Fische im Wasser. Vielmehr ist es gar Vielen nicht einmal zum Bewußtsein gekommen, daß ih¬ nen der eigentliche Mittelpunkt der Bildung ab¬ gehe, daß sie, um sich zu fördern und in guter Absicht rechts und links umhergreifen, um sich Elemente zur Bildung anzueignen, welche dann oft die allerheterogensten sind und eine wunderliche musivische Arbeit hervorbringen, wo rothe, blaue, gelbe und grüne Steine seltsam und abenteuerlich neben einander liegen. Wo die Grundwurzel die¬ ses Uebels liege, ist leicht abzusehen. Die Grie¬ chen hatten's leichter, sich zu bilden, sie wuchsen schon als Kinder in solche Bildung hinein, Reli¬ gion, Politik, Moral, der Himmel selbst begün¬ stigte sie. Wir haben es dagegen schwer, oft ist uns Alles entgegen, wir werden von früh auf hierhin gerissen, dorthin gerissen, sind eine Beute der widersprechendsten Neigungen und haben nir¬ gends einen breiten sichern Grund, um in Gemein¬ schaft mit Andern darauf fortzuwandeln. Es man¬ gelt uns an großen gemeinsamen Zwecken, es mangelt uns an öffentlichem Leben, und wenn die Schwingungen des griechischen Geistes zwischen Wissenschaft und Staat, zwischen Wahrheit und Schönheit, zwischen Religion und Poesie, zwischen Himmel und Erde gleichmäßig hin und her gingen und sich nie aus der Bahn entfernten, so schwan¬
Wienbarg, ästhet. Feldz. 5
Fiſche im Waſſer. Vielmehr iſt es gar Vielen nicht einmal zum Bewußtſein gekommen, daß ih¬ nen der eigentliche Mittelpunkt der Bildung ab¬ gehe, daß ſie, um ſich zu foͤrdern und in guter Abſicht rechts und links umhergreifen, um ſich Elemente zur Bildung anzueignen, welche dann oft die allerheterogenſten ſind und eine wunderliche muſiviſche Arbeit hervorbringen, wo rothe, blaue, gelbe und gruͤne Steine ſeltſam und abenteuerlich neben einander liegen. Wo die Grundwurzel die¬ ſes Uebels liege, iſt leicht abzuſehen. Die Grie¬ chen hatten's leichter, ſich zu bilden, ſie wuchſen ſchon als Kinder in ſolche Bildung hinein, Reli¬ gion, Politik, Moral, der Himmel ſelbſt beguͤn¬ ſtigte ſie. Wir haben es dagegen ſchwer, oft iſt uns Alles entgegen, wir werden von fruͤh auf hierhin geriſſen, dorthin geriſſen, ſind eine Beute der widerſprechendſten Neigungen und haben nir¬ gends einen breiten ſichern Grund, um in Gemein¬ ſchaft mit Andern darauf fortzuwandeln. Es man¬ gelt uns an großen gemeinſamen Zwecken, es mangelt uns an oͤffentlichem Leben, und wenn die Schwingungen des griechiſchen Geiſtes zwiſchen Wiſſenſchaft und Staat, zwiſchen Wahrheit und Schoͤnheit, zwiſchen Religion und Poeſie, zwiſchen Himmel und Erde gleichmaͤßig hin und her gingen und ſich nie aus der Bahn entfernten, ſo ſchwan¬
Wienbarg, aͤsthet. Feldz. 5
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Fiſche im Waſſer. Vielmehr iſt es gar Vielen
nicht einmal zum Bewußtſein gekommen, daß ih¬
nen der eigentliche Mittelpunkt der Bildung ab¬
gehe, daß ſie, um ſich zu foͤrdern und in guter
Abſicht rechts und links umhergreifen, um ſich
Elemente zur Bildung anzueignen, welche dann
oft die allerheterogenſten ſind und eine wunderliche
muſiviſche Arbeit hervorbringen, wo rothe, blaue,
gelbe und gruͤne Steine ſeltſam und abenteuerlich
neben einander liegen. Wo die Grundwurzel die¬
ſes Uebels liege, iſt leicht abzuſehen. Die Grie¬
chen hatten's leichter, ſich zu bilden, ſie wuchſen
ſchon als Kinder in ſolche Bildung hinein, Reli¬
gion, Politik, Moral, der Himmel ſelbſt beguͤn¬
ſtigte ſie. Wir haben es dagegen ſchwer, oft iſt
uns Alles entgegen, wir werden von fruͤh auf
hierhin geriſſen, dorthin geriſſen, ſind eine Beute
der widerſprechendſten Neigungen und haben nir¬
gends einen breiten ſichern Grund, um in Gemein¬
ſchaft mit Andern darauf fortzuwandeln. Es man¬
gelt uns an großen gemeinſamen Zwecken, es
mangelt uns an oͤffentlichem Leben, und wenn die
Schwingungen des griechiſchen Geiſtes zwiſchen
Wiſſenſchaft und Staat, zwiſchen Wahrheit und
Schoͤnheit, zwiſchen Religion und Poeſie, zwiſchen
Himmel und Erde gleichmaͤßig hin und her gingen
und ſich nie aus der Bahn entfernten, ſo ſchwan¬
Wienbarg, aͤsthet. Feldz. 5
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Wienbarg, Ludolf: Aesthetische Feldzüge. Dem jungen Deutschland gewidmet. Hamburg, 1834, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_feldzuege_1834/79>, abgerufen am 25.11.2024.
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