Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Theramenes. Dreissig die beteiligung der epieikeis: die oligarchische schrift unterscheidetdurchgehends zwischen dieser partei und dem demos. er verwirft heftig die abgrenzung durch die zahl: sowol die verfassung Drakons wie die von 411 hat dafür die abgrenzung durch das opla parekhesthai. es steht diese verfassung, die Theramenes und Aristoteles gut heissen, gleichermassen im gegensatze zu der tyrannis der Dreissig wie zu der vollen demokratie. in der vorlage des Aristoteles stand eine persön- liche verläumdung gegen Alkibiades und gegen Konon: das passt auf 404. Solon ward rückhaltlos angegriffen: das liess sich unter der demokratie nicht wol aussprechen, ist fast nur 404 möglich. die beseitigung des Areopages hiess ein frevel: die dreissig haben die gesetze des Ephialtes und Perikles beseitigt. dass Athen der äussersten demokratie verfiel, lag daran dass die epieikeis führerlos waren: Theramenes wollte ihnen die herrschaft verschaffen und natürlich selbst ihr führer sein. Theramenes o komuos (Ar. Frösch. 967) hat den ruhm der be- 69) Cicero bezeugt ausdrücklich sowol den ruhm des redners wie das fehlen
der schriften de orat. II 93. Brut. 29. der Suidasartikel Theramenes Athenaios hat auch ursprünglich keine schriften genannt: so steht er noch in den Lukianscholien, wie Bernhardy angibt. jetzt ist ein titel aus dem artikel Ther. Keios hinübergesetzt. dieser letztere gibt natürlich halbverschämte fälschungen spätester zeit, die dem athe- nischen staatsmanne, wenn nötig, einen doppelgänger zur seite stellen konnten. aber auf sie kann die tradition nicht gehen, dass die tekhne eines Boton, ein für uns verschollenes buch, eigentlich von Theramenes wäre (vita Isocr. 247 West.). das hängt mit der verbindung des Isokrates mit Theramenes zusammen, die schon Dionysios (Isokr. 1) aus der vulgärtradition aufnimmt. nicht das buch, das eine dar- stellung der tekhne auf isokratischer grundlage gewesen sein mag, deren es viele gegeben haben wird (auch die unter Isokrates namen ist so zu beurteilen), nur jene tradition ist der rede wert. und dass Theramenes allein das genos sumbouleutikon gepflegt hätte, was Doxopater irgendwo aufgelesen hat und zweimal vorbringt (II 122. VI 21 W.), stimmt dazu. dass Isokrates zur partei des Theramenes gehört hat, ist nach seiner geistesrichtung sehr glaublich, und dass er über seine erlebnisse in jenen jahren nicht redselig ist, passt ebenfalls; aber so vag, wie sie vor uns liegt, gestattet die tradition nicht weitere schlüsse. wenn ich mit dem sumbouleutikos des Theramenes recht habe, ist allerdings sehr glaublich, dass ein peripatetiker, sagen wir Theophrast, dem Theramenes in der geschichte der beredsamkeit auf dies eine buch hin seinen platz anwies und den zusammenhang mit dem Areopagitikos und der Friedensrede, der mindestens scheinbar ist, constatirte. aber für das was bewiesen werden soll, macht eine erwünschte folgerung daraus nichts aus. Theramenes. Dreiſsig die beteiligung der ἐπιεικεῖς: die oligarchische schrift unterscheidetdurchgehends zwischen dieser partei und dem demos. er verwirft heftig die abgrenzung durch die zahl: sowol die verfassung Drakons wie die von 411 hat dafür die abgrenzung durch das ὅπλα παϱέχεσϑαι. es steht diese verfassung, die Theramenes und Aristoteles gut heiſsen, gleichermaſsen im gegensatze zu der tyrannis der Dreiſsig wie zu der vollen demokratie. in der vorlage des Aristoteles stand eine persön- liche verläumdung gegen Alkibiades und gegen Konon: das paſst auf 404. Solon ward rückhaltlos angegriffen: das lieſs sich unter der demokratie nicht wol aussprechen, ist fast nur 404 möglich. die beseitigung des Areopages hieſs ein frevel: die dreiſsig haben die gesetze des Ephialtes und Perikles beseitigt. daſs Athen der äuſsersten demokratie verfiel, lag daran daſs die ἐπιεικεῖς führerlos waren: Theramenes wollte ihnen die herrschaft verschaffen und natürlich selbst ihr führer sein. Theramenes ὁ κομϋός (Ar. Frösch. 967) hat den ruhm der be- 69) Cicero bezeugt ausdrücklich sowol den ruhm des redners wie das fehlen
