Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Herkunft des aristotelischen berichtes. Homer und die epigramme der Hermen, also attische monumente unddie attische festordnung. er berührt sich mit Aristoteles noch in dem schlagwort, dass die tyrannis später als das goldne zeitalter zurück- gewünscht wäre.30) es ist das ein schlagwort, das natürlich der guten alten zeit oft gegeben worden ist 31): so der zeit des Aristeides von den bündnern nach der steigerung ihrer lasten (Plut. Arist. 24). die libera- lität Kimons führt ten epi Kronou muthologoumenen koinonian ins leben zurück (Plut. Kim. 10). es können das, obwol für die letzte stelle Theopompos als vorlage Plutarchs sicher ist, ganz wol Plutarchs eigene wendungen sein, denn dasselbe bild hat z. b. auch Philon zum preise der regierung des Tiberius gebraucht (leg. ad. Gaium 547 M). es ist also nicht dieser eine ausdruck, der eine nahe verwandtschaft zwischen Aristoteles und jenem unbedeutenden producte der platonischen schule bewiese, die liegt vielmehr in der ganzen auffassung der tyrannenzeit und speciell des Hipparchos, und das einzelne wort zeigt nichts, als dass beiden eine bereits stilistisch geformte überlieferung vorlag. nun ist doch auch Aristo- teles in der platonischen schule jahrzehnte lang gewesen, hat enge be- ziehungen immer mit ihr unterhalten, kein wunder, dass er sich auch mit ihren geschichtlichen forschungen und anschauungen vertraut zeigt: er hat sie nicht angeregt oder geführt, aber er hat wie jeder schul- genosse anteil daran und anspruch darauf. ob darum gleich ein buch 30) Die lesart bei Aristoteles ist ganz unsicher dio kai pollakis -- -- -- os e Peisistratou turannis o epi Kronou bios eie. im Hipparchos gilt es auch der gemeinsamen herrschaft der söhne und lautet eggus te ezon Athenaioi osper epi Kronou basileuontos (229b). also weder beziehen sich beide stellen auf die- selbe zeit, noch könnte Aristoteles auf den Hipparchos hin irgend wie sagen, dass der vergleich oft gefallen wäre. und doch lesen manche so flüchtig, dass sie diese abhängigkeit behaupten. 31) Kronos als vertreter einer seligen urzeit ist eine junge conception, die erst
möglich ward, nachdem man den befreiten Titanen das reich der seligen im jenseits regieren liess, d. h. nach dieser orphisch pythagoreischen dichtung. ursprünglicher ist die verächtliche beurteilung des 'grauen altertums', der zeit vor der civilisation. denn ihr dient das fest der Kronia, vier tage vor den sunoikia, die ihrerseits eine vorbereitung der Panathenaia sind. diese reihe, sicherlich dem sechsten jahrhundert angehörig, ruft den Athenern den fortschritt ihres staates, zugleich den der ganzen cultur, vor die seele. dass die sclaven an den Kronien frei haben, ist auch nur ein zug der 'kyklopischen' zeit ohne gesellschaftsordnung. es hat das an den angeblichen tagen der anarchie in Persien eine parallele. Kronos ist natürlich immer nur eine folie für Zeus. wenn man mit dessen regimente hadert, steigt die wertschätzung der zeit des Kronos. aber in der sophistenzeit, als die komoedie solche bilder oft bot, kann man auch in der attischen vergangenheit ein verlornes paradies ge- sehen haben. Herkunft des aristotelischen berichtes. Homer und die epigramme der Hermen, also attische monumente unddie attische festordnung. er berührt sich mit Aristoteles noch in dem schlagwort, daſs die tyrannis später als das goldne zeitalter zurück- gewünscht wäre.30) es ist das ein schlagwort, das natürlich der guten alten zeit oft gegeben worden ist 31): so der zeit des Aristeides von den bündnern nach der steigerung ihrer lasten (Plut. Arist. 24). die libera- lität Kimons führt τὴν ἐπὶ Κϱόνου μυϑολογουμένην κοινωνίαν ins leben zurück (Plut. Kim. 10). es können das, obwol für die letzte stelle Theopompos als vorlage Plutarchs sicher ist, ganz wol Plutarchs eigene wendungen sein, denn dasselbe bild hat z. b. auch Philon zum preise der regierung des Tiberius gebraucht (leg. ad. Gaium 547 M). es ist also nicht dieser eine ausdruck, der eine nahe verwandtschaft zwischen Aristoteles und jenem unbedeutenden producte der platonischen schule bewiese, die liegt vielmehr in der ganzen auffassung der tyrannenzeit und speciell des Hipparchos, und das einzelne wort zeigt nichts, als daſs beiden eine bereits stilistisch geformte überlieferung vorlag. nun ist doch auch Aristo- teles in der platonischen schule jahrzehnte lang gewesen, hat enge be- ziehungen immer mit ihr unterhalten, kein wunder, daſs er sich auch mit ihren geschichtlichen forschungen und anschauungen vertraut zeigt: er hat sie nicht angeregt oder geführt, aber er hat wie jeder schul- genosse anteil daran und anspruch darauf. ob darum gleich ein buch 30) Die lesart bei Aristoteles ist ganz unsicher διὸ καὶ πολλάκις — — — ὡς ἡ Πεισιστϱάτου τυϱαννὶς ὁ ἐπὶ Κϱόνου βίος εἴη. im Hipparchos gilt es auch der gemeinsamen herrschaft der söhne und lautet ἐγγύς τε ἔζων Ἀϑηναῖοι ὥσπεϱ ἐπὶ Κϱόνου βασιλεύοντος (229b). also weder beziehen sich beide stellen auf die- selbe zeit, noch könnte Aristoteles auf den Hipparchos hin irgend wie sagen, daſs der vergleich oft gefallen wäre. und doch lesen manche so flüchtig, daſs sie diese abhängigkeit behaupten. 31) Kronos als vertreter einer seligen urzeit ist eine junge conception, die erst
