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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Der sturz der tyrannen. das strategem des Themistokles.
dann eines schlages mit den übrigen vortrefflichen zusätzen zu Hero-
dotos. auch von dem berichte über die einsetzung und benennung der
neuen phylen und demen lässt sich die herleitung aus der chronik
feststellen. 28) damit ist der anschluss an das grosse stück, die jahre
507--480, erreicht, das mit am reinsten den stil der einfachen chronik
trägt, lauter kurze sachliche einzelangaben, und doch eine anekdote
darunter, die flottengründung des Themistokles. sie steht ziemlich iden-Das
strategem
des Themi-
stokles.

tisch, doch nur im allgemeinen auf den aeginetischen krieg, nicht wie
hier auf einen archon datiert, bei Polyaen (I 30, 6), bei dem sich also
ein nicht verächtliches quantum von geschichten der chronik erkennen
lässt. 29) diese anekdote selbst ist nun freilich sehr ohne grund auf treu
und glauben als wahr angenommen worden. Themistokles lässt sich
vom volke ohne seine absicht zu verraten 100 talente übergeben. sollten
die Athener den händen des Themistokles wirklich so viel vertraut haben?
er gibt dann den hundert reichsten bürgern je ein talent und lässt sie
dafür eine triere bauen, auf das risico hin, sie zu behalten, wenn der
staat sie ihnen nicht abnähme. was sollten sie in dem falle mit dem
kriegsschiffe anfangen? piraten wollten sie doch nicht werden. von den
ausrüstungsgegenständen und der bemannung wird klüglich geschwiegen.
man braucht die geschichte nur in die realität umgesetzt zu denken,
um ihre unmöglichkeit einzusehen; aber es ist eine unerlaubte be-
handlung einer guten geschichte, wenn man sie als real behandelt. was
sie soll, tut sie sehr gut, sie illustrirt die überlegne klugheit des The-
mistokles. und sie ist, auch wenn man sie nicht überschätzt, keines-

28) Vgl. s. 225 und das capitel 'Trittyen und demen'.
29) Natürlich gibt er vieles, was trotz starker entstellung auf Herodotos (I
21, 1. 24. 26. 30, 1--4. 7) und Thukydides (30, 5. 8) zurückgeht. sonst hat er
aus der altattischen geschichte die legende des attischen Palladions (I 5) den helden-
tod des Kodros (18), die list des Melanthos (19), die Hellanikos in den Atthis schon
erzählt hatte, Solons gedicht Salamis und seine kriegslist, die die insel erwirbt (20);
dies kann auf Plutarch (Sol. 8) zurückgehn, auch wol die erste tyrannis des Pei-
sistratos (21, 3). aber es ist so stark verwandt mit den berichten, die wir eben
behandelt haben (21, 2. 22. 30, 6), dass es geraten ist, alles dies altattische, zu
dem noch der zweikampf Phrynons mit Pittakos (25) gerechnet werden darf, auf
eine chronik zurückzuführen, natürlich am letzten ende: denn der geschmacklose
rhetor (dessen rhetorische reste bei Stobaeus stehn und von einem herausgeber wol
hätten gesammelt und beigegeben werden sollen; entscheidend ist, dass der verfasser
der strategeme sich einen Makedonen nennt, und der rhetor die provinz Makedonien
in einer steuersache vertritt) schöpft natürlich aus älteren sammlungen von strate-
gemen. sehr viel wertvoller sind die singulären stücke altpeloponnesischer geschichte
(I 6--11. 15): sie sind nach analogie der attischen zu beurteilen.
18*

Der sturz der tyrannen. das strategem des Themistokles.
dann eines schlages mit den übrigen vortrefflichen zusätzen zu Hero-
dotos. auch von dem berichte über die einsetzung und benennung der
neuen phylen und demen läſst sich die herleitung aus der chronik
feststellen. 28) damit ist der anschluſs an das groſse stück, die jahre
507—480, erreicht, das mit am reinsten den stil der einfachen chronik
trägt, lauter kurze sachliche einzelangaben, und doch eine anekdote
darunter, die flottengründung des Themistokles. sie steht ziemlich iden-Das
strategem
des Themi-
stokles.

tisch, doch nur im allgemeinen auf den aeginetischen krieg, nicht wie
hier auf einen archon datiert, bei Polyaen (I 30, 6), bei dem sich also
ein nicht verächtliches quantum von geschichten der chronik erkennen
läſst. 29) diese anekdote selbst ist nun freilich sehr ohne grund auf treu
und glauben als wahr angenommen worden. Themistokles läſst sich
vom volke ohne seine absicht zu verraten 100 talente übergeben. sollten
die Athener den händen des Themistokles wirklich so viel vertraut haben?
er gibt dann den hundert reichsten bürgern je ein talent und läſst sie
dafür eine triere bauen, auf das risico hin, sie zu behalten, wenn der
staat sie ihnen nicht abnähme. was sollten sie in dem falle mit dem
kriegsschiffe anfangen? piraten wollten sie doch nicht werden. von den
ausrüstungsgegenständen und der bemannung wird klüglich geschwiegen.
man braucht die geschichte nur in die realität umgesetzt zu denken,
um ihre unmöglichkeit einzusehen; aber es ist eine unerlaubte be-
handlung einer guten geschichte, wenn man sie als real behandelt. was
sie soll, tut sie sehr gut, sie illustrirt die überlegne klugheit des The-
mistokles. und sie ist, auch wenn man sie nicht überschätzt, keines-

