Vorzug einſchraͤnken<lb/> werden, die beſten Sprachlehrer, und die gelenkigſten<lb/> Pantomimen in der Welt zu ſeyn. Aber Agathon<lb/> iſt nicht dazu gemacht, euern Lauf auf dieſem Wege,<lb/> den die Gefaͤlligkeit eurer Redner mit Blumen beſtreut,<lb/> beſchleunigen zu helfen. Mein Privatleben hat euch<lb/> bewieſen, daß die Grundſaͤze, nach welchen ich eure<lb/> oͤffentlichen Handlungen zu leiten gewuͤnſcht haͤtte, die<lb/> Maßregeln meines eigenen Verhaltens ſind. Mein<lb/> Vermoͤgen hat mehr zum Gebrauch eines jeden unter<lb/> euch, als zu meinem eigenen gedienet. Jch habe mir<lb/> Undankbare verbindlich gemacht, und dieſe Erfahrung<lb/> lehrt mich, Guͤter mit Gleichguͤltigkeit zuruͤkzulaſſen,<lb/> welche ich uͤbel anwendete, da ich ſie am beſten anzu-<lb/> wenden glaubte. Dieſes, ihr Athenienſer, iſt alles,<lb/> was ich zu meiner Vertheidigung zu ſagen habe. Jhr<lb/> ſeyd nun, weil euch die Menge eurer Arme zu mei-<lb/> nen Herren macht, Meiſter uͤber meine Umſtaͤnde, und<lb/> wenn ihr wollt, uͤber mein Leben. Verlangt ihr mei-<lb/> nen Tod, ſo meldet mir nur, was ich in euerm Na-<lb/> men, dem weiſen und guten Socrates ſagen ſoll, zu dem<lb/> ihr mich ſchiken werdet. Begnuͤgt ihr euch aber, mich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">[Agath. <hi rendition="#aq">I.</hi> Th.] A a</fw><fw place="bottom" type="catch">aus</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [369/0391]
Siebentes Buch, ſiebentes Capitel.
Welt, den unvergaͤnglichen Wohnplaz der tugendhaften
Seelen, folgen wird; dieſe Handlungen haben mir
euern Unwillen zugezogen. Die Athenienſer wollen auf
Unkoſten des menſchlichen Geſchlechts groß ſeyn; und
das werden ſie ſo lange ſeyn wollen, bis ſie in Ketten,
welche ſie ſich felbſt ſchmieden, und deren ſie wuͤrdig
ſind, ſobald ſie uͤber Sclaven gebieten wollen, allen
ihren Ehrgeiz auf den ruͤhmlichen Vorzug einſchraͤnken
werden, die beſten Sprachlehrer, und die gelenkigſten
Pantomimen in der Welt zu ſeyn. Aber Agathon
iſt nicht dazu gemacht, euern Lauf auf dieſem Wege,
den die Gefaͤlligkeit eurer Redner mit Blumen beſtreut,
beſchleunigen zu helfen. Mein Privatleben hat euch
bewieſen, daß die Grundſaͤze, nach welchen ich eure
oͤffentlichen Handlungen zu leiten gewuͤnſcht haͤtte, die
Maßregeln meines eigenen Verhaltens ſind. Mein
Vermoͤgen hat mehr zum Gebrauch eines jeden unter
euch, als zu meinem eigenen gedienet. Jch habe mir
Undankbare verbindlich gemacht, und dieſe Erfahrung
lehrt mich, Guͤter mit Gleichguͤltigkeit zuruͤkzulaſſen,
welche ich uͤbel anwendete, da ich ſie am beſten anzu-
wenden glaubte. Dieſes, ihr Athenienſer, iſt alles,
was ich zu meiner Vertheidigung zu ſagen habe. Jhr
ſeyd nun, weil euch die Menge eurer Arme zu mei-
nen Herren macht, Meiſter uͤber meine Umſtaͤnde, und
wenn ihr wollt, uͤber mein Leben. Verlangt ihr mei-
nen Tod, ſo meldet mir nur, was ich in euerm Na-
men, dem weiſen und guten Socrates ſagen ſoll, zu dem
ihr mich ſchiken werdet. Begnuͤgt ihr euch aber, mich
aus
[Agath. I. Th.] A a
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |