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Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834.

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Gesellschaft längst Vertriebenen, eine Freistäte am Heerde ihres Hauses gewähren.

Hier im Schooß der Familien erscheint sie als Exponentin der innigsten Verhältnisse. In Scherz und Ernst führt sie oft das Wort, sie ist Vertraute der Gattenliebe, Organ der Kindererziehung, Sprache des Herzens, Lehrmeisterin der Sitte und praktischer Lebensklugheit. Hier hat sie auch meistens ihre Rohheiten abgelegt, kehrt die beste Seite heraus und scheint sich, gleichsam durch ihr Unglück gebessert, des Vertrauens würdig zu machen.

Kommt hinzu, daß ihre Schutzherrn nicht selten Männer von Talent, Geist und Namen sind. Berühmte Lebende könnte ich anführen, ich begnüge mich den seligen Johann Heinrich Voß zu nennen, der nicht allein in Eutin, sondern noch in Heidelberg bis an seinen Tod mit Frau, Familie und norddeutschen Gästen am liebsten und öftersten plattdeutsch sprach.

Das sind Thatsachen. Wie gleiche ich sie aus mit der Behauptung, die plattdeutsche Sprache sei Feindin der Bildung, des Ideenwechsels, der geistigen Lebendigkeit; jetzt, da ich selbst nicht umhin konnte, Männer von Geist und Talent, von Gelehrsamkeit, rastloser Thätigkeit, Männer wie Voß als plattdeutsche zu bezeichnen?

Freilich, ich könnte den nachtheiligen Einfluß der plattdeutschen Sprache eben nur auf das Volk und die Volksbildung beschränken. Ich könnte mich etwa, um dem gebildeten Plattdeutschen allen Anstoß aus dem Wege zu räumen, folgendermaßen darüber ausdrücken: absolut dem Geiste lethal ist das Plattdeutsche nur, wo hochdeutsch, sanskrit und böhmische Dörfer gleich bekannt sind, wie hie und da in Pommern und Meklenburg; was denn von den größten Freunden des Plattdeutschen zugegeben werden müßte, da gar nicht zu läugnen, daß an sich und für sich dasselbe nichts Lebendes und Bewegendes enthalte, sondern Todt und Stillstand selber sei; geistig hemmend und lähmend bleibt aber das Plattdeutsche immer noch auf der Stufe der Gesellschaft,

Gesellschaft längst Vertriebenen, eine Freistäte am Heerde ihres Hauses gewähren.

Hier im Schooß der Familien erscheint sie als Exponentin der innigsten Verhältnisse. In Scherz und Ernst führt sie oft das Wort, sie ist Vertraute der Gattenliebe, Organ der Kindererziehung, Sprache des Herzens, Lehrmeisterin der Sitte und praktischer Lebensklugheit. Hier hat sie auch meistens ihre Rohheiten abgelegt, kehrt die beste Seite heraus und scheint sich, gleichsam durch ihr Unglück gebessert, des Vertrauens würdig zu machen.

Kommt hinzu, daß ihre Schutzherrn nicht selten Männer von Talent, Geist und Namen sind. Berühmte Lebende könnte ich anführen, ich begnüge mich den seligen Johann Heinrich Voß zu nennen, der nicht allein in Eutin, sondern noch in Heidelberg bis an seinen Tod mit Frau, Familie und norddeutschen Gästen am liebsten und öftersten plattdeutsch sprach.

Das sind Thatsachen. Wie gleiche ich sie aus mit der Behauptung, die plattdeutsche Sprache sei Feindin der Bildung, des Ideenwechsels, der geistigen Lebendigkeit; jetzt, da ich selbst nicht umhin konnte, Männer von Geist und Talent, von Gelehrsamkeit, rastloser Thätigkeit, Männer wie Voß als plattdeutsche zu bezeichnen?

Freilich, ich könnte den nachtheiligen Einfluß der plattdeutschen Sprache eben nur auf das Volk und die Volksbildung beschränken. Ich könnte mich etwa, um dem gebildeten Plattdeutschen allen Anstoß aus dem Wege zu räumen, folgendermaßen darüber ausdrücken: absolut dem Geiste lethal ist das Plattdeutsche nur, wo hochdeutsch, sanskrit und böhmische Dörfer gleich bekannt sind, wie hie und da in Pommern und Meklenburg; was denn von den größten Freunden des Plattdeutschen zugegeben werden müßte, da gar nicht zu läugnen, daß an sich und für sich dasselbe nichts Lebendes und Bewegendes enthalte, sondern Todt und Stillstand selber sei; geistig hemmend und lähmend bleibt aber das Plattdeutsche immer noch auf der Stufe der Gesellschaft,

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[27/0027] Gesellschaft längst Vertriebenen, eine Freistäte am Heerde ihres Hauses gewähren. Hier im Schooß der Familien erscheint sie als Exponentin der innigsten Verhältnisse. In Scherz und Ernst führt sie oft das Wort, sie ist Vertraute der Gattenliebe, Organ der Kindererziehung, Sprache des Herzens, Lehrmeisterin der Sitte und praktischer Lebensklugheit. Hier hat sie auch meistens ihre Rohheiten abgelegt, kehrt die beste Seite heraus und scheint sich, gleichsam durch ihr Unglück gebessert, des Vertrauens würdig zu machen. Kommt hinzu, daß ihre Schutzherrn nicht selten Männer von Talent, Geist und Namen sind. Berühmte Lebende könnte ich anführen, ich begnüge mich den seligen Johann Heinrich Voß zu nennen, der nicht allein in Eutin, sondern noch in Heidelberg bis an seinen Tod mit Frau, Familie und norddeutschen Gästen am liebsten und öftersten plattdeutsch sprach. Das sind Thatsachen. Wie gleiche ich sie aus mit der Behauptung, die plattdeutsche Sprache sei Feindin der Bildung, des Ideenwechsels, der geistigen Lebendigkeit; jetzt, da ich selbst nicht umhin konnte, Männer von Geist und Talent, von Gelehrsamkeit, rastloser Thätigkeit, Männer wie Voß als plattdeutsche zu bezeichnen? Freilich, ich könnte den nachtheiligen Einfluß der plattdeutschen Sprache eben nur auf das Volk und die Volksbildung beschränken. Ich könnte mich etwa, um dem gebildeten Plattdeutschen allen Anstoß aus dem Wege zu räumen, folgendermaßen darüber ausdrücken: absolut dem Geiste lethal ist das Plattdeutsche nur, wo hochdeutsch, sanskrit und böhmische Dörfer gleich bekannt sind, wie hie und da in Pommern und Meklenburg; was denn von den größten Freunden des Plattdeutschen zugegeben werden müßte, da gar nicht zu läugnen, daß an sich und für sich dasselbe nichts Lebendes und Bewegendes enthalte, sondern Todt und Stillstand selber sei; geistig hemmend und lähmend bleibt aber das Plattdeutsche immer noch auf der Stufe der Gesellschaft,

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Zitationshilfe: Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wienbarg_plattdeutsch_1834/27>, abgerufen am 21.11.2024.