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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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60.
Betäubt, in fühlbarm tod, lag er am ufer da
In seinem traum: als ihn bedünkt, er spüre
Daß eine warme hand sein starres herz berühre.
Und, wie vom tod erwekt, erhob er sich und sah
Die Schöne abermal zu seiner seite stehen,
Die keiner Sterblichen in seinen augen gleicht,
Und dreymal schöner wie ihm däucht,
Und holder als er sie zum erstenmal gesehen.
61.
Stillschweigend schauten sie einander beyde an,
Mit blicken, die sich das unendlich stärker sagten,
Was ihre lippen noch nicht auszusprechen wagten.
Ihm war in ihrem aug' ein Himmel aufgethan,
Wo sich in eine see von liebe
Die seele taucht. Bald wird das übermaas der lust
Zum schmerz; er sinkt im drang der unaufhaltbarn triebe
In ihren arm, und drükt sein herz an ihre brust.
62.
Er fühlt der Nymfe herz an seinem busen schlagen,
Der glückliche! Wie schnell, wie stark, wie warm!
Und -- plötzlich hört es auf zu tagen,
Auf schwarzen wolken rollt des Donners feuerwagen,
Lautheulend bebt der stürme wilder schwarm;
Von unsichtbarer macht wird schnell aus seinem arm
Im wirbelwind die Nymfe fortgerissen
Und in die flut des nahen stroms geschmissen.
63. Er
E 2
60.
Betaͤubt, in fuͤhlbarm tod, lag er am ufer da
In ſeinem traum: als ihn beduͤnkt, er ſpuͤre
Daß eine warme hand ſein ſtarres herz beruͤhre.
Und, wie vom tod erwekt, erhob er ſich und ſah
Die Schoͤne abermal zu ſeiner ſeite ſtehen,
Die keiner Sterblichen in ſeinen augen gleicht,
Und dreymal ſchoͤner wie ihm daͤucht,
Und holder als er ſie zum erſtenmal geſehen.
61.
Stillſchweigend ſchauten ſie einander beyde an,
Mit blicken, die ſich das unendlich ſtaͤrker ſagten,
Was ihre lippen noch nicht auszuſprechen wagten.
Ihm war in ihrem aug' ein Himmel aufgethan,
Wo ſich in eine ſee von liebe
Die ſeele taucht. Bald wird das uͤbermaas der luſt
Zum ſchmerz; er ſinkt im drang der unaufhaltbarn triebe
In ihren arm, und druͤkt ſein herz an ihre bruſt.
62.
Er fuͤhlt der Nymfe herz an ſeinem buſen ſchlagen,
Der gluͤckliche! Wie ſchnell, wie ſtark, wie warm!
Und — ploͤtzlich hoͤrt es auf zu tagen,
Auf ſchwarzen wolken rollt des Donners feuerwagen,
Lautheulend bebt der ſtuͤrme wilder ſchwarm;
Von unſichtbarer macht wird ſchnell aus ſeinem arm
Im wirbelwind die Nymfe fortgeriſſen
Und in die flut des nahen ſtroms geſchmiſſen.
63. Er
E 2
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[0073] 60. Betaͤubt, in fuͤhlbarm tod, lag er am ufer da In ſeinem traum: als ihn beduͤnkt, er ſpuͤre Daß eine warme hand ſein ſtarres herz beruͤhre. Und, wie vom tod erwekt, erhob er ſich und ſah Die Schoͤne abermal zu ſeiner ſeite ſtehen, Die keiner Sterblichen in ſeinen augen gleicht, Und dreymal ſchoͤner wie ihm daͤucht, Und holder als er ſie zum erſtenmal geſehen. 61. Stillſchweigend ſchauten ſie einander beyde an, Mit blicken, die ſich das unendlich ſtaͤrker ſagten, Was ihre lippen noch nicht auszuſprechen wagten. Ihm war in ihrem aug' ein Himmel aufgethan, Wo ſich in eine ſee von liebe Die ſeele taucht. Bald wird das uͤbermaas der luſt Zum ſchmerz; er ſinkt im drang der unaufhaltbarn triebe In ihren arm, und druͤkt ſein herz an ihre bruſt. 62. Er fuͤhlt der Nymfe herz an ſeinem buſen ſchlagen, Der gluͤckliche! Wie ſchnell, wie ſtark, wie warm! Und — ploͤtzlich hoͤrt es auf zu tagen, Auf ſchwarzen wolken rollt des Donners feuerwagen, Lautheulend bebt der ſtuͤrme wilder ſchwarm; Von unſichtbarer macht wird ſchnell aus ſeinem arm Im wirbelwind die Nymfe fortgeriſſen Und in die flut des nahen ſtroms geſchmiſſen. 63. Er E 2

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/73>, abgerufen am 22.12.2024.