Wienbarg, Ludolf: Soll die plattdeutsche Sprache gepflegt oder ausgerottet werden? Gegen Ersteres und für Letzteres. Hamburg, 1834.heiße Thräne des Unmuths und des Schmerzes, die der Genius deines Vaterlands auf dich herabträufelt. O Jugend, akademische, ihm ist übel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles freilich lacht und spöttelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: Da siehst du nun, wie leicht sich es leben läßt? Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt verändert, was ist nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 Jahren geschehen und dieses Völkchen ist noch immer das alte geblieben? Wo kommt es her? Wo geht es hin?Dem Völkchen da wird jeder Tag zum Fest. Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. Aber ich spreche, wie immer in dieser Schrift, vom großen Haufen, und der ist auf unsern Universitäten noch immer der alte Stamm und das Plattdeutsche seine hartnäckigste Wurzel. Es hat fast den Anschein, als müßte der Bauer erst mit gutem Beispiel vorangehn und die Sprache der Bildung gegen den Dialekt der Rohheit eintauschen, ehe der Student sich dazu entschließt. Wie nöthig thäte es Manchem, um auch nur den äußern Schein seines Standes im Gespräch und Umgang mit Gebildeten zu retten. Ich schäme mich's zu sagen, welche Erfahrungen ich gemacht habe. Wie nöthig aber thut es Jedem, sich unablässig in einer Sprache zu bewegen, die ihm erst zu der Herrschaft über sein Wissen verhelfen soll; wie nöthig Jedem, sich einer Sprache zu entschlagen, welche diese Herrschaft mißgönnt und streitig macht, welche wie das lichtlose dumpfe Chaos dicht hinter seiner aufzubauenden Welt lauert. Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie fällt Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das französische. Das Talent sich fertig und geläufig auszudrücken, ist immer noch ein selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland. heiße Thräne des Unmuths und des Schmerzes, die der Genius deines Vaterlands auf dich herabträufelt. O Jugend, akademische, ihm ist übel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles freilich lacht und spöttelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: Da siehst du nun, wie leicht sich es leben läßt? Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt verändert, was ist nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 Jahren geschehen und dieses Völkchen ist noch immer das alte geblieben? Wo kommt es her? Wo geht es hin?Dem Völkchen da wird jeder Tag zum Fest. Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. Aber ich spreche, wie immer in dieser Schrift, vom großen Haufen, und der ist auf unsern Universitäten noch immer der alte Stamm und das Plattdeutsche seine hartnäckigste Wurzel. Es hat fast den Anschein, als müßte der Bauer erst mit gutem Beispiel vorangehn und die Sprache der Bildung gegen den Dialekt der Rohheit eintauschen, ehe der Student sich dazu entschließt. Wie nöthig thäte es Manchem, um auch nur den äußern Schein seines Standes im Gespräch und Umgang mit Gebildeten zu retten. Ich schäme mich’s zu sagen, welche Erfahrungen ich gemacht habe. Wie nöthig aber thut es Jedem, sich unablässig in einer Sprache zu bewegen, die ihm erst zu der Herrschaft über sein Wissen verhelfen soll; wie nöthig Jedem, sich einer Sprache zu entschlagen, welche diese Herrschaft mißgönnt und streitig macht, welche wie das lichtlose dumpfe Chaos dicht hinter seiner aufzubauenden Welt lauert. Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie fällt Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das französische. Das Talent sich fertig und geläufig auszudrücken, ist immer noch ein selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/> heiße Thräne des Unmuths und des Schmerzes, die der Genius deines Vaterlands auf dich herabträufelt.</p> <p>O Jugend, akademische, ihm ist übel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles freilich lacht und spöttelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: <lg type="poem"><l>Da siehst du nun, wie leicht sich es leben läßt?<lb/></l><l>Dem Völkchen da wird jeder Tag zum Fest.<lb/></l></lg> Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt verändert, was ist nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 Jahren geschehen und dieses Völkchen ist noch immer das alte geblieben? Wo kommt es her? Wo geht es hin?</p> <p>Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. 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Sie fällt Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das französische. Das Talent sich fertig und geläufig auszudrücken, ist immer noch ein selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland. </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
heiße Thräne des Unmuths und des Schmerzes, die der Genius deines Vaterlands auf dich herabträufelt.
O Jugend, akademische, ihm ist übel, wenn dir wohl ist. Mephistopheles freilich lacht und spöttelt dazu und wenn er dich in Auerbachs Keller platt und wohlbehaglich sitzen sieht so ruft er seinem Begleiter zu: Da siehst du nun, wie leicht sich es leben läßt?
Dem Völkchen da wird jeder Tag zum Fest.
Wie hat sich seit den Tagen des Faustus die Welt verändert, was ist nicht alles in den letzten 30, in den letzten 13, in den letzten 3 Jahren geschehen und dieses Völkchen ist noch immer das alte geblieben? Wo kommt es her? Wo geht es hin?
Es gibt Ausnahmen, wie sollte es nicht. Aber ich spreche, wie immer in dieser Schrift, vom großen Haufen, und der ist auf unsern Universitäten noch immer der alte Stamm und das Plattdeutsche seine hartnäckigste Wurzel.
Es hat fast den Anschein, als müßte der Bauer erst mit gutem Beispiel vorangehn und die Sprache der Bildung gegen den Dialekt der Rohheit eintauschen, ehe der Student sich dazu entschließt.
Wie nöthig thäte es Manchem, um auch nur den äußern Schein seines Standes im Gespräch und Umgang mit Gebildeten zu retten. Ich schäme mich’s zu sagen, welche Erfahrungen ich gemacht habe.
Wie nöthig aber thut es Jedem, sich unablässig in einer Sprache zu bewegen, die ihm erst zu der Herrschaft über sein Wissen verhelfen soll; wie nöthig Jedem, sich einer Sprache zu entschlagen, welche diese Herrschaft mißgönnt und streitig macht, welche wie das lichtlose dumpfe Chaos dicht hinter seiner aufzubauenden Welt lauert.
Ohnehin fordert die hochdeutsche Sprache Uebung, viel Uebung. Sie fällt Einem nicht so in den Mund, wie dem Franzosen das französische. Das Talent sich fertig und geläufig auszudrücken, ist immer noch ein selteneres, am seltensten in Nord-Deutschland.
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