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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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21.
Gesetzt, wie man exempel hat,
Ich hau ihm auch den schädel glatt vom leibe:
Noch weil er rollt, steht schon an dessen statt
Ein andrer da. Oft rennt, als wie zum zeitvertreibe,
Der rumpf sogar in vollem lauf
Dem kopfe nach, und setzt ihn wieder auf
Als wär es nur ein hut, dem ihm der wind genommen:
Nun, bitt ich euch, wie ist so einem beyzukommen?
22.
Zwar, wie ihr wißt, sobald der hahn gekräht,
So ists mit all dem volk das zwischen eilf und zwölfen
Im dunkeln schleicht, gespenstern, oder elfen,
Als hätte sie der wind davon geweht.
Allein, der spuk der hier sein wesen treibet,
Ist euch ein geist von ganz besondrem schlag;
Der hält hier ofnen hof, ißt, trinket, lebt und leibet
Wie unser eins, und geht bey hellem tag.
23.
Um meine neugier aufzuschrauben
Hast du dein bestes gethan, erwiedert Siegwins sohn;
Man spricht von geistern soviel, und lügt soviel davon,
Daß layen unsrer art nicht wissen was sie glauben.
Einst kam an unsern hof ein tiefstudierter mann
(Der pfarrer nannt ihn einen M -- anichäer)
Der schwur, es wäre gar nichts dran,
Und schimpfte weidlich los auf alle geisterseher.
24. Sie
C 2
21.
Geſetzt, wie man exempel hat,
Ich hau ihm auch den ſchaͤdel glatt vom leibe:
Noch weil er rollt, ſteht ſchon an deſſen ſtatt
Ein andrer da. Oft rennt, als wie zum zeitvertreibe,
Der rumpf ſogar in vollem lauf
Dem kopfe nach, und ſetzt ihn wieder auf
Als waͤr es nur ein hut, dem ihm der wind genommen:
Nun, bitt ich euch, wie iſt ſo einem beyzukommen?
22.
Zwar, wie ihr wißt, ſobald der hahn gekraͤht,
So iſts mit all dem volk das zwiſchen eilf und zwoͤlfen
Im dunkeln ſchleicht, geſpenſtern, oder elfen,
Als haͤtte ſie der wind davon geweht.
Allein, der ſpuk der hier ſein weſen treibet,
Iſt euch ein geiſt von ganz beſondrem ſchlag;
Der haͤlt hier ofnen hof, ißt, trinket, lebt und leibet
Wie unſer eins, und geht bey hellem tag.
23.
Um meine neugier aufzuſchrauben
Haſt du dein beſtes gethan, erwiedert Siegwins ſohn;
Man ſpricht von geiſtern ſoviel, und luͤgt ſoviel davon,
Daß layen unſrer art nicht wiſſen was ſie glauben.
Einſt kam an unſern hof ein tiefſtudierter mann
(Der pfarrer nannt ihn einen M — anichaͤer)
Der ſchwur, es waͤre gar nichts dran,
Und ſchimpfte weidlich los auf alle geiſterſeher.
24. Sie
C 2
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[0041] 21. Geſetzt, wie man exempel hat, Ich hau ihm auch den ſchaͤdel glatt vom leibe: Noch weil er rollt, ſteht ſchon an deſſen ſtatt Ein andrer da. Oft rennt, als wie zum zeitvertreibe, Der rumpf ſogar in vollem lauf Dem kopfe nach, und ſetzt ihn wieder auf Als waͤr es nur ein hut, dem ihm der wind genommen: Nun, bitt ich euch, wie iſt ſo einem beyzukommen? 22. Zwar, wie ihr wißt, ſobald der hahn gekraͤht, So iſts mit all dem volk das zwiſchen eilf und zwoͤlfen Im dunkeln ſchleicht, geſpenſtern, oder elfen, Als haͤtte ſie der wind davon geweht. Allein, der ſpuk der hier ſein weſen treibet, Iſt euch ein geiſt von ganz beſondrem ſchlag; Der haͤlt hier ofnen hof, ißt, trinket, lebt und leibet Wie unſer eins, und geht bey hellem tag. 23. Um meine neugier aufzuſchrauben Haſt du dein beſtes gethan, erwiedert Siegwins ſohn; Man ſpricht von geiſtern ſoviel, und luͤgt ſoviel davon, Daß layen unſrer art nicht wiſſen was ſie glauben. Einſt kam an unſern hof ein tiefſtudierter mann (Der pfarrer nannt ihn einen M — anichaͤer) Der ſchwur, es waͤre gar nichts dran, Und ſchimpfte weidlich los auf alle geiſterſeher. 24. Sie C 2

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/41>, abgerufen am 29.04.2024.