28) Vgl. s. 225 und das capitel ‘Trittyen und demen’.
29) Natürlich gibt er vieles, was trotz starker entstellung auf Herodotos (I
21, 1. 24. 26. 30, 1—4. 7) und Thukydides (30, 5. 8) zurückgeht. sonst hat er
aus der altattischen geschichte die legende des attischen Palladions (I 5) den helden-
tod des Kodros (18), die list des Melanthos (19), die Hellanikos in den Atthis schon
erzählt hatte, Solons gedicht Salamis und seine kriegslist, die die insel erwirbt (20);
dies kann auf Plutarch (Sol. 8) zurückgehn, auch wol die erste tyrannis des Pei-
sistratos (21, 3). aber es ist so stark verwandt mit den berichten, die wir eben
behandelt haben (21, 2. 22. 30, 6), daſs es geraten ist, alles dies altattische, zu
dem noch der zweikampf Phrynons mit Pittakos (25) gerechnet werden darf, auf
eine chronik zurückzuführen, natürlich am letzten ende: denn der geschmacklose
rhetor (dessen rhetorische reste bei Stobaeus stehn und von einem herausgeber wol
hätten gesammelt und beigegeben werden sollen; entscheidend ist, daſs der verfasser
der strategeme sich einen Makedonen nennt, und der rhetor die provinz Makedonien
in einer steuersache vertritt) schöpft natürlich aus älteren sammlungen von strate-
gemen. sehr viel wertvoller sind die singulären stücke altpeloponnesischer geschichte
(I 6—11. 15): sie sind nach analogie der attischen zu beurteilen.
18*
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[275/0289] Der sturz der tyrannen. das strategem des Themistokles. dann eines schlages mit den übrigen vortrefflichen zusätzen zu Hero- dotos. auch von dem berichte über die einsetzung und benennung der neuen phylen und demen läſst sich die herleitung aus der chronik feststellen. 28) damit ist der anschluſs an das groſse stück, die jahre 507—480, erreicht, das mit am reinsten den stil der einfachen chronik trägt, lauter kurze sachliche einzelangaben, und doch eine anekdote darunter, die flottengründung des Themistokles. sie steht ziemlich iden- tisch, doch nur im allgemeinen auf den aeginetischen krieg, nicht wie hier auf einen archon datiert, bei Polyaen (I 30, 6), bei dem sich also ein nicht verächtliches quantum von geschichten der chronik erkennen läſst. 29) diese anekdote selbst ist nun freilich sehr ohne grund auf treu und glauben als wahr angenommen worden. Themistokles läſst sich vom volke ohne seine absicht zu verraten 100 talente übergeben. sollten die Athener den händen des Themistokles wirklich so viel vertraut haben? er gibt dann den hundert reichsten bürgern je ein talent und läſst sie dafür eine triere bauen, auf das risico hin, sie zu behalten, wenn der staat sie ihnen nicht abnähme. was sollten sie in dem falle mit dem kriegsschiffe anfangen? piraten wollten sie doch nicht werden. von den ausrüstungsgegenständen und der bemannung wird klüglich geschwiegen. man braucht die geschichte nur in die realität umgesetzt zu denken, um ihre unmöglichkeit einzusehen; aber es ist eine unerlaubte be- handlung einer guten geschichte, wenn man sie als real behandelt. was sie soll, tut sie sehr gut, sie illustrirt die überlegne klugheit des The- mistokles. und sie ist, auch wenn man sie nicht überschätzt, keines- Das strategem des Themi- stokles. 28) Vgl. s. 225 und das capitel ‘Trittyen und demen’. 29) Natürlich gibt er vieles, was trotz starker entstellung auf Herodotos (I 21, 1. 24. 26. 30, 1—4. 7) und Thukydides (30, 5. 8) zurückgeht. sonst hat er aus der altattischen geschichte die legende des attischen Palladions (I 5) den helden- tod des Kodros (18), die list des Melanthos (19), die Hellanikos in den Atthis schon erzählt hatte, Solons gedicht Salamis und seine kriegslist, die die insel erwirbt (20); dies kann auf Plutarch (Sol. 8) zurückgehn, auch wol die erste tyrannis des Pei- sistratos (21, 3). aber es ist so stark verwandt mit den berichten, die wir eben behandelt haben (21, 2. 22. 30, 6), daſs es geraten ist, alles dies altattische, zu dem noch der zweikampf Phrynons mit Pittakos (25) gerechnet werden darf, auf eine chronik zurückzuführen, natürlich am letzten ende: denn der geschmacklose rhetor (dessen rhetorische reste bei Stobaeus stehn und von einem herausgeber wol hätten gesammelt und beigegeben werden sollen; entscheidend ist, daſs der verfasser der strategeme sich einen Makedonen nennt, und der rhetor die provinz Makedonien in einer steuersache vertritt) schöpft natürlich aus älteren sammlungen von strate- gemen. sehr viel wertvoller sind die singulären stücke altpeloponnesischer geschichte (I 6—11. 15): sie sind nach analogie der attischen zu beurteilen. 18*

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/289>, abgerufen am 21.11.2024.