Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Thesmotheten. spürt die mühen der alten zeit, die statt der selbsthilfe die staatshilfeschuf, diesen neuen weg zu sichern. anderes und wichtigeres geht die bürgerliche und sittliche qualität an. vor allem soll sich kein fremder eindrängen: diese sachen gehören nicht in das familienrecht, aber es fordert sie als complement. so muss neben dem archon das collegium der thesmotheten stehn.124) aber der bürger soll sich auch dem ent- sprechend führen. der Athener, der sich zur hure macht oder je ge- macht hat (etaireseos), der bürgerliche personen verkuppelt (proa- gogeias), der die familienehre des bürgers angreift (moikheias, an welchem der körper, die im frieden des attischen rechtes stehn, er sich vergriffen hat und wie, ist gleichgiltig)125), der gegen bürger eine frevelhafte unbill sich erlaubt (ubreos, worin sie besteht ist einerlei), ist ein verbrecher wider das gemeinwesen der Athener. auf die gesinnung, die sittliche führung des deliquenten kommt es an, deshalb ist das wesentliche bei der rechtsfindung, sie zu fassen; nicht die tat an sich qualificirt das verbrechen. eine ohrfeige kann ubris sein, ein dolchstich braucht es nicht zu sein. und nicht auf die geschädigte person kommt es an. mag ein monsieur Alphonse sehr zufrieden sein, wenn seine frau einen jungen reichen herrn anlockt: jeder Athener kann sie beide, den kup- pelnden ehemann und den ehebrecher vor die thesmotheten holen; aber die ehefrau nicht. denn der staat übt keine gunaikonomia, so scharf er die standesehre der bürger wahrt. das weib ist ein teil des kleros geworfen ward, um ihr die klage selbst zu entziehn, sukophantia und doron. die sukophanton probole und die timesis doron in der rechenschaftsverhandlung hat hier nichts zu suchen. -- Aristoteles erklärt nur doroxenias, wonach im lex. Cant. eine richtige aber entbehrliche erklärung zu xenias gefügt ist. die einer erläuterung sehr bedürftigen pseudeggraphes pseudokleteias agraphiou bouleuseos hat ein tüchtiger grammatiker auf grund des gesetzlichen materials erläutert; auf ihn gehn die auszüge bei Harpokration und im lex. Bekk. V zurück, alle in ähnlicher form gehalten. 124) Vorübergehend sind diese klagen xenias den nautodiken gegeben um die thesmotheten zu entlasten, vgl. oben s. 223. 125) Notwendiger weise folgt einer klage moikheias die umgekehrte, wenn
jemand widerrechtlich als moikhos behandelt ist, also die klage eirgmou. übrigens steht auch hier der thesmothet neben dem könige, dem die schweren fälle, die der erlaubten selbsthilfe gegen den ehebrecher, zufallen, als phonos dikaios. aber sie giengen notwendig den beteiligten als bluträcher an; hier folgt aus der graphe und deren principe, dass jeder das recht hat ein unrecht zu ahnden, die zulassung von allen, und damit die qualification des ehebruchs als eines öffentlichen verbrechens. das alte recht ist ja überreich an analogien. aber die strafe, die das gesetz vor- schrieb, wissen wir nicht. ten d eliaian timan oti khre pathein e apoteisai konnte möglicher weise genügen. Thesmotheten. spürt die mühen der alten zeit, die statt der selbsthilfe die staatshilfeschuf, diesen neuen weg zu sichern. anderes und wichtigeres geht die bürgerliche und sittliche qualität an. vor allem soll sich kein fremder eindrängen: diese sachen gehören nicht in das familienrecht, aber es fordert sie als complement. so muſs neben dem archon das collegium der thesmotheten stehn.124) aber der bürger soll sich auch dem ent- sprechend führen. der Athener, der sich zur hure macht oder je ge- macht hat (ἑταιϱήσεως), der bürgerliche personen verkuppelt (πϱοα- γωγείας), der die familienehre des bürgers angreift (μοιχείας, an welchem der körper, die im frieden des attischen rechtes stehn, er sich vergriffen hat und wie, ist gleichgiltig)125), der gegen bürger eine frevelhafte unbill sich erlaubt (ὕβϱεως, worin sie besteht ist einerlei), ist ein verbrecher wider das gemeinwesen der Athener. auf die gesinnung, die sittliche führung des deliquenten kommt es an, deshalb ist das wesentliche bei der rechtsfindung, sie zu fassen; nicht die tat an sich qualificirt das verbrechen. eine ohrfeige kann ὕβϱις sein, ein dolchstich braucht es nicht zu sein. und nicht auf die geschädigte person kommt es an. mag ein monsieur Alphonse sehr zufrieden sein, wenn seine frau einen jungen reichen herrn anlockt: jeder Athener kann sie beide, den kup- pelnden ehemann und den ehebrecher vor die thesmotheten holen; aber die ehefrau nicht. denn der staat übt keine γυναικονομία, so scharf er die standesehre der bürger wahrt. das weib ist ein teil des κλῆϱος geworfen ward, um ihr die klage selbst zu entziehn, συκοφαντία und δώϱων. die συκοφάντων πϱοβολή und die τίμησις δώϱων in der rechenschaftsverhandlung hat hier nichts zu suchen. — Aristoteles erklärt nur δωϱοξενίας, wonach im lex. Cant. eine richtige aber entbehrliche erklärung zu ξενίας gefügt ist. die einer erläuterung sehr bedürftigen ψευδεγγϱαφῆς ψευδοκλητείας ἀγϱαφίου βουλεύσεως hat ein tüchtiger grammatiker auf grund des gesetzlichen materials erläutert; auf ihn gehn die auszüge bei Harpokration und im lex. Bekk. V zurück, alle in ähnlicher form gehalten. 124) Vorübergehend sind diese klagen ξενίας den nautodiken gegeben um die thesmotheten zu entlasten, vgl. oben s. 223. 125) Notwendiger weise folgt einer klage μοιχείας die umgekehrte, wenn
