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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Siebentes Buch, achtes Capitel.
ner ganzen Erzählung begreiflich gemacht zu haben
glaube, warum es, nachdem er schon so oft bald von
den Menschen, bald vom Glüke, bald von seinen eige-
nen Einbildungen betrogen worden, entsezlich für ihn
seyn würde, wenn er jemals sich in der Hoffnung be-
trogen fände, so vollkommen und beständig von ihr ge-
liebt zu werden, als es zu seiner Glükseligkeit nöthig
sey. Er gestuhnd ihr mit einer Offenherzigkeit, wel-
che vielleicht nur eine Danae ertragen konnte, daß eine
lebhafte Erinnerung an die Zeiten seiner ersten Liebe,
zugleich mit der Vorstellung aller der seltsamen Zufälle,
Veränderungen und Catastrophen, die er in einem Al-
ter von fünf und zwanzig Jahren bereits erfahren ha-
be, ihn auf eine Reihe melancholischer Gedanken ge-
bracht, worinn er Mühe gehabt habe, seine gegenwär-
tige Glükseligkeit für etwas würkliches, und nicht für
ein abermaliges Blendwerk seiner Phantasie, zu halten.
Eben das Uebermaaß derselben, sagte er, eben dieß ist
es, was mich besorgen machte, jemals aus einem so
schönen Traum aufzuwachen. -- Kanst du mich
verdenken, liebenswürdige Danae, o du, die durch
die Reizungen deines Geistes, auch ohne diese Liebe-
athmende Gestalt, ohne diese Schönheit, deren An-
schauen himmlische Wesen dir gegenüber anzufesseln ver-
mögend wäre, durch die blosse Schönheit deiner Seele,
und den magischen Reiz eines Geistes, der alle Vor-
züge, alle Gaben, alle Grazien in sich vereinigt, mei-
nen Geist aus dem Himmel selbst zu dir herunterziehen
würdest. -- Könntest du mich verdenken, daß ich,

vor

Siebentes Buch, achtes Capitel.
ner ganzen Erzaͤhlung begreiflich gemacht zu haben
glaube, warum es, nachdem er ſchon ſo oft bald von
den Menſchen, bald vom Gluͤke, bald von ſeinen eige-
nen Einbildungen betrogen worden, entſezlich fuͤr ihn
ſeyn wuͤrde, wenn er jemals ſich in der Hoffnung be-
trogen faͤnde, ſo vollkommen und beſtaͤndig von ihr ge-
liebt zu werden, als es zu ſeiner Gluͤkſeligkeit noͤthig
ſey. Er geſtuhnd ihr mit einer Offenherzigkeit, wel-
che vielleicht nur eine Danae ertragen konnte, daß eine
lebhafte Erinnerung an die Zeiten ſeiner erſten Liebe,
zugleich mit der Vorſtellung aller der ſeltſamen Zufaͤlle,
Veraͤnderungen und Cataſtrophen, die er in einem Al-
ter von fuͤnf und zwanzig Jahren bereits erfahren ha-
be, ihn auf eine Reihe melancholiſcher Gedanken ge-
bracht, worinn er Muͤhe gehabt habe, ſeine gegenwaͤr-
tige Gluͤkſeligkeit fuͤr etwas wuͤrkliches, und nicht fuͤr
ein abermaliges Blendwerk ſeiner Phantaſie, zu halten.
Eben das Uebermaaß derſelben, ſagte er, eben dieß iſt
es, was mich beſorgen machte, jemals aus einem ſo
ſchoͤnen Traum aufzuwachen. — Kanſt du mich
verdenken, liebenswuͤrdige Danae, o du, die durch
die Reizungen deines Geiſtes, auch ohne dieſe Liebe-
athmende Geſtalt, ohne dieſe Schoͤnheit, deren An-
ſchauen himmliſche Weſen dir gegenuͤber anzufeſſeln ver-
moͤgend waͤre, durch die bloſſe Schoͤnheit deiner Seele,
und den magiſchen Reiz eines Geiſtes, der alle Vor-
zuͤge, alle Gaben, alle Grazien in ſich vereinigt, mei-
nen Geiſt aus dem Himmel ſelbſt zu dir herunterziehen
wuͤrdeſt. — Koͤnnteſt du mich verdenken, daß ich,

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[379/0401] Siebentes Buch, achtes Capitel. ner ganzen Erzaͤhlung begreiflich gemacht zu haben glaube, warum es, nachdem er ſchon ſo oft bald von den Menſchen, bald vom Gluͤke, bald von ſeinen eige- nen Einbildungen betrogen worden, entſezlich fuͤr ihn ſeyn wuͤrde, wenn er jemals ſich in der Hoffnung be- trogen faͤnde, ſo vollkommen und beſtaͤndig von ihr ge- liebt zu werden, als es zu ſeiner Gluͤkſeligkeit noͤthig ſey. Er geſtuhnd ihr mit einer Offenherzigkeit, wel- che vielleicht nur eine Danae ertragen konnte, daß eine lebhafte Erinnerung an die Zeiten ſeiner erſten Liebe, zugleich mit der Vorſtellung aller der ſeltſamen Zufaͤlle, Veraͤnderungen und Cataſtrophen, die er in einem Al- ter von fuͤnf und zwanzig Jahren bereits erfahren ha- be, ihn auf eine Reihe melancholiſcher Gedanken ge- bracht, worinn er Muͤhe gehabt habe, ſeine gegenwaͤr- tige Gluͤkſeligkeit fuͤr etwas wuͤrkliches, und nicht fuͤr ein abermaliges Blendwerk ſeiner Phantaſie, zu halten. Eben das Uebermaaß derſelben, ſagte er, eben dieß iſt es, was mich beſorgen machte, jemals aus einem ſo ſchoͤnen Traum aufzuwachen. — Kanſt du mich verdenken, liebenswuͤrdige Danae, o du, die durch die Reizungen deines Geiſtes, auch ohne dieſe Liebe- athmende Geſtalt, ohne dieſe Schoͤnheit, deren An- ſchauen himmliſche Weſen dir gegenuͤber anzufeſſeln ver- moͤgend waͤre, durch die bloſſe Schoͤnheit deiner Seele, und den magiſchen Reiz eines Geiſtes, der alle Vor- zuͤge, alle Gaben, alle Grazien in ſich vereinigt, mei- nen Geiſt aus dem Himmel ſelbſt zu dir herunterziehen wuͤrdeſt. — Koͤnnteſt du mich verdenken, daß ich, vor

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/401>, abgerufen am 22.11.2024.