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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
der reinen, tugendhaften, und mit keiner andern Lust
zu vergleichenden Freuden vor, die er durch die zärt-
liche Vereinigung ihrer Seelen in jenen elysischen Näch-
ten erfahren hatte. Er empfand izt alles wieder für
sie was er ehemals empfunden, und diese neuen Empfin-
dungen noch dazu, welche ihm Danae eingeflößt hatte;
aber so sanft, so geläutert durch die moralische Schön-
heit des veränderten Gegenstandes, daß es nicht mehr
eben dieselben schienen. Er stellte sich vor, wie glük-
lich ihn eine unzertrennliche Verbindung mit dieser
Psyche machen würde, welche ihm eine Liebe einge-
haucht, die seiner Tugend so wenig gefährlich gewesen
war, daß sie ihr vielmehr Schwingen angesezt hatte ---
er versezte sich in Gedanken mit Psyche in den Ruhe-
plaz der Diana zu Delphi --- und ließ den Gott der
Liebe, den Sohn der himmlischen Venus, das überirdi-
sche Gemählde ausmahlen. Eine süsse weissagende Hof-
nung breitete sich durch seine Seele aus; es war ihm,
als ob eine geheime Stimme ihm zulisple, daß er sie
in Sicilien finden werde. Psyche schikte sich vortref-
lich in den Plan, den er sich von seinem bevorstehenden
Leben gemacht hatte --- was für eine Perspective stellte
ihm die Verbindung seiner Privat-Glükseligkeit mit der
öffentlichen vor, welcher er alle seine Kräfte zu widmen
entschlossen war! Aber er wollte erst verdienen glüklich
zu seyn --- Und nun, sagen sie mir, meine schönen
Leserinnen, verdient nicht ein Mann, der so edel denkt
glüklich zu seyn? --- verdient er nicht die beste Frau? ---
Seyn Sie ruhig; er soll sie haben, sobald wir sie fin-
den werden.

Agathon.

Agathon.
der reinen, tugendhaften, und mit keiner andern Luſt
zu vergleichenden Freuden vor, die er durch die zaͤrt-
liche Vereinigung ihrer Seelen in jenen elyſiſchen Naͤch-
ten erfahren hatte. Er empfand izt alles wieder fuͤr
ſie was er ehemals empfunden, und dieſe neuen Empfin-
dungen noch dazu, welche ihm Danae eingefloͤßt hatte;
aber ſo ſanft, ſo gelaͤutert durch die moraliſche Schoͤn-
heit des veraͤnderten Gegenſtandes, daß es nicht mehr
eben dieſelben ſchienen. Er ſtellte ſich vor, wie gluͤk-
lich ihn eine unzertrennliche Verbindung mit dieſer
Pſyche machen wuͤrde, welche ihm eine Liebe einge-
haucht, die ſeiner Tugend ſo wenig gefaͤhrlich geweſen
war, daß ſie ihr vielmehr Schwingen angeſezt hatte ‒‒‒
er verſezte ſich in Gedanken mit Pſyche in den Ruhe-
plaz der Diana zu Delphi ‒‒‒ und ließ den Gott der
Liebe, den Sohn der himmliſchen Venus, das uͤberirdi-
ſche Gemaͤhlde ausmahlen. Eine ſuͤſſe weiſſagende Hof-
nung breitete ſich durch ſeine Seele aus; es war ihm,
als ob eine geheime Stimme ihm zuliſple, daß er ſie
in Sicilien finden werde. Pſyche ſchikte ſich vortref-
lich in den Plan, den er ſich von ſeinem bevorſtehenden
Leben gemacht hatte ‒‒‒ was fuͤr eine Perſpective ſtellte
ihm die Verbindung ſeiner Privat-Gluͤkſeligkeit mit der
oͤffentlichen vor, welcher er alle ſeine Kraͤfte zu widmen
entſchloſſen war! Aber er wollte erſt verdienen gluͤklich
zu ſeyn ‒‒‒ Und nun, ſagen ſie mir, meine ſchoͤnen
Leſerinnen, verdient nicht ein Mann, der ſo edel denkt
gluͤklich zu ſeyn? ‒‒‒ verdient er nicht die beſte Frau? ‒‒‒
Seyn Sie ruhig; er ſoll ſie haben, ſobald wir ſie fin-
den werden.

Agathon.
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[82/0084] Agathon. der reinen, tugendhaften, und mit keiner andern Luſt zu vergleichenden Freuden vor, die er durch die zaͤrt- liche Vereinigung ihrer Seelen in jenen elyſiſchen Naͤch- ten erfahren hatte. Er empfand izt alles wieder fuͤr ſie was er ehemals empfunden, und dieſe neuen Empfin- dungen noch dazu, welche ihm Danae eingefloͤßt hatte; aber ſo ſanft, ſo gelaͤutert durch die moraliſche Schoͤn- heit des veraͤnderten Gegenſtandes, daß es nicht mehr eben dieſelben ſchienen. Er ſtellte ſich vor, wie gluͤk- lich ihn eine unzertrennliche Verbindung mit dieſer Pſyche machen wuͤrde, welche ihm eine Liebe einge- haucht, die ſeiner Tugend ſo wenig gefaͤhrlich geweſen war, daß ſie ihr vielmehr Schwingen angeſezt hatte ‒‒‒ er verſezte ſich in Gedanken mit Pſyche in den Ruhe- plaz der Diana zu Delphi ‒‒‒ und ließ den Gott der Liebe, den Sohn der himmliſchen Venus, das uͤberirdi- ſche Gemaͤhlde ausmahlen. Eine ſuͤſſe weiſſagende Hof- nung breitete ſich durch ſeine Seele aus; es war ihm, als ob eine geheime Stimme ihm zuliſple, daß er ſie in Sicilien finden werde. Pſyche ſchikte ſich vortref- lich in den Plan, den er ſich von ſeinem bevorſtehenden Leben gemacht hatte ‒‒‒ was fuͤr eine Perſpective ſtellte ihm die Verbindung ſeiner Privat-Gluͤkſeligkeit mit der oͤffentlichen vor, welcher er alle ſeine Kraͤfte zu widmen entſchloſſen war! Aber er wollte erſt verdienen gluͤklich zu ſeyn ‒‒‒ Und nun, ſagen ſie mir, meine ſchoͤnen Leſerinnen, verdient nicht ein Mann, der ſo edel denkt gluͤklich zu ſeyn? ‒‒‒ verdient er nicht die beſte Frau? ‒‒‒ Seyn Sie ruhig; er ſoll ſie haben, ſobald wir ſie fin- den werden. Agathon.

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/84>, abgerufen am 22.11.2024.