Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch, achtes Capitel.
diejenigen aus, welche ich durch Verheissung grosser
Belohnungen, anzureizen suchte, sich für ihre Entde-
kung Mühe zu geben. Jch gestehe dir so gar, daß
das Verlangen meine Psyche wieder zu finden, (an-
fänglich wenigstens) der hauptsächlichste Beweg-Grund
war, warum ich mich in der Republik hervorzuthun
suchte. Denn, nachdem mir alle andre Mittel fehl-
geschlagen hatten, schien mir kein andres übrig zu
bleiben, als meinen Namen so bekannt zu machen,
daß er ihr zu Ohren kommen müßte; sie möchte auch
seyn, wo sie wollte. Dieser Weg war in der That
etwas weitläufig; und ich hätte zwanzig Jahre in ei-
nem fort grössere Thaten thun können, als Hercules
und Theseus, ohne daß die Hyrcanier, die Massageten,
die Hibe[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]nier, oder die Lästrigonen, in deren Hände
sie inzwischen hätte gerathen können, mehr von mir ge-
wußt hätten, als die Einwohner des Mondes. Zu gu-
tem Glük fand der Schuz-Geist unsrer Liebe einen kür-
zern Weg, uns zusammenzubringen; aber in der That
nur, um uns Gelegenheit zu geben, auf ewig von
einander Abscheid zu nehmen. -- --

Hier fuhr Agathon fort, der schönen Danae die Be-
gebenheiten zu erzählen, die ihm auf seiner Wander-
schaft bis auf die Stunde, da er mit ihr bekannt wur-
de, zugestossen, und wovon wir dem geneigten Leser
bereits im ersten und zweyten Buche dieser Geschichte
Rechenschaft gegeben haben; und nachdem er sich auf
Unkosten des weisen Hippias ein wenig lustig gemacht,

entdekte
A a 5

Siebentes Buch, achtes Capitel.
diejenigen aus, welche ich durch Verheiſſung groſſer
Belohnungen, anzureizen ſuchte, ſich fuͤr ihre Entde-
kung Muͤhe zu geben. Jch geſtehe dir ſo gar, daß
das Verlangen meine Pſyche wieder zu finden, (an-
faͤnglich wenigſtens) der hauptſaͤchlichſte Beweg-Grund
war, warum ich mich in der Republik hervorzuthun
ſuchte. Denn, nachdem mir alle andre Mittel fehl-
geſchlagen hatten, ſchien mir kein andres uͤbrig zu
bleiben, als meinen Namen ſo bekannt zu machen,
daß er ihr zu Ohren kommen muͤßte; ſie moͤchte auch
ſeyn, wo ſie wollte. Dieſer Weg war in der That
etwas weitlaͤufig; und ich haͤtte zwanzig Jahre in ei-
nem fort groͤſſere Thaten thun koͤnnen, als Hercules
und Theſeus, ohne daß die Hyrcanier, die Maſſageten,
die Hibe[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]nier, oder die Laͤſtrigonen, in deren Haͤnde
ſie inzwiſchen haͤtte gerathen koͤnnen, mehr von mir ge-
wußt haͤtten, als die Einwohner des Mondes. Zu gu-
tem Gluͤk fand der Schuz-Geiſt unſrer Liebe einen kuͤr-
zern Weg, uns zuſammenzubringen; aber in der That
nur, um uns Gelegenheit zu geben, auf ewig von
einander Abſcheid zu nehmen. — —

Hier fuhr Agathon fort, der ſchoͤnen Danae die Be-
gebenheiten zu erzaͤhlen, die ihm auf ſeiner Wander-
ſchaft bis auf die Stunde, da er mit ihr bekannt wur-
de, zugeſtoſſen, und wovon wir dem geneigten Leſer
bereits im erſten und zweyten Buche dieſer Geſchichte
Rechenſchaft gegeben haben; und nachdem er ſich auf
Unkoſten des weiſen Hippias ein wenig luſtig gemacht,