möglich ward, nachdem man den befreiten Titanen das reich der seligen im jenseits regieren lieſs, d. h. nach dieser orphisch pythagoreischen dichtung. ursprünglicher ist die verächtliche beurteilung des ‘grauen altertums’, der zeit vor der civilisation. denn ihr dient das fest der Κϱόνια, vier tage vor den συνοίκια, die ihrerseits eine vorbereitung der Παναϑήναια sind. diese reihe, sicherlich dem sechsten jahrhundert angehörig, ruft den Athenern den fortschritt ihres staates, zugleich den der ganzen cultur, vor die seele. daſs die sclaven an den Kronien frei haben, ist auch nur ein zug der ‘kyklopischen’ zeit ohne gesellschaftsordnung. es hat das an den angeblichen tagen der anarchie in Persien eine parallele. Kronos ist natürlich immer nur eine folie für Zeus. wenn man mit dessen regimente hadert, steigt die wertschätzung der zeit des Kronos. aber in der sophistenzeit, als die komoedie solche bilder oft bot, kann man auch in der attischen vergangenheit ein verlornes paradies ge- sehen haben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0133" n="119"/><fw place="top" type="header">Herkunft des aristotelischen berichtes.</fw><lb/> Homer und die epigramme der Hermen, also attische monumente und<lb/> die attische festordnung. er berührt sich mit Aristoteles noch in dem<lb/> schlagwort, daſs die tyrannis später als das goldne zeitalter zurück-<lb/> gewünscht wäre.<note place="foot" n="30)">Die lesart bei Aristoteles ist ganz unsicher διὸ καὶ πολλάκις — — —<lb/> ὡς ἡ Πεισιστϱάτου τυϱαννὶς ὁ ἐπὶ Κϱόνου βίος εἴη. im Hipparchos gilt es auch<lb/> der gemeinsamen herrschaft der söhne und lautet ἐγγύς τε ἔζων Ἀϑηναῖοι ὥσπεϱ<lb/> ἐπὶ Κϱόνου βασιλεύοντος (229<hi rendition="#sup">b</hi>). also weder beziehen sich beide stellen auf die-<lb/> selbe zeit, noch könnte Aristoteles auf den Hipparchos hin irgend wie sagen, daſs<lb/> der vergleich oft gefallen wäre. und doch lesen manche so flüchtig, daſs sie diese<lb/> abhängigkeit behaupten.</note> es ist das ein schlagwort, das natürlich der guten<lb/> alten zeit oft gegeben worden ist <note place="foot" n="31)">Kronos als vertreter einer seligen urzeit ist eine junge conception, die erst<lb/> möglich ward, nachdem man den befreiten Titanen das reich der seligen im jenseits<lb/> regieren lieſs, d. h. nach dieser orphisch pythagoreischen dichtung. ursprünglicher<lb/> ist die verächtliche beurteilung des ‘grauen altertums’, der zeit vor der civilisation.<lb/> denn ihr dient das fest der Κϱόνια, vier tage vor den συνοίκια, die ihrerseits eine<lb/> vorbereitung der Παναϑήναια sind. diese reihe, sicherlich dem sechsten jahrhundert<lb/> angehörig, ruft den Athenern den fortschritt ihres staates, zugleich den der ganzen<lb/> cultur, vor die seele. daſs die sclaven an den Kronien frei haben, ist auch nur ein<lb/> zug der ‘kyklopischen’ zeit ohne gesellschaftsordnung. es hat das an den angeblichen<lb/> tagen der anarchie in Persien eine parallele. Kronos ist natürlich immer nur eine<lb/> folie für Zeus. wenn man mit dessen regimente hadert, steigt die wertschätzung<lb/> der zeit des Kronos. aber in der sophistenzeit, als die komoedie solche bilder oft<lb/> bot, kann man auch in der attischen vergangenheit ein verlornes paradies ge-<lb/> sehen haben.</note>: so der zeit des Aristeides von den<lb/> bündnern nach der steigerung ihrer lasten (Plut. Arist. 24). die libera-<lb/> lität Kimons führt τὴν ἐπὶ Κϱόνου μυϑολογουμένην κοινωνίαν ins leben<lb/> zurück (Plut. Kim. 10). es können das, obwol für die letzte stelle Theopompos<lb/> als vorlage Plutarchs sicher ist, ganz wol Plutarchs eigene wendungen<lb/> sein, denn dasselbe bild hat z. b. auch Philon zum preise der regierung<lb/> des Tiberius gebraucht (leg. ad. Gaium 547 M). es ist also nicht dieser<lb/> eine ausdruck, der eine nahe verwandtschaft zwischen Aristoteles und<lb/> jenem unbedeutenden producte der platonischen schule bewiese, die<lb/> liegt vielmehr in der ganzen auffassung der tyrannenzeit und speciell<lb/> des Hipparchos, und das einzelne wort zeigt nichts, als daſs beiden eine<lb/> bereits stilistisch geformte überlieferung vorlag. nun ist doch auch Aristo-<lb/> teles in der platonischen schule jahrzehnte lang gewesen, hat enge be-<lb/> ziehungen immer mit ihr unterhalten, kein wunder, daſs er sich auch<lb/> mit ihren geschichtlichen forschungen und anschauungen vertraut zeigt:<lb/> er hat sie nicht angeregt oder geführt, aber er hat wie jeder schul-<lb/> genosse anteil daran und anspruch darauf. ob darum gleich ein buch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [119/0133]
Herkunft des aristotelischen berichtes.