jemand widerrechtlich als μοιχός behandelt ist, also die klage εἱϱγμοῦ. übrigens steht auch hier der thesmothet neben dem könige, dem die schweren fälle, die der erlaubten selbsthilfe gegen den ehebrecher, zufallen, als φόνος δίκαιος. aber sie giengen notwendig den beteiligten als bluträcher an; hier folgt aus der γϱαφή und deren principe, daſs jeder das recht hat ein unrecht zu ahnden, die zulassung von allen, und damit die qualification des ehebruchs als eines öffentlichen verbrechens. das alte recht ist ja überreich an analogien. aber die strafe, die das gesetz vor- schrieb, wissen wir nicht. τὴν δ̕ ἠλιαίαν τιμᾶν ὅτι χϱὴ παϑεῖν ἢ ἀποτεῖσαι konnte möglicher weise genügen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0261" n="247"/><fw place="top" type="header">Thesmotheten.</fw><lb/> spürt die mühen der alten zeit, die statt der selbsthilfe die staatshilfe<lb/> schuf, diesen neuen weg zu sichern. anderes und wichtigeres geht die<lb/> bürgerliche und sittliche qualität an. vor allem soll sich kein fremder<lb/> eindrängen: diese sachen gehören nicht in das familienrecht, aber es<lb/> fordert sie als complement. so muſs neben dem archon das collegium<lb/> der thesmotheten stehn.<note place="foot" n="124)">Vorübergehend sind diese klagen ξενίας den nautodiken gegeben um<lb/> die thesmotheten zu entlasten, vgl. oben s. 223.</note> aber der bürger soll sich auch dem ent-<lb/> sprechend führen. der Athener, der sich zur hure macht oder je ge-<lb/> macht hat (ἑταιϱήσεως), der bürgerliche personen verkuppelt (πϱοα-<lb/> γωγείας), der die familienehre des bürgers angreift (μοιχείας, an welchem<lb/> der körper, die im frieden des attischen rechtes stehn, er sich vergriffen<lb/> hat und wie, ist gleichgiltig)<note place="foot" n="125)">Notwendiger weise folgt einer klage μοιχείας die umgekehrte, wenn<lb/> jemand widerrechtlich als μοιχός behandelt ist, also die klage εἱϱγμοῦ. übrigens<lb/> steht auch hier der thesmothet neben dem könige, dem die schweren fälle, die der<lb/> erlaubten selbsthilfe gegen den ehebrecher, zufallen, als φόνος δίκαιος. aber sie<lb/> giengen notwendig den beteiligten als bluträcher an; hier folgt aus der γϱαφή und<lb/> deren principe, daſs jeder das recht hat ein unrecht zu ahnden, die zulassung von<lb/> allen, und damit die qualification des ehebruchs als eines öffentlichen verbrechens.<lb/> das alte recht ist ja überreich an analogien. aber die strafe, die das gesetz vor-<lb/> schrieb, wissen wir nicht. τὴν δ̕ ἠλιαίαν τιμᾶν ὅτι χϱὴ παϑεῖν ἢ ἀποτεῖσαι<lb/> konnte möglicher weise genügen.</note>, der gegen bürger eine frevelhafte unbill<lb/> sich erlaubt (ὕβϱεως, worin sie besteht ist einerlei), ist ein verbrecher<lb/> wider das gemeinwesen der Athener. auf die gesinnung, die sittliche<lb/> führung des deliquenten kommt es an, deshalb ist das wesentliche bei<lb/> der rechtsfindung, sie zu fassen; nicht die tat an sich qualificirt das<lb/> verbrechen. eine ohrfeige kann ὕβϱις sein, ein dolchstich braucht es<lb/> nicht zu sein. und nicht auf die geschädigte person kommt es an.<lb/> mag ein <hi rendition="#i">monsieur Alphonse</hi> sehr zufrieden sein, wenn seine frau einen<lb/> jungen reichen herrn anlockt: jeder Athener kann sie beide, den kup-<lb/> pelnden ehemann und den ehebrecher vor die thesmotheten holen; aber<lb/> die ehefrau nicht. denn der staat übt keine γυναικονομία, so scharf<lb/> er die standesehre der bürger wahrt. das weib ist ein teil des κλῆϱος<lb/><note xml:id="note-0261" prev="#note-0260a" place="foot" n="123)">geworfen ward, um ihr die klage selbst zu entziehn, συκοφαντία und δώϱων. die<lb/> συκοφάντων πϱοβολή und die τίμησις δώϱων in der rechenschaftsverhandlung hat<lb/> hier nichts zu suchen. — Aristoteles erklärt nur δωϱοξενίας, wonach im lex. Cant.<lb/> eine richtige aber entbehrliche erklärung zu ξενίας gefügt ist. die einer erläuterung<lb/> sehr bedürftigen ψευδεγγϱαφῆς ψευδοκλητείας ἀγϱαφίου βουλεύσεως hat ein tüchtiger<lb/> grammatiker auf grund des gesetzlichen materials erläutert; auf ihn gehn die auszüge<lb/> bei Harpokration und im lex. Bekk. V zurück, alle in ähnlicher form gehalten.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0261]
Thesmotheten.
