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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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bloße Leiden, den reinen Schmerz im Stein nicht
zu verewigen, ist dem Maler keine so ängstliche
Grenze gesetzt und der höchste Schmerz wie die
höchste Lust, Leidenschaft, Leiden, Duldung, That
gelingen seinem Pinsel auf's Vollkommenste, falls
er anders nicht vergißt, daß auch ihm ein gewisses
Maaß der Leidens- und Thatäußerungen von Nö¬
then bleibt.

Aus diesem leicht bewährten Gegensatz der
Malerei und der Plastik ergibt sich das Vorherr¬
schen der letzteren im Alterthum, das Vorherrschen
der ersteren in der neuern Geschichte. Beide aber,
Plastik und Malerei, werden für ewig in ihren
bestimmten Kreisen getrennt operiren; die Plastik
darf nicht ins Malerische, die Malerei nicht ins
Plastische ausarten. Nicht ohne Zeitbedeutung
scheint es zu sein, daß die Plastik der neuesten
Zeit an Canova, besonders an Thorwaldsen so
große Meister gefunden; es ist ein Sieg der That
über die bloße Empfindung, des Griechenthums
über das Mittelalter.

Noch geistiger als die Malerei zeigte sich die
Poesie und grade um so viel geistiger, als ihr
Material, die Buchstaben, geistiger sind, als ge¬
riebene Farbenerde. Lessing drückte das Verhält¬
niß der Poesie zur Malerei mit den Worten aus:

bloße Leiden, den reinen Schmerz im Stein nicht
zu verewigen, iſt dem Maler keine ſo aͤngſtliche
Grenze geſetzt und der hoͤchſte Schmerz wie die
hoͤchſte Luſt, Leidenſchaft, Leiden, Duldung, That
gelingen ſeinem Pinſel auf's Vollkommenſte, falls
er anders nicht vergißt, daß auch ihm ein gewiſſes
Maaß der Leidens- und Thataͤußerungen von Noͤ¬
then bleibt.

Aus dieſem leicht bewaͤhrten Gegenſatz der
Malerei und der Plaſtik ergibt ſich das Vorherr¬
ſchen der letzteren im Alterthum, das Vorherrſchen
der erſteren in der neuern Geſchichte. Beide aber,
Plaſtik und Malerei, werden fuͤr ewig in ihren
beſtimmten Kreiſen getrennt operiren; die Plaſtik
darf nicht ins Maleriſche, die Malerei nicht ins
Plaſtiſche ausarten. Nicht ohne Zeitbedeutung
ſcheint es zu ſein, daß die Plaſtik der neueſten
Zeit an Canova, beſonders an Thorwaldſen ſo
große Meiſter gefunden; es iſt ein Sieg der That
uͤber die bloße Empfindung, des Griechenthums
uͤber das Mittelalter.

Noch geiſtiger als die Malerei zeigte ſich die
Poeſie und grade um ſo viel geiſtiger, als ihr
Material, die Buchſtaben, geiſtiger ſind, als ge¬
riebene Farbenerde. Leſſing druͤckte das Verhaͤlt¬
niß der Poeſie zur Malerei mit den Worten aus:

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[208/0222] bloße Leiden, den reinen Schmerz im Stein nicht zu verewigen, iſt dem Maler keine ſo aͤngſtliche Grenze geſetzt und der hoͤchſte Schmerz wie die hoͤchſte Luſt, Leidenſchaft, Leiden, Duldung, That gelingen ſeinem Pinſel auf's Vollkommenſte, falls er anders nicht vergißt, daß auch ihm ein gewiſſes Maaß der Leidens- und Thataͤußerungen von Noͤ¬ then bleibt. Aus dieſem leicht bewaͤhrten Gegenſatz der Malerei und der Plaſtik ergibt ſich das Vorherr¬ ſchen der letzteren im Alterthum, das Vorherrſchen der erſteren in der neuern Geſchichte. Beide aber, Plaſtik und Malerei, werden fuͤr ewig in ihren beſtimmten Kreiſen getrennt operiren; die Plaſtik darf nicht ins Maleriſche, die Malerei nicht ins Plaſtiſche ausarten. Nicht ohne Zeitbedeutung ſcheint es zu ſein, daß die Plaſtik der neueſten Zeit an Canova, beſonders an Thorwaldſen ſo große Meiſter gefunden; es iſt ein Sieg der That uͤber die bloße Empfindung, des Griechenthums uͤber das Mittelalter. Noch geiſtiger als die Malerei zeigte ſich die Poeſie und grade um ſo viel geiſtiger, als ihr Material, die Buchſtaben, geiſtiger ſind, als ge¬ riebene Farbenerde. Leſſing druͤckte das Verhaͤlt¬ niß der Poeſie zur Malerei mit den Worten aus:

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/222>, abgerufen am 21.11.2024.