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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834.

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Die Alten sahen nur auf Melodien, ihre
Chöre wurden nur nach einander abgesungen und
deklamirt. Künstliche Harmonien, Durcheinander¬
lassen der Töne auf verschiedenen Instrumenten,
Tonversetzungen, Fugen, Auflösungen künstlicher
Dissonanzen, kurz Werke eines Haydn oder Mo¬
zart, ganze große, durchdachte, auf die Regeln der
Harmonie gegründete, mit Kraft, Geschicklichkeit,
großartiger Phantasie ausgeführte musikalische Kunst¬
werke waren den Alten unerreichbar.

Räumen wir diese Selbstständigkeit der Mu¬
sik in neuerer Zeit ein, so kehrt mit verdoppeltem
Nachdruck die Frage zurück, welche Stelle nimmt
die Musik unter den Künsten ein, welche Gren¬
zen sind ihr gesetzt, was ist ihr Reich, ihr
Gebiet?

Kant in seiner Kritik der Urtheilskraft sagt
von der Tonkunst, daß sie unter den Künsten den
größten Genuß, aber für sich die wenigste Kultur
gewähre, indem sie mit bloßen Empfindungen
spiele, welche auf unbestimmte Ideen von Affek¬
ten führten.

Die Musik stand also dem Königsberger nicht
sehr hoch; auch Hegel machte sich nicht viel aus
der Musik, weil sie ihm, wie er sagte, zu wenig
zu denken gebe. Wie anders mußte Luthers

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Die Alten ſahen nur auf Melodien, ihre
Choͤre wurden nur nach einander abgeſungen und
deklamirt. Kuͤnſtliche Harmonien, Durcheinander¬
laſſen der Toͤne auf verſchiedenen Inſtrumenten,
Tonverſetzungen, Fugen, Aufloͤſungen kuͤnſtlicher
Diſſonanzen, kurz Werke eines Haydn oder Mo¬
zart, ganze große, durchdachte, auf die Regeln der
Harmonie gegruͤndete, mit Kraft, Geſchicklichkeit,
großartiger Phantaſie ausgefuͤhrte muſikaliſche Kunſt¬
werke waren den Alten unerreichbar.

Raͤumen wir dieſe Selbſtſtaͤndigkeit der Mu¬
ſik in neuerer Zeit ein, ſo kehrt mit verdoppeltem
Nachdruck die Frage zuruͤck, welche Stelle nimmt
die Muſik unter den Kuͤnſten ein, welche Gren¬
zen ſind ihr geſetzt, was iſt ihr Reich, ihr
Gebiet?

Kant in ſeiner Kritik der Urtheilskraft ſagt
von der Tonkunſt, daß ſie unter den Kuͤnſten den
groͤßten Genuß, aber fuͤr ſich die wenigſte Kultur
gewaͤhre, indem ſie mit bloßen Empfindungen
ſpiele, welche auf unbeſtimmte Ideen von Affek¬
ten fuͤhrten.

Die Muſik ſtand alſo dem Koͤnigsberger nicht
ſehr hoch; auch Hegel machte ſich nicht viel aus
der Muſik, weil ſie ihm, wie er ſagte, zu wenig
zu denken gebe. Wie anders mußte Luthers

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[217/0231] Die Alten ſahen nur auf Melodien, ihre Choͤre wurden nur nach einander abgeſungen und deklamirt. Kuͤnſtliche Harmonien, Durcheinander¬ laſſen der Toͤne auf verſchiedenen Inſtrumenten, Tonverſetzungen, Fugen, Aufloͤſungen kuͤnſtlicher Diſſonanzen, kurz Werke eines Haydn oder Mo¬ zart, ganze große, durchdachte, auf die Regeln der Harmonie gegruͤndete, mit Kraft, Geſchicklichkeit, großartiger Phantaſie ausgefuͤhrte muſikaliſche Kunſt¬ werke waren den Alten unerreichbar. Raͤumen wir dieſe Selbſtſtaͤndigkeit der Mu¬ ſik in neuerer Zeit ein, ſo kehrt mit verdoppeltem Nachdruck die Frage zuruͤck, welche Stelle nimmt die Muſik unter den Kuͤnſten ein, welche Gren¬ zen ſind ihr geſetzt, was iſt ihr Reich, ihr Gebiet? Kant in ſeiner Kritik der Urtheilskraft ſagt von der Tonkunſt, daß ſie unter den Kuͤnſten den groͤßten Genuß, aber fuͤr ſich die wenigſte Kultur gewaͤhre, indem ſie mit bloßen Empfindungen ſpiele, welche auf unbeſtimmte Ideen von Affek¬ ten fuͤhrten. Die Muſik ſtand alſo dem Koͤnigsberger nicht ſehr hoch; auch Hegel machte ſich nicht viel aus der Muſik, weil ſie ihm, wie er ſagte, zu wenig zu denken gebe. Wie anders mußte Luthers 14**

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/231>, abgerufen am 21.11.2024.