spürt die mühen der alten zeit, die statt der selbsthilfe die staatshilfe
schuf, diesen neuen weg zu sichern. anderes und wichtigeres geht die
bürgerliche und sittliche qualität an. vor allem soll sich kein fremder
eindrängen: diese sachen gehören nicht in das familienrecht, aber es
fordert sie als complement. so muſs neben dem archon das collegium
der thesmotheten stehn. 124) aber der bürger soll sich auch dem ent-
sprechend führen. der Athener, der sich zur hure macht oder je ge-
macht hat (ἑταιϱήσεως), der bürgerliche personen verkuppelt (πϱοα-
γωγείας), der die familienehre des bürgers angreift (μοιχείας, an welchem
der körper, die im frieden des attischen rechtes stehn, er sich vergriffen
hat und wie, ist gleichgiltig) 125), der gegen bürger eine frevelhafte unbill
sich erlaubt (ὕβϱεως, worin sie besteht ist einerlei), ist ein verbrecher
wider das gemeinwesen der Athener. auf die gesinnung, die sittliche
führung des deliquenten kommt es an, deshalb ist das wesentliche bei
der rechtsfindung, sie zu fassen; nicht die tat an sich qualificirt das
verbrechen. eine ohrfeige kann ὕβϱις sein, ein dolchstich braucht es
nicht zu sein. und nicht auf die geschädigte person kommt es an.
mag ein monsieur Alphonse sehr zufrieden sein, wenn seine frau einen
jungen reichen herrn anlockt: jeder Athener kann sie beide, den kup-
pelnden ehemann und den ehebrecher vor die thesmotheten holen; aber
die ehefrau nicht. denn der staat übt keine γυναικονομία, so scharf
er die standesehre der bürger wahrt. das weib ist ein teil des κλῆϱος
123)
124) Vorübergehend sind diese klagen ξενίας den nautodiken gegeben um
die thesmotheten zu entlasten, vgl. oben s. 223.
125) Notwendiger weise folgt einer klage μοιχείας die umgekehrte, wenn
jemand widerrechtlich als μοιχός behandelt ist, also die klage εἱϱγμοῦ. übrigens
steht auch hier der thesmothet neben dem könige, dem die schweren fälle, die der
erlaubten selbsthilfe gegen den ehebrecher, zufallen, als φόνος δίκαιος. aber sie
giengen notwendig den beteiligten als bluträcher an; hier folgt aus der γϱαφή und
deren principe, daſs jeder das recht hat ein unrecht zu ahnden, die zulassung von
allen, und damit die qualification des ehebruchs als eines öffentlichen verbrechens.
das alte recht ist ja überreich an analogien. aber die strafe, die das gesetz vor-
schrieb, wissen wir nicht. τὴν δ̕ ἠλιαίαν τιμᾶν ὅτι χϱὴ παϑεῖν ἢ ἀποτεῖσαι
konnte möglicher weise genügen.
123) geworfen ward, um ihr die klage selbst zu entziehn, συκοφαντία und δώϱων. die
συκοφάντων πϱοβολή und die τίμησις δώϱων in der rechenschaftsverhandlung hat
hier nichts zu suchen. — Aristoteles erklärt nur δωϱοξενίας, wonach im lex. Cant.
eine richtige aber entbehrliche erklärung zu ξενίας gefügt ist. die einer erläuterung
sehr bedürftigen ψευδεγγϱαφῆς ψευδοκλητείας ἀγϱαφίου βουλεύσεως hat ein tüchtiger
grammatiker auf grund des gesetzlichen materials erläutert; auf ihn gehn die auszüge
bei Harpokration und im lex. Bekk. V zurück, alle in ähnlicher form gehalten.
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