nius zu überlassen und statt sich durch mehr oder minder willkührliche Räsonnements über die Schön¬ heiten in Kunst und Poesie verwirren zu lassen, sich nur an die meisterhaften Kunstprodukte der alten und neuen Zeit selbst zu halten und bei ihrer Lesung, ihrem Anschauen sich von den unausbleib¬ lichen Wirkungen der geistigen Kraft der Schönheit lebendig zu erfüllen, wozu dem Deutschen insbe¬ sondere Goethe's Werke als musterhaft vorschweben.
Doch vielleicht, meine Herren, kommt den Deutschen, als Nation, die Schönheitslehre und der Schönheitssinn viel zu früh, und dies war der zweite Hauptsatz der ersten Vorlesung, in der ich diese Behauptung aufzustellen gewagt habe. Die Schönheit, sagte ich, beruht auf Kraft und Charakter, sie beruht auf leiblicher und geistiger Gesundheit, auf Lebensfrische, auf Behaglichkeit, auf Freiheit und Harmonie; denn unter diesen Grundbedingungen kann jedes Volk des Erdbodens, nicht allein das griechische unter seinem ewigblauen Himmel und mit seiner offenen, sonnigheitern Sinnlichkeit, sondern auch der Deutsche, der Nordmann unter rauherem Himmel, den Sinn für Schönheit unter sich ausbilden und aller Seg¬ nungen desselben und des doppelten und dreifachen Lebensgenusses, der aus diesem Sinn entspringt, theilhaftig werden. Aber fast mehr noch als der
nius zu uͤberlaſſen und ſtatt ſich durch mehr oder minder willkuͤhrliche Raͤſonnements uͤber die Schoͤn¬ heiten in Kunſt und Poeſie verwirren zu laſſen, ſich nur an die meiſterhaften Kunſtprodukte der alten und neuen Zeit ſelbſt zu halten und bei ihrer Leſung, ihrem Anſchauen ſich von den unausbleib¬ lichen Wirkungen der geiſtigen Kraft der Schoͤnheit lebendig zu erfuͤllen, wozu dem Deutſchen insbe¬ ſondere Goethe's Werke als muſterhaft vorſchweben.
Doch vielleicht, meine Herren, kommt den Deutſchen, als Nation, die Schoͤnheitslehre und der Schoͤnheitsſinn viel zu fruͤh, und dies war der zweite Hauptſatz der erſten Vorleſung, in der ich dieſe Behauptung aufzuſtellen gewagt habe. Die Schoͤnheit, ſagte ich, beruht auf Kraft und Charakter, ſie beruht auf leiblicher und geiſtiger Geſundheit, auf Lebensfriſche, auf Behaglichkeit, auf Freiheit und Harmonie; denn unter dieſen Grundbedingungen kann jedes Volk des Erdbodens, nicht allein das griechiſche unter ſeinem ewigblauen Himmel und mit ſeiner offenen, ſonnigheitern Sinnlichkeit, ſondern auch der Deutſche, der Nordmann unter rauherem Himmel, den Sinn fuͤr Schoͤnheit unter ſich ausbilden und aller Seg¬ nungen deſſelben und des doppelten und dreifachen Lebensgenuſſes, der aus dieſem Sinn entſpringt, theilhaftig werden. Aber faſt mehr noch als der
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nius zu uͤberlaſſen und ſtatt ſich durch mehr oder
minder willkuͤhrliche Raͤſonnements uͤber die Schoͤn¬
heiten in Kunſt und Poeſie verwirren zu laſſen,
ſich nur an die meiſterhaften Kunſtprodukte der
alten und neuen Zeit ſelbſt zu halten und bei ihrer
Leſung, ihrem Anſchauen ſich von den unausbleib¬
lichen Wirkungen der geiſtigen Kraft der Schoͤnheit
lebendig zu erfuͤllen, wozu dem Deutſchen insbe¬
ſondere Goethe's Werke als muſterhaft vorſchweben.
Doch vielleicht, meine Herren, kommt den
Deutſchen, als Nation, die Schoͤnheitslehre und
der Schoͤnheitsſinn viel zu fruͤh, und dies war
der zweite Hauptſatz der erſten Vorleſung, in der
ich dieſe Behauptung aufzuſtellen gewagt habe.
Die Schoͤnheit, ſagte ich, beruht auf Kraft und
Charakter, ſie beruht auf leiblicher und geiſtiger
Geſundheit, auf Lebensfriſche, auf Behaglichkeit,
auf Freiheit und Harmonie; denn unter dieſen
Grundbedingungen kann jedes Volk des Erdbodens,
nicht allein das griechiſche unter ſeinem ewigblauen
Himmel und mit ſeiner offenen, ſonnigheitern
Sinnlichkeit, ſondern auch der Deutſche, der
Nordmann unter rauherem Himmel, den Sinn
fuͤr Schoͤnheit unter ſich ausbilden und aller Seg¬
nungen deſſelben und des doppelten und dreifachen
Lebensgenuſſes, der aus dieſem Sinn entſpringt,
theilhaftig werden. Aber faſt mehr noch als der
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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