der schriften de orat. II 93. Brut. 29. der Suidasartikel Θηϱαμένης Ἀϑηναῖος hat auch ursprünglich keine schriften genannt: so steht er noch in den Lukianscholien, wie Bernhardy angibt. jetzt ist ein titel aus dem artikel Θηϱ. Κεῖος hinübergesetzt. dieser letztere gibt natürlich halbverschämte fälschungen spätester zeit, die dem athe- nischen staatsmanne, wenn nötig, einen doppelgänger zur seite stellen konnten. aber auf sie kann die tradition nicht gehen, daſs die τέχνη eines Βότων, ein für uns verschollenes buch, eigentlich von Theramenes wäre (vita Isocr. 247 West.). das hängt mit der verbindung des Isokrates mit Theramenes zusammen, die schon Dionysios (Isokr. 1) aus der vulgärtradition aufnimmt. nicht das buch, das eine dar- stellung der τέχνη auf isokratischer grundlage gewesen sein mag, deren es viele gegeben haben wird (auch die unter Isokrates namen ist so zu beurteilen), nur jene tradition ist der rede wert. und daſs Theramenes allein das γένος συμβουλευτικὸν gepflegt hätte, was Doxopater irgendwo aufgelesen hat und zweimal vorbringt (II 122. VI 21 W.), stimmt dazu. daſs Isokrates zur partei des Theramenes gehört hat, ist nach seiner geistesrichtung sehr glaublich, und daſs er über seine erlebnisse in jenen jahren nicht redselig ist, paſst ebenfalls; aber so vag, wie sie vor uns liegt, gestattet die tradition nicht weitere schlüsse. wenn ich mit dem συμβουλευτικός des Theramenes recht habe, ist allerdings sehr glaublich, daſs ein peripatetiker, sagen wir Theophrast, dem Theramenes in der geschichte der beredsamkeit auf dies eine buch hin seinen platz anwies und den zusammenhang mit dem Areopagitikos und der Friedensrede, der mindestens scheinbar ist, constatirte. aber für das was bewiesen werden soll, macht eine erwünschte folgerung daraus nichts aus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="167"/><fw place="top" type="header">Theramenes.</fw><lb/> Dreiſsig die beteiligung der ἐπιεικεῖς: die oligarchische schrift unterscheidet<lb/> durchgehends zwischen dieser partei und dem demos. er verwirft heftig<lb/> die abgrenzung durch die zahl: sowol die verfassung Drakons wie die<lb/> von 411 hat dafür die abgrenzung durch das ὅπλα παϱέχεσϑαι. es<lb/> steht diese verfassung, die Theramenes und Aristoteles gut heiſsen,<lb/> gleichermaſsen im gegensatze zu der tyrannis der Dreiſsig wie zu der<lb/> vollen demokratie. in der vorlage des Aristoteles stand eine persön-<lb/> liche verläumdung gegen Alkibiades und gegen Konon: das paſst auf 404.<lb/> Solon ward rückhaltlos angegriffen: das lieſs sich unter der demokratie<lb/> nicht wol aussprechen, ist fast nur 404 möglich. die beseitigung des<lb/> Areopages hieſs ein frevel: die dreiſsig haben die gesetze des Ephialtes<lb/> und Perikles beseitigt. daſs Athen der äuſsersten demokratie verfiel,<lb/> lag daran daſs die ἐπιεικεῖς führerlos waren: Theramenes wollte ihnen<lb/> die herrschaft verschaffen und natürlich selbst ihr führer sein.</p><lb/> <p>Theramenes ὁ κομϋός (Ar. 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Κεῖος hinübergesetzt.<lb/> dieser letztere gibt natürlich halbverschämte fälschungen spätester zeit, die dem athe-<lb/> nischen staatsmanne, wenn nötig, einen doppelgänger zur seite stellen konnten.<lb/> aber auf sie kann die tradition nicht gehen, daſs die τέχνη eines Βότων, ein für<lb/> uns verschollenes buch, eigentlich von Theramenes wäre (vita Isocr. 247 West.).<lb/> das hängt mit der verbindung des Isokrates mit Theramenes zusammen, die schon<lb/> Dionysios (Isokr. 1) aus der vulgärtradition aufnimmt. nicht das buch, das eine dar-<lb/> stellung der τέχνη auf isokratischer grundlage gewesen sein mag, deren es viele gegeben<lb/> haben wird (auch die unter Isokrates namen ist so zu beurteilen), nur jene tradition ist<lb/> der rede wert. und daſs Theramenes allein das γένος συμβουλευτικὸν gepflegt hätte,<lb/> was Doxopater irgendwo aufgelesen hat und zweimal vorbringt (II 122. VI 21 W.),<lb/> stimmt dazu. daſs Isokrates zur partei des Theramenes gehört hat, ist nach seiner<lb/> geistesrichtung sehr glaublich, und daſs er über seine erlebnisse in jenen jahren<lb/> nicht redselig ist, paſst ebenfalls; aber so vag, wie sie vor uns liegt, gestattet die<lb/> tradition nicht weitere schlüsse. wenn ich mit dem συμβουλευτικός des Theramenes<lb/> recht habe, ist allerdings sehr glaublich, daſs ein peripatetiker, sagen wir Theophrast,<lb/> dem Theramenes in der geschichte der beredsamkeit auf dies eine buch hin seinen<lb/> platz anwies und den zusammenhang mit dem Areopagitikos und der Friedensrede,<lb/> der mindestens scheinbar ist, constatirte. aber für das was bewiesen werden soll,<lb/> macht eine erwünschte folgerung daraus nichts aus.</note> wenn also Aristoteles eine schrift von ihm benutzt haben<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [167/0181]
Theramenes.