Homer und die epigramme der Hermen, also attische monumente und
die attische festordnung. er berührt sich mit Aristoteles noch in dem
schlagwort, daſs die tyrannis später als das goldne zeitalter zurück-
gewünscht wäre. 30) es ist das ein schlagwort, das natürlich der guten
alten zeit oft gegeben worden ist 31): so der zeit des Aristeides von den
bündnern nach der steigerung ihrer lasten (Plut. Arist. 24). die libera-
lität Kimons führt τὴν ἐπὶ Κϱόνου μυϑολογουμένην κοινωνίαν ins leben
zurück (Plut. Kim. 10). es können das, obwol für die letzte stelle Theopompos
als vorlage Plutarchs sicher ist, ganz wol Plutarchs eigene wendungen
sein, denn dasselbe bild hat z. b. auch Philon zum preise der regierung
des Tiberius gebraucht (leg. ad. Gaium 547 M). es ist also nicht dieser
eine ausdruck, der eine nahe verwandtschaft zwischen Aristoteles und
jenem unbedeutenden producte der platonischen schule bewiese, die
liegt vielmehr in der ganzen auffassung der tyrannenzeit und speciell
des Hipparchos, und das einzelne wort zeigt nichts, als daſs beiden eine
bereits stilistisch geformte überlieferung vorlag. nun ist doch auch Aristo-
teles in der platonischen schule jahrzehnte lang gewesen, hat enge be-
ziehungen immer mit ihr unterhalten, kein wunder, daſs er sich auch
mit ihren geschichtlichen forschungen und anschauungen vertraut zeigt:
er hat sie nicht angeregt oder geführt, aber er hat wie jeder schul-
genosse anteil daran und anspruch darauf. ob darum gleich ein buch
30) Die lesart bei Aristoteles ist ganz unsicher διὸ καὶ πολλάκις — — —
ὡς ἡ Πεισιστϱάτου τυϱαννὶς ὁ ἐπὶ Κϱόνου βίος εἴη. im Hipparchos gilt es auch
der gemeinsamen herrschaft der söhne und lautet ἐγγύς τε ἔζων Ἀϑηναῖοι ὥσπεϱ
ἐπὶ Κϱόνου βασιλεύοντος (229b). also weder beziehen sich beide stellen auf die-
selbe zeit, noch könnte Aristoteles auf den Hipparchos hin irgend wie sagen, daſs
der vergleich oft gefallen wäre. und doch lesen manche so flüchtig, daſs sie diese
abhängigkeit behaupten.
31) Kronos als vertreter einer seligen urzeit ist eine junge conception, die erst
möglich ward, nachdem man den befreiten Titanen das reich der seligen im jenseits
regieren lieſs, d. h. nach dieser orphisch pythagoreischen dichtung. ursprünglicher
ist die verächtliche beurteilung des ‘grauen altertums’, der zeit vor der civilisation.
denn ihr dient das fest der Κϱόνια, vier tage vor den συνοίκια, die ihrerseits eine
vorbereitung der Παναϑήναια sind. diese reihe, sicherlich dem sechsten jahrhundert
angehörig, ruft den Athenern den fortschritt ihres staates, zugleich den der ganzen
cultur, vor die seele. daſs die sclaven an den Kronien frei haben, ist auch nur ein
zug der ‘kyklopischen’ zeit ohne gesellschaftsordnung. es hat das an den angeblichen
tagen der anarchie in Persien eine parallele. Kronos ist natürlich immer nur eine
folie für Zeus. wenn man mit dessen regimente hadert, steigt die wertschätzung
der zeit des Kronos. aber in der sophistenzeit, als die komoedie solche bilder oft
bot, kann man auch in der attischen vergangenheit ein verlornes paradies ge-
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