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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
schaffen mache, verwikelt worden, als daß er Zeit ge-
nug gehabt haben sollte, sich seine Lehrmeister zu Nuzen
zu machen; indessen sey er, wenn es Dionys verlange,
aus Achtung gegen ihn bereit, eine Probe abzulegen,
wie wenig er das Lob verdiene, welches ihm aus einem
allzugünstigen Vorurtheil beygelegt worden sey.

Dionys rief also den Philistus auf, (man weiß nicht,
ob von ungefehr oder vermög einer vorhergenommenen
Abrede, wiewol das leztere nicht wahrscheinlich zu
seyn scheint,) eine Frage vorzuschlagen, für und wider
welche von beyden Seiten gesprochen werden sollte. Die-
ser Minister bedachte sich eine kleine Weile, und in
Hofnung den Agathon, der ihm furchtbar zu werden
anfieng, in Verlegenheit zu sezen, schlug er die Frage
vor -- welche Regierungs-Form einen Staat glüklicher
mache, die Republicanische oder die Monarchische? --
Man wird, dachte er, dem Agathon die Wahl lassen,
für welche er sich erklären will; spricht er für die Re-
publik, und spricht er gut, wie er um seines Ruhms
willen genöthiget ist, so wird er dem Prinzen mißfal-
len; wirft er sich zum Lobredner der Monarchie auf,
so wird er sich dem Volke verhaßt machen, und Dionys
wird den Muth nicht haben, die Staats-Verwaltung
einem Ausländer anzuvertrauen, der bey seinem ersten
Auftritt auf dem Schauplaz, einen so schlimmen Eindruk
auf die Gemüther der Syracusaner gemacht hat. Allein
dieses mal betrog den schlauen Mann seine Erwartung.
Agathon erklärte sich, ungeachtet er die Absicht des

Philistus

Agathon.
ſchaffen mache, verwikelt worden, als daß er Zeit ge-
nug gehabt haben ſollte, ſich ſeine Lehrmeiſter zu Nuzen
zu machen; indeſſen ſey er, wenn es Dionys verlange,
aus Achtung gegen ihn bereit, eine Probe abzulegen,
wie wenig er das Lob verdiene, welches ihm aus einem
allzuguͤnſtigen Vorurtheil beygelegt worden ſey.

Dionys rief alſo den Philiſtus auf, (man weiß nicht,
ob von ungefehr oder vermoͤg einer vorhergenommenen
Abrede, wiewol das leztere nicht wahrſcheinlich zu
ſeyn ſcheint,) eine Frage vorzuſchlagen, fuͤr und wider
welche von beyden Seiten geſprochen werden ſollte. Die-
ſer Miniſter bedachte ſich eine kleine Weile, und in
Hofnung den Agathon, der ihm furchtbar zu werden
anfieng, in Verlegenheit zu ſezen, ſchlug er die Frage
vor ‒‒ welche Regierungs-Form einen Staat gluͤklicher
mache, die Republicaniſche oder die Monarchiſche? ‒‒
Man wird, dachte er, dem Agathon die Wahl laſſen,
fuͤr welche er ſich erklaͤren will; ſpricht er fuͤr die Re-
publik, und ſpricht er gut, wie er um ſeines Ruhms
willen genoͤthiget iſt, ſo wird er dem Prinzen mißfal-
len; wirft er ſich zum Lobredner der Monarchie auf,
ſo wird er ſich dem Volke verhaßt machen, und Dionys
wird den Muth nicht haben, die Staats-Verwaltung
einem Auslaͤnder anzuvertrauen, der bey ſeinem erſten
Auftritt auf dem Schauplaz, einen ſo ſchlimmen Eindruk
auf die Gemuͤther der Syracuſaner gemacht hat. Allein
dieſes mal betrog den ſchlauen Mann ſeine Erwartung.
Agathon erklaͤrte ſich, ungeachtet er die Abſicht des

Philiſtus
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[176/0178] Agathon. ſchaffen mache, verwikelt worden, als daß er Zeit ge- nug gehabt haben ſollte, ſich ſeine Lehrmeiſter zu Nuzen zu machen; indeſſen ſey er, wenn es Dionys verlange, aus Achtung gegen ihn bereit, eine Probe abzulegen, wie wenig er das Lob verdiene, welches ihm aus einem allzuguͤnſtigen Vorurtheil beygelegt worden ſey. Dionys rief alſo den Philiſtus auf, (man weiß nicht, ob von ungefehr oder vermoͤg einer vorhergenommenen Abrede, wiewol das leztere nicht wahrſcheinlich zu ſeyn ſcheint,) eine Frage vorzuſchlagen, fuͤr und wider welche von beyden Seiten geſprochen werden ſollte. Die- ſer Miniſter bedachte ſich eine kleine Weile, und in Hofnung den Agathon, der ihm furchtbar zu werden anfieng, in Verlegenheit zu ſezen, ſchlug er die Frage vor ‒‒ welche Regierungs-Form einen Staat gluͤklicher mache, die Republicaniſche oder die Monarchiſche? ‒‒ Man wird, dachte er, dem Agathon die Wahl laſſen, fuͤr welche er ſich erklaͤren will; ſpricht er fuͤr die Re- publik, und ſpricht er gut, wie er um ſeines Ruhms willen genoͤthiget iſt, ſo wird er dem Prinzen mißfal- len; wirft er ſich zum Lobredner der Monarchie auf, ſo wird er ſich dem Volke verhaßt machen, und Dionys wird den Muth nicht haben, die Staats-Verwaltung einem Auslaͤnder anzuvertrauen, der bey ſeinem erſten Auftritt auf dem Schauplaz, einen ſo ſchlimmen Eindruk auf die Gemuͤther der Syracuſaner gemacht hat. Allein dieſes mal betrog den ſchlauen Mann ſeine Erwartung. Agathon erklaͤrte ſich, ungeachtet er die Abſicht des Philiſtus

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/178>, abgerufen am 21.11.2024.