Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. muthen war, sich über sich selbst zu erzürnen. Leutevon seiner Art würden eher die halbe Welt untergehen sehen, eh sie sich nur gestehen würden, daß sie gefehlt hätten. Es war also natürlich, daß er darauf bedacht war, sich durch das Vergnügen der Rache für den Ab- gang desjenigen zu entschädigen, welches er sich von der vermeynten und verhofften Bekehrung unsers Helden ver- sprochen hatte. Agathon liebte die schöne Danae, weil sie, selbst Man kan sich leicht vorstellen, daß sie so unvorsich- Lauf
Agathon. muthen war, ſich uͤber ſich ſelbſt zu erzuͤrnen. Leutevon ſeiner Art wuͤrden eher die halbe Welt untergehen ſehen, eh ſie ſich nur geſtehen wuͤrden, daß ſie gefehlt haͤtten. Es war alſo natuͤrlich, daß er darauf bedacht war, ſich durch das Vergnuͤgen der Rache fuͤr den Ab- gang desjenigen zu entſchaͤdigen, welches er ſich von der vermeynten und verhofften Bekehrung unſers Helden ver- ſprochen hatte. Agathon liebte die ſchoͤne Danae, weil ſie, ſelbſt Man kan ſich leicht vorſtellen, daß ſie ſo unvorſich- Lauf
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0010" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon</hi>.</hi></fw><lb/> muthen war, ſich uͤber ſich ſelbſt zu erzuͤrnen. Leute<lb/> von ſeiner Art wuͤrden eher die halbe Welt untergehen<lb/> ſehen, eh ſie ſich nur geſtehen wuͤrden, daß ſie gefehlt<lb/> haͤtten. Es war alſo natuͤrlich, daß er darauf bedacht<lb/> war, ſich durch das Vergnuͤgen der Rache fuͤr den Ab-<lb/> gang desjenigen zu entſchaͤdigen, welches er ſich von der<lb/> vermeynten und verhofften Bekehrung unſers Helden ver-<lb/> ſprochen hatte.</p><lb/> <p>Agathon liebte die ſchoͤne Danae, weil ſie, ſelbſt<lb/> nachdem der aͤuſſerſte Grad der Bezauberung aufgehoͤrt<lb/> hatte, in ſeinen Augen noch immer das vollkommenſte<lb/> Geſchoͤpfe war, das er kannte. Was fuͤr ein Geiſt!<lb/> was fuͤr ein Herz! was fuͤr ſeltene Talente! welche An-<lb/> muth in ihrem Umgang! was fuͤr eine Manchfaltigkeit<lb/> von Vorzuͤgen und Reizungen! wie hochachtungswerth<lb/> mußte ſie das alles ihm machen! wie vortheilhaft war<lb/> ihr die Erinnerung an jeden Augenblik, von dem erſten<lb/> an, da er ſie geſehen, bis zu demjenigen, da ſie von<lb/> ſympathetiſcher Liebe uͤberwaͤltiget die ſeinige gluͤklich ge-<lb/> macht hatte! Kurz alles was er von ihr wußte, war<lb/> zu ihrem Vortheil, und von allem was ſeine Hochſchaͤ-<lb/> zuug haͤtte ſchwaͤchen koͤnnen, wußte er nichts.</p><lb/> <p>Man kan ſich leicht vorſtellen, daß ſie ſo unvorſich-<lb/> tig nicht geweſen ſeyn werde, ſich ſelbſt zu verrathen.<lb/> Es iſt wahr, ſie hatte ſich nicht entbrechen koͤnnen, die<lb/> vertraute Erzaͤhlung, welche er ihr von ſeinem Lebens-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Lauf</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0010]
Agathon.
muthen war, ſich uͤber ſich ſelbſt zu erzuͤrnen. Leute
von ſeiner Art wuͤrden eher die halbe Welt untergehen
ſehen, eh ſie ſich nur geſtehen wuͤrden, daß ſie gefehlt
haͤtten. Es war alſo natuͤrlich, daß er darauf bedacht
war, ſich durch das Vergnuͤgen der Rache fuͤr den Ab-
gang desjenigen zu entſchaͤdigen, welches er ſich von der
vermeynten und verhofften Bekehrung unſers Helden ver-
ſprochen hatte.
Agathon liebte die ſchoͤne Danae, weil ſie, ſelbſt
nachdem der aͤuſſerſte Grad der Bezauberung aufgehoͤrt
hatte, in ſeinen Augen noch immer das vollkommenſte
Geſchoͤpfe war, das er kannte. Was fuͤr ein Geiſt!
was fuͤr ein Herz! was fuͤr ſeltene Talente! welche An-
muth in ihrem Umgang! was fuͤr eine Manchfaltigkeit
von Vorzuͤgen und Reizungen! wie hochachtungswerth
mußte ſie das alles ihm machen! wie vortheilhaft war
ihr die Erinnerung an jeden Augenblik, von dem erſten
an, da er ſie geſehen, bis zu demjenigen, da ſie von
ſympathetiſcher Liebe uͤberwaͤltiget die ſeinige gluͤklich ge-
macht hatte! Kurz alles was er von ihr wußte, war
zu ihrem Vortheil, und von allem was ſeine Hochſchaͤ-
zuug haͤtte ſchwaͤchen koͤnnen, wußte er nichts.
Man kan ſich leicht vorſtellen, daß ſie ſo unvorſich-
tig nicht geweſen ſeyn werde, ſich ſelbſt zu verrathen.
Es iſt wahr, ſie hatte ſich nicht entbrechen koͤnnen, die
vertraute Erzaͤhlung, welche er ihr von ſeinem Lebens-
Lauf
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |