tere oder Charakterverzerrungen unfähig sind, den Stempel der Schönheit aufzunehmen, bedarf wohl keiner Erläuterung. Eine zweite und noch zahl¬ reichere Gattung von Charakteren liefern uns die Geschäftsmänner in allen Zweigen des Le¬ bens; die Amtleute, Juristen, Advoka¬ ten, Sachwalter; diese Generalpächter des Gesetzes und der Gerechtigkeit, die noch in so vielen Ländern die Barbarei eines unbekannten, undeutschen, unvolksthümlichen und daher rechtlo¬ sen Rechts täglich verewigen und die daher seit alter Zeit eine pedantisch gelehrte Kaste bilden, welche, wie alles Kastenwesen, der freien Bil¬ dung und schönen Humanität schnurstracks entge¬ genläuft, -- die Aerzte, welche ebenfalls ihre Wissenschaft und ihr ganzes Treiben vor den Au¬ gen der gebildeten Nation verbergen und sich in den Nimbus einer Kunst hüllen, die an unsern eigenen Leibern experimentirt und tastet -- die Schulmänner, die sich noch immer nicht ent¬ schließen können, ihre Perrücke abzulegen und deutsche Jünglinge statt Latinisten und Gräzisisten fürs Leben heranzubilden -- die Theologen -- kurz alle Aemter, die als sogenannte Brodstudien auf unsern Universitäten in eigenen abgeschlossenen Dis¬ ziplinen gelehrt werden, wie wenig entsprechen sie im Ganzen, Großen, wie im Einzelnen dem rei¬
tere oder Charakterverzerrungen unfaͤhig ſind, den Stempel der Schoͤnheit aufzunehmen, bedarf wohl keiner Erlaͤuterung. Eine zweite und noch zahl¬ reichere Gattung von Charakteren liefern uns die Geſchaͤftsmaͤnner in allen Zweigen des Le¬ bens; die Amtleute, Juriſten, Advoka¬ ten, Sachwalter; dieſe Generalpaͤchter des Geſetzes und der Gerechtigkeit, die noch in ſo vielen Laͤndern die Barbarei eines unbekannten, undeutſchen, unvolksthuͤmlichen und daher rechtlo¬ ſen Rechts taͤglich verewigen und die daher ſeit alter Zeit eine pedantiſch gelehrte Kaſte bilden, welche, wie alles Kaſtenweſen, der freien Bil¬ dung und ſchoͤnen Humanitaͤt ſchnurſtracks entge¬ genlaͤuft, — die Aerzte, welche ebenfalls ihre Wiſſenſchaft und ihr ganzes Treiben vor den Au¬ gen der gebildeten Nation verbergen und ſich in den Nimbus einer Kunſt huͤllen, die an unſern eigenen Leibern experimentirt und taſtet — die Schulmaͤnner, die ſich noch immer nicht ent¬ ſchließen koͤnnen, ihre Perruͤcke abzulegen und deutſche Juͤnglinge ſtatt Latiniſten und Graͤziſiſten fuͤrs Leben heranzubilden — die Theologen — kurz alle Aemter, die als ſogenannte Brodſtudien auf unſern Univerſitaͤten in eigenen abgeſchloſſenen Dis¬ ziplinen gelehrt werden, wie wenig entſprechen ſie im Ganzen, Großen, wie im Einzelnen dem rei¬
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tere oder Charakterverzerrungen unfaͤhig ſind, den
Stempel der Schoͤnheit aufzunehmen, bedarf wohl
keiner Erlaͤuterung. Eine zweite und noch zahl¬
reichere Gattung von Charakteren liefern uns die
Geſchaͤftsmaͤnner in allen Zweigen des Le¬
bens; die Amtleute, Juriſten, Advoka¬
ten, Sachwalter; dieſe Generalpaͤchter des
Geſetzes und der Gerechtigkeit, die noch in ſo
vielen Laͤndern die Barbarei eines unbekannten,
undeutſchen, unvolksthuͤmlichen und daher rechtlo¬
ſen Rechts taͤglich verewigen und die daher ſeit
alter Zeit eine pedantiſch gelehrte Kaſte bilden,
welche, wie alles Kaſtenweſen, der freien Bil¬
dung und ſchoͤnen Humanitaͤt ſchnurſtracks entge¬
genlaͤuft, — die Aerzte, welche ebenfalls ihre
Wiſſenſchaft und ihr ganzes Treiben vor den Au¬
gen der gebildeten Nation verbergen und ſich in
den Nimbus einer Kunſt huͤllen, die an unſern
eigenen Leibern experimentirt und taſtet — die
Schulmaͤnner, die ſich noch immer nicht ent¬
ſchließen koͤnnen, ihre Perruͤcke abzulegen und
deutſche Juͤnglinge ſtatt Latiniſten und Graͤziſiſten
fuͤrs Leben heranzubilden — die Theologen — kurz
alle Aemter, die als ſogenannte Brodſtudien auf
unſern Univerſitaͤten in eigenen abgeſchloſſenen Dis¬
ziplinen gelehrt werden, wie wenig entſprechen ſie
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/29>, abgerufen am 21.11.2024.
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