entdekte
A a 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0399" n="377"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Siebentes Buch, achtes Capitel.</hi></fw><lb/>
diejenigen aus, welche ich durch Verhei&#x017F;&#x017F;ung gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Belohnungen, anzureizen &#x017F;uchte, &#x017F;ich fu&#x0364;r ihre Entde-<lb/>
kung Mu&#x0364;he zu geben. Jch ge&#x017F;tehe dir &#x017F;o gar, daß<lb/>
das Verlangen meine P&#x017F;yche wieder zu finden, (an-<lb/>
fa&#x0364;nglich wenig&#x017F;tens) der haupt&#x017F;a&#x0364;chlich&#x017F;te Beweg-Grund<lb/>
war, warum ich mich in der Republik hervorzuthun<lb/>
&#x017F;uchte. Denn, nachdem mir alle andre Mittel fehl-<lb/>
ge&#x017F;chlagen hatten, &#x017F;chien mir kein andres u&#x0364;brig zu<lb/>
bleiben, als meinen Namen &#x017F;o bekannt zu machen,<lb/>
daß er ihr zu Ohren kommen mu&#x0364;ßte; &#x017F;ie mo&#x0364;chte auch<lb/>
&#x017F;eyn, wo &#x017F;ie wollte. Die&#x017F;er Weg war in der That<lb/>
etwas weitla&#x0364;ufig; und ich ha&#x0364;tte zwanzig Jahre in ei-<lb/>
nem fort gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Thaten thun ko&#x0364;nnen, als Hercules<lb/>
und The&#x017F;eus, ohne daß die Hyrcanier, die Ma&#x017F;&#x017F;ageten,<lb/>
die Hibe<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/>nier, oder die La&#x0364;&#x017F;trigonen, in deren Ha&#x0364;nde<lb/>
&#x017F;ie inzwi&#x017F;chen ha&#x0364;tte gerathen ko&#x0364;nnen, mehr von mir ge-<lb/>
wußt ha&#x0364;tten, als die Einwohner des Mondes. Zu gu-<lb/>
tem Glu&#x0364;k fand der Schuz-Gei&#x017F;t un&#x017F;rer Liebe einen ku&#x0364;r-<lb/>
zern Weg, uns zu&#x017F;ammenzubringen; aber in der That<lb/>
nur, um uns Gelegenheit zu geben, auf ewig von<lb/>
einander Ab&#x017F;cheid zu nehmen. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
            <p>Hier fuhr Agathon fort, der &#x017F;cho&#x0364;nen Danae die Be-<lb/>
gebenheiten zu erza&#x0364;hlen, die ihm auf &#x017F;einer Wander-<lb/>
&#x017F;chaft bis auf die Stunde, da er mit ihr bekannt wur-<lb/>
de, zuge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, und wovon wir dem geneigten Le&#x017F;er<lb/>
bereits im er&#x017F;ten und zweyten Buche die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte<lb/>
Rechen&#x017F;chaft gegeben haben; und nachdem er &#x017F;ich auf<lb/>
Unko&#x017F;ten des wei&#x017F;en Hippias ein wenig lu&#x017F;tig gemacht,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 5</fw><fw place="bottom" type="catch">entdekte</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377/0399] Siebentes Buch, achtes Capitel. diejenigen aus, welche ich durch Verheiſſung groſſer Belohnungen, anzureizen ſuchte, ſich fuͤr ihre Entde- kung Muͤhe zu geben. Jch geſtehe dir ſo gar, daß das Verlangen meine Pſyche wieder zu finden, (an- faͤnglich wenigſtens) der hauptſaͤchlichſte Beweg-Grund war, warum ich mich in der Republik hervorzuthun ſuchte. Denn, nachdem mir alle andre Mittel fehl- geſchlagen hatten, ſchien mir kein andres uͤbrig zu bleiben, als meinen Namen ſo bekannt zu machen, daß er ihr zu Ohren kommen muͤßte; ſie moͤchte auch ſeyn, wo ſie wollte. Dieſer Weg war in der That etwas weitlaͤufig; und ich haͤtte zwanzig Jahre in ei- nem fort groͤſſere Thaten thun koͤnnen, als Hercules und Theſeus, ohne daß die Hyrcanier, die Maſſageten, die Hibe_nier, oder die Laͤſtrigonen, in deren Haͤnde ſie inzwiſchen haͤtte gerathen koͤnnen, mehr von mir ge- wußt haͤtten, als die Einwohner des Mondes. Zu gu- tem Gluͤk fand der Schuz-Geiſt unſrer Liebe einen kuͤr- zern Weg, uns zuſammenzubringen; aber in der That nur, um uns Gelegenheit zu geben, auf ewig von einander Abſcheid zu nehmen. — — Hier fuhr Agathon fort, der ſchoͤnen Danae die Be- gebenheiten zu erzaͤhlen, die ihm auf ſeiner Wander- ſchaft bis auf die Stunde, da er mit ihr bekannt wur- de, zugeſtoſſen, und wovon wir dem geneigten Leſer bereits im erſten und zweyten Buche dieſer Geſchichte Rechenſchaft gegeben haben; und nachdem er ſich auf Unkoſten des weiſen Hippias ein wenig luſtig gemacht, entdekte A a 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/399
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/399>, abgerufen am 22.11.2024.