Dreiſsig die beteiligung der ἐπιεικεῖς: die oligarchische schrift unterscheidet
durchgehends zwischen dieser partei und dem demos. er verwirft heftig
die abgrenzung durch die zahl: sowol die verfassung Drakons wie die
von 411 hat dafür die abgrenzung durch das ὅπλα παϱέχεσϑαι. es
steht diese verfassung, die Theramenes und Aristoteles gut heiſsen,
gleichermaſsen im gegensatze zu der tyrannis der Dreiſsig wie zu der
vollen demokratie. in der vorlage des Aristoteles stand eine persön-
liche verläumdung gegen Alkibiades und gegen Konon: das paſst auf 404.
Solon ward rückhaltlos angegriffen: das lieſs sich unter der demokratie
nicht wol aussprechen, ist fast nur 404 möglich. die beseitigung des
Areopages hieſs ein frevel: die dreiſsig haben die gesetze des Ephialtes
und Perikles beseitigt. daſs Athen der äuſsersten demokratie verfiel,
lag daran daſs die ἐπιεικεῖς führerlos waren: Theramenes wollte ihnen
die herrschaft verschaffen und natürlich selbst ihr führer sein.
Theramenes ὁ κομϋός (Ar. Frösch. 967) hat den ruhm der be-
redsamkeit bewahrt; hat man ihn doch sogar dem Isokrates zum lehrer
gegeben. aber daſs er reden herausgegeben hätte, ist nicht überliefert,
und in die bibliotheken des 3. jahrhunderts nichts unter seinem namen
gekommen. 69) wenn also Aristoteles eine schrift von ihm benutzt haben
69) Cicero bezeugt ausdrücklich sowol den ruhm des redners wie das fehlen
der schriften de orat. II 93. Brut. 29. der Suidasartikel Θηϱαμένης Ἀϑηναῖος hat
auch ursprünglich keine schriften genannt: so steht er noch in den Lukianscholien,
wie Bernhardy angibt. jetzt ist ein titel aus dem artikel Θηϱ. Κεῖος hinübergesetzt.
dieser letztere gibt natürlich halbverschämte fälschungen spätester zeit, die dem athe-
nischen staatsmanne, wenn nötig, einen doppelgänger zur seite stellen konnten.
aber auf sie kann die tradition nicht gehen, daſs die τέχνη eines Βότων, ein für
uns verschollenes buch, eigentlich von Theramenes wäre (vita Isocr. 247 West.).
das hängt mit der verbindung des Isokrates mit Theramenes zusammen, die schon
Dionysios (Isokr. 1) aus der vulgärtradition aufnimmt. nicht das buch, das eine dar-
stellung der τέχνη auf isokratischer grundlage gewesen sein mag, deren es viele gegeben
haben wird (auch die unter Isokrates namen ist so zu beurteilen), nur jene tradition ist
der rede wert. und daſs Theramenes allein das γένος συμβουλευτικὸν gepflegt hätte,
was Doxopater irgendwo aufgelesen hat und zweimal vorbringt (II 122. VI 21 W.),
stimmt dazu. daſs Isokrates zur partei des Theramenes gehört hat, ist nach seiner
geistesrichtung sehr glaublich, und daſs er über seine erlebnisse in jenen jahren
nicht redselig ist, paſst ebenfalls; aber so vag, wie sie vor uns liegt, gestattet die
tradition nicht weitere schlüsse. wenn ich mit dem συμβουλευτικός des Theramenes
recht habe, ist allerdings sehr glaublich, daſs ein peripatetiker, sagen wir Theophrast,
dem Theramenes in der geschichte der beredsamkeit auf dies eine buch hin seinen
platz anwies und den zusammenhang mit dem Areopagitikos und der Friedensrede,
der mindestens scheinbar ist, constatirte. aber für das was bewiesen werden soll,
macht eine erwünschte folgerung daraus nichts aus.
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