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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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54.
Der stolze mann, wiewohl in seiner brust
Ein kläger pocht der seinen muth erschüttert,
War eines arms von eisen sich bewußt,
Der manchen wald von lanzen schon zersplittert.
Er hatte nie vor einem feind gezittert
Und kampf auf tod und leben war ihm lust.
Doch all sein trotz und seine riesenstärke
Betrogen ihn bey diesem blut'gen werke.
55.
Gekommen war nunmehr der richterliche tag,
Versammelt alles volk. Mit meinem silberblanken
Turnierschild vor der brust, und, wie ich sagen mag,
Mit augen voll liebe begrüßt, erschien ich den schranken.
Schon stand der kläger da. In einem erker lag
Der alte Karl, umringt von seinen fürsten,
Und schien, in offenem vertrag
Mit Amory, nach meinem blut zu dürsten.
56.
Die sonne wird getheilt. Die richter setzen sich.
Mein gegner scheint vor ungeduld zu brennen,
Bis die trompete ruft. Nun ruft sie, und wir rennen,
Und treffen so gewaltiglich
Zusammen, daß aufs knie die rosse stürzen, und ich
Und Hohenblat uns kaum im sattel halten können.
Eilfertig machen wir uns aus den bügeln los,
Und nun, in einem blitz, sind beyde schwerter bloß.
57. Daß
B 3
54.
Der ſtolze mann, wiewohl in ſeiner bruſt
Ein klaͤger pocht der ſeinen muth erſchuͤttert,
War eines arms von eiſen ſich bewußt,
Der manchen wald von lanzen ſchon zerſplittert.
Er hatte nie vor einem feind gezittert
Und kampf auf tod und leben war ihm luſt.
Doch all ſein trotz und ſeine rieſenſtaͤrke
Betrogen ihn bey dieſem blut'gen werke.
55.
Gekommen war nunmehr der richterliche tag,
Verſammelt alles volk. Mit meinem ſilberblanken
Turnierſchild vor der bruſt, und, wie ich ſagen mag,
Mit augen voll liebe begruͤßt, erſchien ich den ſchranken.
Schon ſtand der klaͤger da. In einem erker lag
Der alte Karl, umringt von ſeinen fuͤrſten,
Und ſchien, in offenem vertrag
Mit Amory, nach meinem blut zu duͤrſten.
56.
Die ſonne wird getheilt. Die richter ſetzen ſich.
Mein gegner ſcheint vor ungeduld zu brennen,
Bis die trompete ruft. Nun ruft ſie, und wir rennen,
Und treffen ſo gewaltiglich
Zuſammen, daß aufs knie die roſſe ſtuͤrzen, und ich
Und Hohenblat uns kaum im ſattel halten koͤnnen.
Eilfertig machen wir uns aus den buͤgeln los,
Und nun, in einem blitz, ſind beyde ſchwerter bloß.
57. Daß
B 3
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[0027] 54. Der ſtolze mann, wiewohl in ſeiner bruſt Ein klaͤger pocht der ſeinen muth erſchuͤttert, War eines arms von eiſen ſich bewußt, Der manchen wald von lanzen ſchon zerſplittert. Er hatte nie vor einem feind gezittert Und kampf auf tod und leben war ihm luſt. Doch all ſein trotz und ſeine rieſenſtaͤrke Betrogen ihn bey dieſem blut'gen werke. 55. Gekommen war nunmehr der richterliche tag, Verſammelt alles volk. Mit meinem ſilberblanken Turnierſchild vor der bruſt, und, wie ich ſagen mag, Mit augen voll liebe begruͤßt, erſchien ich den ſchranken. Schon ſtand der klaͤger da. In einem erker lag Der alte Karl, umringt von ſeinen fuͤrſten, Und ſchien, in offenem vertrag Mit Amory, nach meinem blut zu duͤrſten. 56. Die ſonne wird getheilt. Die richter ſetzen ſich. Mein gegner ſcheint vor ungeduld zu brennen, Bis die trompete ruft. Nun ruft ſie, und wir rennen, Und treffen ſo gewaltiglich Zuſammen, daß aufs knie die roſſe ſtuͤrzen, und ich Und Hohenblat uns kaum im ſattel halten koͤnnen. Eilfertig machen wir uns aus den buͤgeln los, Und nun, in einem blitz, ſind beyde ſchwerter bloß. 57. Daß B 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/27>, abgerufen am 22.12.2024.