den Palast zu Warschau stürmten und nach der Flucht und dem Tode von wenig feilen Kreaturen einer Morgenröthe zujauchzten, welche die gespreng¬ ten Ketten einer großen und edelmüthigen Nation beleuchtete, dieses Ereigniß und alle die glänzen¬ den Thaten und Opfer, die es nach sich zog -- fand es so allgemeinen Anklang, riß es so allge¬ mein und wahrhaft die Gemüther hin, oder hörte man nicht, wo Zwölf zusammenstanden, den Ei¬ nen verabscheuen, den Andern bewundern und Ze¬ hen mit den Händen klatschen, als wohnten sie nur im Theater der Welt der Aufführung eines schönen Stückes bei.
Ich führe eben dieses tragische, uns so nahe liegende Beispiel an, um zu zeigen, was es für eine Bewandtniß habe mit unsern ästhetischen Ge¬ fühlen, wenn auch die glühendste Thatenschönheit sich vor unsern Blicken aufthut. Hier sehen Sie eine That, von deren Schönheit man durchdrun¬ gen sein muß, wenn man einen Tropfen Römer¬ blut, einen Hauch aus Timoleons Seele in sich spürt, wenn nicht Alles Lüge und Schulgeschwätz ist, was wir der alten Geschichte nachrühmen, der kontrastirendsten Beurtheilung anheim fallen, nach den Extremen der Bewunderung und des Ab¬ scheus hingetrieben und bei der Menge entweder dumpfes Staunen, stupides Ergötzen, oder eine
den Palaſt zu Warſchau ſtuͤrmten und nach der Flucht und dem Tode von wenig feilen Kreaturen einer Morgenroͤthe zujauchzten, welche die geſpreng¬ ten Ketten einer großen und edelmuͤthigen Nation beleuchtete, dieſes Ereigniß und alle die glaͤnzen¬ den Thaten und Opfer, die es nach ſich zog — fand es ſo allgemeinen Anklang, riß es ſo allge¬ mein und wahrhaft die Gemuͤther hin, oder hoͤrte man nicht, wo Zwoͤlf zuſammenſtanden, den Ei¬ nen verabſcheuen, den Andern bewundern und Ze¬ hen mit den Haͤnden klatſchen, als wohnten ſie nur im Theater der Welt der Auffuͤhrung eines ſchoͤnen Stuͤckes bei.
Ich fuͤhre eben dieſes tragiſche, uns ſo nahe liegende Beiſpiel an, um zu zeigen, was es fuͤr eine Bewandtniß habe mit unſern aͤſthetiſchen Ge¬ fuͤhlen, wenn auch die gluͤhendſte Thatenſchoͤnheit ſich vor unſern Blicken aufthut. Hier ſehen Sie eine That, von deren Schoͤnheit man durchdrun¬ gen ſein muß, wenn man einen Tropfen Roͤmer¬ blut, einen Hauch aus Timoleons Seele in ſich ſpuͤrt, wenn nicht Alles Luͤge und Schulgeſchwaͤtz iſt, was wir der alten Geſchichte nachruͤhmen, der kontraſtirendſten Beurtheilung anheim fallen, nach den Extremen der Bewunderung und des Ab¬ ſcheus hingetrieben und bei der Menge entweder dumpfes Staunen, ſtupides Ergoͤtzen, oder eine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0156"n="142"/>
den Palaſt zu Warſchau ſtuͤrmten und nach der<lb/>
Flucht und dem Tode von wenig feilen Kreaturen<lb/>
einer Morgenroͤthe zujauchzten, welche die geſpreng¬<lb/>
ten Ketten einer großen und edelmuͤthigen Nation<lb/>
beleuchtete, dieſes Ereigniß und alle die glaͤnzen¬<lb/>
den Thaten und Opfer, die es nach ſich zog —<lb/>
fand es ſo allgemeinen Anklang, riß es ſo allge¬<lb/>
mein und wahrhaft die Gemuͤther hin, oder hoͤrte<lb/>
man nicht, wo Zwoͤlf zuſammenſtanden, den Ei¬<lb/>
nen verabſcheuen, den Andern bewundern und Ze¬<lb/>
hen mit den Haͤnden klatſchen, als wohnten ſie<lb/>
nur im Theater der Welt der Auffuͤhrung eines<lb/>ſchoͤnen Stuͤckes bei.</p><lb/><p>Ich fuͤhre eben dieſes tragiſche, uns ſo nahe<lb/>
liegende Beiſpiel an, um zu zeigen, was es fuͤr<lb/>
eine Bewandtniß habe mit unſern aͤſthetiſchen Ge¬<lb/>
fuͤhlen, wenn auch die gluͤhendſte Thatenſchoͤnheit<lb/>ſich vor unſern Blicken aufthut. Hier ſehen Sie<lb/>
eine That, von deren Schoͤnheit man durchdrun¬<lb/>
gen ſein muß, wenn man einen Tropfen Roͤmer¬<lb/>
blut, einen Hauch aus Timoleons Seele in ſich<lb/>ſpuͤrt, wenn nicht Alles Luͤge und Schulgeſchwaͤtz<lb/>
iſt, was wir der alten Geſchichte nachruͤhmen,<lb/>
der kontraſtirendſten Beurtheilung anheim fallen,<lb/>
nach den Extremen der Bewunderung und des Ab¬<lb/>ſcheus hingetrieben und bei der Menge entweder<lb/>
dumpfes Staunen, ſtupides Ergoͤtzen, oder eine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[142/0156]
den Palaſt zu Warſchau ſtuͤrmten und nach der
Flucht und dem Tode von wenig feilen Kreaturen
einer Morgenroͤthe zujauchzten, welche die geſpreng¬
ten Ketten einer großen und edelmuͤthigen Nation
beleuchtete, dieſes Ereigniß und alle die glaͤnzen¬
den Thaten und Opfer, die es nach ſich zog —
fand es ſo allgemeinen Anklang, riß es ſo allge¬
mein und wahrhaft die Gemuͤther hin, oder hoͤrte
man nicht, wo Zwoͤlf zuſammenſtanden, den Ei¬
nen verabſcheuen, den Andern bewundern und Ze¬
hen mit den Haͤnden klatſchen, als wohnten ſie
nur im Theater der Welt der Auffuͤhrung eines
ſchoͤnen Stuͤckes bei.
Ich fuͤhre eben dieſes tragiſche, uns ſo nahe
liegende Beiſpiel an, um zu zeigen, was es fuͤr
eine Bewandtniß habe mit unſern aͤſthetiſchen Ge¬
fuͤhlen, wenn auch die gluͤhendſte Thatenſchoͤnheit
ſich vor unſern Blicken aufthut. Hier ſehen Sie
eine That, von deren Schoͤnheit man durchdrun¬
gen ſein muß, wenn man einen Tropfen Roͤmer¬
blut, einen Hauch aus Timoleons Seele in ſich
ſpuͤrt, wenn nicht Alles Luͤge und Schulgeſchwaͤtz
iſt, was wir der alten Geſchichte nachruͤhmen,
der kontraſtirendſten Beurtheilung anheim fallen,
nach den Extremen der Bewunderung und des Ab¬
ſcheus hingetrieben und bei der Menge entweder
dumpfes Staunen, ſtupides Ergoͤtzen, oder eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/156>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.