Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. andre Liebe kennt, als diesen natürlichen Jnstinct, wel-chen Geschmak, Gelegenheit und Zufall für einen ge- wissen Gegenstand bestimmen, der, von den Grazien und nicht selten auch von den Musen verschönert, das Ver- gnügen zum Zwek hat, nicht besser noch erhabener seyn will als er ist, und wenn er auch in Ausschweiffungen ausbrechend, sich gegen den Zwang der Pflichten auf- bäumt, doch immer weniger Schaden thut, und leich- ter zu bändigen ist, als jene tragische Art zu lieben, welche ihnen vielmehr von der Fakel der Furien als des Liebesgottes entzündet, eher die Würkung der Rache einer erzürnten Gottheit als dieser süssen Bethörung gleich zu seyn schien, welche sie, wie den Schlaf und die Gaben des Bacchus, des Gebers der Freude, für ein Ge- schenke der wolthätigen Natur, ansahen, uns die Be- schwerden des Lebens zu versüssen, und zu den Arbei- ten desselben munter zu machen. Ohne Zweifel würden wir diesen Theil der Griechi- dig
Agathon. andre Liebe kennt, als dieſen natuͤrlichen Jnſtinct, wel-chen Geſchmak, Gelegenheit und Zufall fuͤr einen ge- wiſſen Gegenſtand beſtimmen, der, von den Grazien und nicht ſelten auch von den Muſen verſchoͤnert, das Ver- gnuͤgen zum Zwek hat, nicht beſſer noch erhabener ſeyn will als er iſt, und wenn er auch in Ausſchweiffungen ausbrechend, ſich gegen den Zwang der Pflichten auf- baͤumt, doch immer weniger Schaden thut, und leich- ter zu baͤndigen iſt, als jene tragiſche Art zu lieben, welche ihnen vielmehr von der Fakel der Furien als des Liebesgottes entzuͤndet, eher die Wuͤrkung der Rache einer erzuͤrnten Gottheit als dieſer ſuͤſſen Bethoͤrung gleich zu ſeyn ſchien, welche ſie, wie den Schlaf und die Gaben des Bacchus, des Gebers der Freude, fuͤr ein Ge- ſchenke der wolthaͤtigen Natur, anſahen, uns die Be- ſchwerden des Lebens zu verſuͤſſen, und zu den Arbei- ten deſſelben munter zu machen. Ohne Zweifel wuͤrden wir dieſen Theil der Griechi- dig
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Agathon.
andre Liebe kennt, als dieſen natuͤrlichen Jnſtinct, wel-
chen Geſchmak, Gelegenheit und Zufall fuͤr einen ge-
wiſſen Gegenſtand beſtimmen, der, von den Grazien und
nicht ſelten auch von den Muſen verſchoͤnert, das Ver-
gnuͤgen zum Zwek hat, nicht beſſer noch erhabener ſeyn
will als er iſt, und wenn er auch in Ausſchweiffungen
ausbrechend, ſich gegen den Zwang der Pflichten auf-
baͤumt, doch immer weniger Schaden thut, und leich-
ter zu baͤndigen iſt, als jene tragiſche Art zu lieben,
welche ihnen vielmehr von der Fakel der Furien als
des Liebesgottes entzuͤndet, eher die Wuͤrkung der Rache
einer erzuͤrnten Gottheit als dieſer ſuͤſſen Bethoͤrung gleich
zu ſeyn ſchien, welche ſie, wie den Schlaf und die Gaben
des Bacchus, des Gebers der Freude, fuͤr ein Ge-
ſchenke der wolthaͤtigen Natur, anſahen, uns die Be-
ſchwerden des Lebens zu verſuͤſſen, und zu den Arbei-
ten deſſelben munter zu machen.
Ohne Zweifel wuͤrden wir dieſen Theil der Griechi-
ſchen Sitten noch beſſer kennen, wenn nicht durch ein
Ungluͤk, welches die Muſen immer beweinen werden,
die Comoͤdien eines Alexis, Menander, Diphilus, Phi-
lemon, Apollodorus, und andrer beruͤhmter Dichter
aus dem ſchoͤnſten Zeit-Alter der attiſchen Muſen ein
Raub der moͤnchiſchen und Saraceniſchen Barbarey ge-
worden waͤren. Allein es bedarf dieſer Urkunden nicht,
um das was wir geſagt haben zu rechtfertigen. Sehen
wir nicht den ehrwuͤrdigen Solon noch in ſeinem hohen
Alter, in Verſen welche des Alters eines Voltaire wuͤr-
dig
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