Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.2. Was soll nun aus ihr werden, so alleinIn einem schiff, von zügellosen söhnen Des rauhen meers umringt, die ihren jammer höhnen, Mit frechen augen schon, berauscht in feurigem wein, Verschlingen ihren raub -- was wird ihr schiksal seyn? Zum glük erbarmet sich der schuzberaubten Schönen Ein unverhofter sturm, der in der zweyten nacht Die see zum tummelplaz empörter wogen macht. 3. Die Pinke treibt, indeß ein allgemeines zagenDas volk entnervt, auf ungewissem meer Herumgejagt, bald west bald südwärts hin und her; Bis, da der winde wut in sieben schreklichen tagen Erschöpft ist, an den strand von Tunis sich verschlagen Der Hauptmann sieht. Den zufall der ihn sehr Zur unzeit überrascht, in vortheil zu verwandeln, Beschließt er Fatmen hier als Sclavin zu verhandeln. 4. Denn Fatme, die kaum fünf und dreißigmalDen May sein blumenkleid entfalten Gesehn, war eine aus der zahl Der lange blühenden Gestalten Die nicht so leicht verwittern noch veralten; Und die mit Reizen von gewicht, Viel feu'r im blik, viel grübchen im gesicht, Euch für den rosenglanz der jugend schadlos halten. 5. Des
2. Was ſoll nun aus ihr werden, ſo alleinIn einem ſchiff, von zuͤgelloſen ſoͤhnen Des rauhen meers umringt, die ihren jammer hoͤhnen, Mit frechen augen ſchon, berauſcht in feurigem wein, Verſchlingen ihren raub — was wird ihr ſchikſal ſeyn? Zum gluͤk erbarmet ſich der ſchuzberaubten Schoͤnen Ein unverhofter ſturm, der in der zweyten nacht Die ſee zum tummelplaz empoͤrter wogen macht. 3. Die Pinke treibt, indeß ein allgemeines zagenDas volk entnervt, auf ungewiſſem meer Herumgejagt, bald weſt bald ſuͤdwaͤrts hin und her; Bis, da der winde wut in ſieben ſchreklichen tagen Erſchoͤpft iſt, an den ſtrand von Tunis ſich verſchlagen Der Hauptmann ſieht. Den zufall der ihn ſehr Zur unzeit uͤberraſcht, in vortheil zu verwandeln, Beſchließt er Fatmen hier als Sclavin zu verhandeln. 4. Denn Fatme, die kaum fuͤnf und dreißigmalDen May ſein blumenkleid entfalten Geſehn, war eine aus der zahl Der lange bluͤhenden Geſtalten Die nicht ſo leicht verwittern noch veralten; Und die mit Reizen von gewicht, Viel feu'r im blik, viel gruͤbchen im geſicht, Euch fuͤr den roſenglanz der jugend ſchadlos halten. 5. Des
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0225"/> <lg n="2"> <head> <hi rendition="#c">2.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">W</hi>as ſoll nun aus ihr werden, ſo allein</l><lb/> <l>In einem ſchiff, von zuͤgelloſen ſoͤhnen</l><lb/> <l>Des rauhen meers umringt, die ihren jammer hoͤhnen,</l><lb/> <l>Mit frechen augen ſchon, berauſcht in feurigem wein,</l><lb/> <l>Verſchlingen ihren raub — was wird ihr ſchikſal ſeyn?</l><lb/> <l>Zum gluͤk erbarmet ſich der ſchuzberaubten Schoͤnen</l><lb/> <l>Ein unverhofter ſturm, der in der zweyten nacht</l><lb/> <l>Die ſee zum tummelplaz empoͤrter wogen macht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <head> <hi rendition="#c">3.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>ie Pinke treibt, indeß ein allgemeines zagen</l><lb/> <l>Das volk entnervt, auf ungewiſſem meer</l><lb/> <l>Herumgejagt, bald weſt bald ſuͤdwaͤrts hin und her;</l><lb/> <l>Bis, da der winde wut in ſieben ſchreklichen tagen</l><lb/> <l>Erſchoͤpft iſt, an den ſtrand von Tunis ſich verſchlagen</l><lb/> <l>Der Hauptmann ſieht. Den zufall der ihn ſehr</l><lb/> <l>Zur unzeit uͤberraſcht, in vortheil zu verwandeln,</l><lb/> <l>Beſchließt er Fatmen hier als Sclavin zu verhandeln.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <head> <hi rendition="#c">4.</hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">D</hi>enn Fatme, die kaum fuͤnf und dreißigmal</l><lb/> <l>Den May ſein blumenkleid entfalten</l><lb/> <l>Geſehn, war eine aus der zahl</l><lb/> <l>Der lange bluͤhenden Geſtalten</l><lb/> <l>Die nicht ſo leicht verwittern noch veralten;</l><lb/> <l>Und die mit Reizen von gewicht,</l><lb/> <l>Viel feu'r im blik, viel gruͤbchen im geſicht,</l><lb/> <l>Euch fuͤr den roſenglanz der jugend ſchadlos halten.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch">5. Des</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0225]
2.
Was ſoll nun aus ihr werden, ſo allein
In einem ſchiff, von zuͤgelloſen ſoͤhnen
Des rauhen meers umringt, die ihren jammer hoͤhnen,
Mit frechen augen ſchon, berauſcht in feurigem wein,
Verſchlingen ihren raub — was wird ihr ſchikſal ſeyn?
Zum gluͤk erbarmet ſich der ſchuzberaubten Schoͤnen
Ein unverhofter ſturm, der in der zweyten nacht
Die ſee zum tummelplaz empoͤrter wogen macht.
3.
Die Pinke treibt, indeß ein allgemeines zagen
Das volk entnervt, auf ungewiſſem meer
Herumgejagt, bald weſt bald ſuͤdwaͤrts hin und her;
Bis, da der winde wut in ſieben ſchreklichen tagen
Erſchoͤpft iſt, an den ſtrand von Tunis ſich verſchlagen
Der Hauptmann ſieht. Den zufall der ihn ſehr
Zur unzeit uͤberraſcht, in vortheil zu verwandeln,
Beſchließt er Fatmen hier als Sclavin zu verhandeln.
4.
Denn Fatme, die kaum fuͤnf und dreißigmal
Den May ſein blumenkleid entfalten
Geſehn, war eine aus der zahl
Der lange bluͤhenden Geſtalten
Die nicht ſo leicht verwittern noch veralten;
Und die mit Reizen von gewicht,
Viel feu'r im blik, viel gruͤbchen im geſicht,
Euch fuͤr den roſenglanz der jugend ſchadlos halten.
5. Des
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |