Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. sehr nachgelassen, daß er in eine Art von dummerSchwermuth verfiel, aus welcher ihn alle seine Höflinge nicht herauslachen, und alle seine Tänzerinnen nicht her- austanzen konnten. Jn diesem kläglichen Zustande, den ihm die natür- Dion wurde bey so starken Anscheinungen zu einer sind,
Agathon. ſehr nachgelaſſen, daß er in eine Art von dummerSchwermuth verfiel, aus welcher ihn alle ſeine Hoͤflinge nicht herauslachen, und alle ſeine Taͤnzerinnen nicht her- austanzen konnten. Jn dieſem klaͤglichen Zuſtande, den ihm die natuͤr- Dion wurde bey ſo ſtarken Anſcheinungen zu einer ſind,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0108" n="106"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/> ſehr nachgelaſſen, daß er in eine Art von dummer<lb/> Schwermuth verfiel, aus welcher ihn alle ſeine Hoͤflinge<lb/> nicht herauslachen, und alle ſeine Taͤnzerinnen nicht her-<lb/> austanzen konnten.</p><lb/> <p>Jn dieſem klaͤglichen Zuſtande, den ihm die natuͤr-<lb/> liche Ungeduld ſeines Temperaments unertraͤglich machte,<lb/> warf er ſich in die Arme des Dions, der ſich waͤhrend<lb/> der lezten drey Monate in ein entferntes Landgut zuruͤk-<lb/> gezogen hatte; hoͤrte ſeine Vorſtellungen mit einer Auf-<lb/> merkſamkeit an, deren er ſonſt niemals faͤhig geweſen<lb/> war; und ergrif mit Verlangen die Vorſchlaͤge, welche<lb/> ihm dieſer Weiſe that, um ſo groß und gluͤkſelig zu wer-<lb/> den, als er izt in ſeinen eignen Augen veraͤchtlich und<lb/> elend war. Man kan ſich alſo vorſtellen, daß er nicht<lb/> die mindeſte Schwierigkeiten machte, den Plato unter<lb/> allen Bedingungen, welche ihm ſein Freund Dion nur<lb/> immer anbieten wollte, an ſeinen Hof zu beruffen; er,<lb/> der in dem Zuſtande, worinn er war, ſich von dem<lb/> erſten beſten Prieſter der Cybele haͤtte uͤberreden laſſen,<lb/> mit Aufopferung der werthern Haͤlfte ſeiner ſelbſt in<lb/> den Orden der Corybanten zu treten.</p><lb/> <p>Dion wurde bey ſo ſtarken Anſcheinungen zu einer<lb/> vollkommenen Sinnes-Aenderung des Tyrannen von<lb/> ſeiner Philoſophie nicht wenig betrogen. Er ſchloß zwar<lb/> ſehr richtig, daß die Raſereyen des lezten Feſtes Gele-<lb/> genheit dazu gegeben haͤtten; aber darinn irrte er ſehr,<lb/> daß er aus Vorurtheilen, die einer Philoſophie eigen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſind,</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0108]
Agathon.
ſehr nachgelaſſen, daß er in eine Art von dummer
Schwermuth verfiel, aus welcher ihn alle ſeine Hoͤflinge
nicht herauslachen, und alle ſeine Taͤnzerinnen nicht her-
austanzen konnten.
Jn dieſem klaͤglichen Zuſtande, den ihm die natuͤr-
liche Ungeduld ſeines Temperaments unertraͤglich machte,
warf er ſich in die Arme des Dions, der ſich waͤhrend
der lezten drey Monate in ein entferntes Landgut zuruͤk-
gezogen hatte; hoͤrte ſeine Vorſtellungen mit einer Auf-
merkſamkeit an, deren er ſonſt niemals faͤhig geweſen
war; und ergrif mit Verlangen die Vorſchlaͤge, welche
ihm dieſer Weiſe that, um ſo groß und gluͤkſelig zu wer-
den, als er izt in ſeinen eignen Augen veraͤchtlich und
elend war. Man kan ſich alſo vorſtellen, daß er nicht
die mindeſte Schwierigkeiten machte, den Plato unter
allen Bedingungen, welche ihm ſein Freund Dion nur
immer anbieten wollte, an ſeinen Hof zu beruffen; er,
der in dem Zuſtande, worinn er war, ſich von dem
erſten beſten Prieſter der Cybele haͤtte uͤberreden laſſen,
mit Aufopferung der werthern Haͤlfte ſeiner ſelbſt in
den Orden der Corybanten zu treten.
Dion wurde bey ſo ſtarken Anſcheinungen zu einer
vollkommenen Sinnes-Aenderung des Tyrannen von
ſeiner Philoſophie nicht wenig betrogen. Er ſchloß zwar
ſehr richtig, daß die Raſereyen des lezten Feſtes Gele-
genheit dazu gegeben haͤtten; aber darinn irrte er ſehr,
daß er aus Vorurtheilen, die einer Philoſophie eigen
ſind,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |