Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834.sie den bei weitem größten Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch tägliches Organ ist, zu einem Zustande der Unmündigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, der vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empörendste Weise absticht. Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, Westphalen, Meklenburg, Holstein u. s. w.? Wurzelt nicht das Hauptübel im absoluten Unvermögen der täglichen Umgangssprache, den nöthigsten Ideenverkehr zu bewerkstelligen? Daß ich in beiden Unrecht hätte. Aber den Stein, den diese Anklage gegen die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der geistigen Thätigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muß erhoben werden von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und geistige Zustand von Millionen Brüdern, dem die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands nicht gleichgültig ist. Halte ich einen Augenblick inne. Ob diese Schrift auch Leser findet, die in hohe aristokratische Privilegien eben in dem gerügten Gebrechen, eben in dem Umstand, daß die plattdeutsche Sprache seit drei Jahrhunderten nichts gelernt, eine Tugend derselben entdecken? Soll ich Rücksicht auf solche Leser nehmen? Soll ich die reine Absicht, die mir vorschwebt, durch alle Blätter mir verbittern? Aber es giebt solche, du kennst solche! Wolan denn, mache ich es gleich und auf einmal mit ihnen ab. Ja, ihr Herren, diese Sprache hat nichts gelernt seit dem sechszehnten Jahrhundert, sie hat sich mit keiner einzigen Idee, keinem einzigen Ausdruck der neuen Geschichte bereichert, sie hat nicht einmal ein Wort für Bildung, nicht einmal ein Wort für Verfassung - ja, ihr Herren, sie ist noch ganz und gar die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts, die Sprache der Hetzjagden, der Peitschenhiebe, der Hundelöcher, die Sprache des Bauernkrieges sie den bei weitem größten Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch tägliches Organ ist, zu einem Zustande der Unmündigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, der vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empörendste Weise absticht. Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, Westphalen, Meklenburg, Holstein u. s. w.? Wurzelt nicht das Hauptübel im absoluten Unvermögen der täglichen Umgangssprache, den nöthigsten Ideenverkehr zu bewerkstelligen? Daß ich in beiden Unrecht hätte. Aber den Stein, den diese Anklage gegen die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der geistigen Thätigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muß erhoben werden von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und geistige Zustand von Millionen Brüdern, dem die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands nicht gleichgültig ist. Halte ich einen Augenblick inne. Ob diese Schrift auch Leser findet, die in hohe aristokratische Privilegien eben in dem gerügten Gebrechen, eben in dem Umstand, daß die plattdeutsche Sprache seit drei Jahrhunderten nichts gelernt, eine Tugend derselben entdecken? Soll ich Rücksicht auf solche Leser nehmen? Soll ich die reine Absicht, die mir vorschwebt, durch alle Blätter mir verbittern? Aber es giebt solche, du kennst solche! Wolan denn, mache ich es gleich und auf einmal mit ihnen ab. Ja, ihr Herren, diese Sprache hat nichts gelernt seit dem sechszehnten Jahrhundert, sie hat sich mit keiner einzigen Idee, keinem einzigen Ausdruck der neuen Geschichte bereichert, sie hat nicht einmal ein Wort für Bildung, nicht einmal ein Wort für Verfassung – ja, ihr Herren, sie ist noch ganz und gar die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts, die Sprache der Hetzjagden, der Peitschenhiebe, der Hundelöcher, die Sprache des Bauernkrieges <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <hi rendition="#g"><pb facs="#f0011" n="11"/> sie den bei weitem größten Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch tägliches Organ ist, zu einem Zustande der Unmündigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, der vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empörendste Weise absticht.</hi> </p> <p>Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, Westphalen, Meklenburg, Holstein u. s. w.? 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sie den bei weitem größten Theil der Volksmasse in Norddeutschland, dem sie annoch tägliches Organ ist, zu einem Zustande der Unmündigkeit, Rohheit und Ideenlosigkeit, der vom Zustand der Gebildeten auf die grellste und empörendste Weise absticht.
Habe ich Recht ober Unrecht? Steht es nicht so mit dem Volk in Hannover, Westphalen, Meklenburg, Holstein u. s. w.? Wurzelt nicht das Hauptübel im absoluten Unvermögen der täglichen Umgangssprache, den nöthigsten Ideenverkehr zu bewerkstelligen?
Daß ich in beiden Unrecht hätte. Aber den Stein, den diese Anklage gegen die plattdeutsche Sprache als eine Feindin der Volksbildung, der geistigen Thätigkeit erhebt, derselbe gewigtige Stein muß erhoben werden von jedem Niedersachsen, jedem Deutschen, dem der materielle und geistige Zustand von Millionen Brüdern, dem die Gegenwart und die Zukunft Deutschlands nicht gleichgültig ist.
Halte ich einen Augenblick inne. Ob diese Schrift auch Leser findet, die in hohe aristokratische Privilegien eben in dem gerügten Gebrechen, eben in dem Umstand, daß die plattdeutsche Sprache seit drei Jahrhunderten nichts gelernt, eine Tugend derselben entdecken? Soll ich Rücksicht auf solche Leser nehmen? Soll ich die reine Absicht, die mir vorschwebt, durch alle Blätter mir verbittern?
Aber es giebt solche, du kennst solche! Wolan denn, mache ich es gleich und auf einmal mit ihnen ab.
Ja, ihr Herren, diese Sprache hat nichts gelernt seit dem sechszehnten Jahrhundert, sie hat sich mit keiner einzigen Idee, keinem einzigen Ausdruck der neuen Geschichte bereichert, sie hat nicht einmal ein Wort für Bildung, nicht einmal ein Wort für Verfassung – ja, ihr Herren, sie ist noch ganz und gar die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts, die Sprache der Hetzjagden, der Peitschenhiebe, der Hundelöcher, die Sprache des Bauernkrieges
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