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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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27.
Und in der fern erblicken sie in büschen
Ein schönes schloß, das, wie aus abendroth gewebt,
Sich schimmernd in die luft erhebt.
Mit augen, worinn sich lust und grauen mischen
Und zwischen traum und wachen zweifelhaft
Schwebt Hüon sprachlos da und gafft:
Als plötzlich auf die goldnen thüren flogen
Und rollt ein wagen daher, den leoparden zogen.
28.
Ein knäblein, schön als wie auf seiner mutter schooß
Der Liebesgott, saß in dem silberwagen,
Die zügel in der hand. Da kömmt er auf uns los,
Mein bester herr, ruft Scherasmin mit zagen,
Indem er Hüons pferd beym zaume nach sich zieht;
Wir sind verlohren! flieht, o flieht!
Da kommt der zwerg! -- Er ist so schön, spricht jener --
Nur desto schlimmer! fort! und wär' er zehnmal schöner!
29.
Flieht, sag' ich euch, sonst ists um uns gethan!
Der Ritter sträubt sich zwar, allein da hilft kein sträuben;
Der alte jagt im schnellsten flug voran
Und zieht ihn nach, und hört nicht auf zu treiben,
Zu jagen über stock und stein,
Durch wald und busch, und über zaun und graben
Zu setzen, bis sie aus dem hayn
Ins freye sich gerettet haben.
30. In-
C 3
27.
Und in der fern erblicken ſie in buͤſchen
Ein ſchoͤnes ſchloß, das, wie aus abendroth gewebt,
Sich ſchimmernd in die luft erhebt.
Mit augen, worinn ſich luſt und grauen miſchen
Und zwiſchen traum und wachen zweifelhaft
Schwebt Huͤon ſprachlos da und gafft:
Als ploͤtzlich auf die goldnen thuͤren flogen
Und rollt ein wagen daher, den leoparden zogen.
28.
Ein knaͤblein, ſchoͤn als wie auf ſeiner mutter ſchooß
Der Liebesgott, ſaß in dem ſilberwagen,
Die zuͤgel in der hand. Da koͤmmt er auf uns los,
Mein beſter herr, ruft Scherasmin mit zagen,
Indem er Huͤons pferd beym zaume nach ſich zieht;
Wir ſind verlohren! flieht, o flieht!
Da kommt der zwerg! — Er iſt ſo ſchoͤn, ſpricht jener —
Nur deſto ſchlimmer! fort! und waͤr' er zehnmal ſchoͤner!
29.
Flieht, ſag' ich euch, ſonſt iſts um uns gethan!
Der Ritter ſtraͤubt ſich zwar, allein da hilft kein ſtraͤuben;
Der alte jagt im ſchnellſten flug voran
Und zieht ihn nach, und hoͤrt nicht auf zu treiben,
Zu jagen uͤber ſtock und ſtein,
Durch wald und buſch, und uͤber zaun und graben
Zu ſetzen, bis ſie aus dem hayn
Ins freye ſich gerettet haben.
30. In-
C 3
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[0043] 27. Und in der fern erblicken ſie in buͤſchen Ein ſchoͤnes ſchloß, das, wie aus abendroth gewebt, Sich ſchimmernd in die luft erhebt. Mit augen, worinn ſich luſt und grauen miſchen Und zwiſchen traum und wachen zweifelhaft Schwebt Huͤon ſprachlos da und gafft: Als ploͤtzlich auf die goldnen thuͤren flogen Und rollt ein wagen daher, den leoparden zogen. 28. Ein knaͤblein, ſchoͤn als wie auf ſeiner mutter ſchooß Der Liebesgott, ſaß in dem ſilberwagen, Die zuͤgel in der hand. Da koͤmmt er auf uns los, Mein beſter herr, ruft Scherasmin mit zagen, Indem er Huͤons pferd beym zaume nach ſich zieht; Wir ſind verlohren! flieht, o flieht! Da kommt der zwerg! — Er iſt ſo ſchoͤn, ſpricht jener — Nur deſto ſchlimmer! fort! und waͤr' er zehnmal ſchoͤner! 29. Flieht, ſag' ich euch, ſonſt iſts um uns gethan! Der Ritter ſtraͤubt ſich zwar, allein da hilft kein ſtraͤuben; Der alte jagt im ſchnellſten flug voran Und zieht ihn nach, und hoͤrt nicht auf zu treiben, Zu jagen uͤber ſtock und ſtein, Durch wald und buſch, und uͤber zaun und graben Zu ſetzen, bis ſie aus dem hayn Ins freye ſich gerettet haben. 30. In- C 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/43>, abgerufen am 29.04.2024.