Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 8. Die Atthis. so wenig und so zertrümmert, dass es keine grosse mühe ist, es völligzu zerkrümeln. mit den resten von Melanthios, Kleidemos u. s. w. ge- traue ich mich es auf verlangen ebenso zu machen. aber ich habe es nicht so gemacht und halte die ganze methode für falsch. was mich zur annahme einer wirklichen attischen annalistik, einer urkundlichen überlieferung bis in sehr hohe zeit hinauf veranlasst, steht teils hier, teils durch die meisten capitel dieses buches zerstreut. was mir aber noch wichtiger ist, die ansicht, die ich mir über die ganze überlieferung und das ganze litteraturleben der Hellenen bis Aristoteles und über ihn hinaus gebildet habe, weil ich das ganze vor dem einzelnen zu verstehn trachte, ist in dem eingangscapitel des nächsten buches dargelegt. hier nur noch die wenigen worte, die ich angesichts unserer traurigen über- lieferung von den einzelnen Atthiden zu sagen wage. Die gewesen wäre. er will das beweisen mit einem verwirrten artikel des Stephanus
Byz. Khaironeia, wo auf das citat Ellanikos en b Iereion Eras worte folgen, die offenbar den attischen feldzug des Tolmides von 447 angehn. es ist nur nicht abzusehn, weshalb man genötigt wäre die worte so zu verbinden, wie O. Müller und Meineke wollen: Khaironeia polis en tois orois Phokidos, citat dafür aus Hekataios; kekletai apo Khaironos, citat aus dem Boeoter Aristophanes, touton de muthologousin Apollonos kai Therous, os Ellanikos. was dann fehlt, ist deutlich zu sehen aen de Orkhomenion os o deinann, und das citat, in dem der ausdruck polis Orkhomenion vorkommt. dann der alte name Arne, und Homercitat. also für eine mythische genealogie ist Hellanikos zeuge, und dass er den Chairon in der chronik von Argos erwähnen konnte, ist nicht wunderbar: galt doch der haupt- cult Chaironeias dem scepter Agamemnons. Niese schliesst dann gar aus den worten Amprakiotai kai oi met auton Khaones kai Epeirotai (Steph. Khaonia) auf eine erzählung des amphilochischen krieges: das würde ich mich nicht getrauen, aber dass die geschicke des amphilochischen Argos in einer chronik der inachischen mutterstadt vorkamen, ist schliesslich nicht schlimmer, als dass die gründung der asiatischen pflanzstädte in der Atthis vorkam (Harpokr. Eruthraioi). die urteile auf dem Areopag hat Hellanikos allerdings gelegentlich des letzten über Orestes in einem excurse eingefügt, eben aus chronologischen rücksichten, weil es noch keine Atthis gab. vgl. über dies wichtigste bruchstück (schol. Eur. Or. 1644), was ich Comm. gramm. IV 11 gegen Niese, nur nicht scharf genug ablehnend, gesagt habe. I. 8. Die Atthis. so wenig und so zertrümmert, daſs es keine groſse mühe ist, es völligzu zerkrümeln. mit den resten von Melanthios, Kleidemos u. s. w. ge- traue ich mich es auf verlangen ebenso zu machen. aber ich habe es nicht so gemacht und halte die ganze methode für falsch. was mich zur annahme einer wirklichen attischen annalistik, einer urkundlichen überlieferung bis in sehr hohe zeit hinauf veranlaſst, steht teils hier, teils durch die meisten capitel dieses buches zerstreut. was mir aber noch wichtiger ist, die ansicht, die ich mir über die ganze überlieferung und das ganze litteraturleben der Hellenen bis Aristoteles und über ihn hinaus gebildet habe, weil ich das ganze vor dem einzelnen zu verstehn trachte, ist in dem eingangscapitel des nächsten buches dargelegt. hier nur noch die wenigen worte, die ich angesichts unserer traurigen über- lieferung von den einzelnen Atthiden zu sagen wage. Die gewesen wäre. er will das beweisen mit einem verwirrten artikel des Stephanus
Byz. Χαιϱώνεια, wo auf das citat Ἑλλάνικος ἐν β̕ Ἱεϱειῶν Ἥϱας worte folgen, die offenbar den attischen feldzug des Tolmides von 447 angehn. es ist nur nicht abzusehn, weshalb man genötigt wäre die worte so zu verbinden, wie O. Müller und Meineke wollen: Χαιϱώνεια πόλις ἐν τοῖς ὅϱοις Φωκίδος, citat dafür aus Hekataios; κέκληται ἀπὸ Χαίϱωνος, citat aus dem Boeoter Aristophanes, τοῦτον δὲ μυϑολογοῦσιν Ἀπόλλωνος καὶ Θηϱοῦς, ὡς Ἑλλάνικος. was dann fehlt, ist deutlich zu sehen áἦν δὲ Ὀϱχομενίων ὡς ὁ δεῖναñ, und das citat, in dem der ausdruck πόλις Ὀϱχομενίων vorkommt. dann der alte name Arne, und Homercitat. also für eine mythische genealogie ist Hellanikos zeuge, und daſs er den Chairon in der chronik von Argos erwähnen konnte, ist nicht wunderbar: galt doch der haupt- cult Chaironeias dem scepter Agamemnons. Niese schlieſst dann gar aus den worten Ἀμπϱακιῶται καὶ οἱ μετ̕ αὐτῶν Χάονες καὶ Ἠπειϱῶται (Steph. Χαονία) auf eine erzählung des amphilochischen krieges: das würde ich mich nicht getrauen, aber daſs die geschicke des amphilochischen Argos in einer chronik der inachischen mutterstadt vorkamen, ist schlieſslich nicht schlimmer, als daſs die gründung der asiatischen pflanzstädte in der Atthis vorkam (Harpokr. Ἐϱυϑϱαῖοι). die urteile auf dem Areopag hat Hellanikos allerdings gelegentlich des letzten über Orestes in einem excurse eingefügt, eben aus chronologischen rücksichten, weil es noch keine Atthis gab. vgl. über dies wichtigste bruchstück (schol. Eur. Or. 1644), was ich Comm. gramm. IV 11 gegen Niese, nur nicht scharf genug ablehnend, gesagt habe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0296" n="282"/><fw place="top" type="header">I. 8. Die Atthis.</fw><lb/> so wenig und so zertrümmert, daſs es keine groſse mühe ist, es völlig<lb/> zu zerkrümeln. mit den resten von Melanthios, Kleidemos u. s. w. ge-<lb/> traue ich mich es auf verlangen ebenso zu machen. aber ich habe es<lb/> nicht so gemacht und halte die ganze methode für falsch. was mich<lb/> zur annahme einer wirklichen attischen annalistik, einer urkundlichen<lb/> überlieferung bis in sehr hohe zeit hinauf veranlaſst, steht teils hier,<lb/> teils durch die meisten capitel dieses buches zerstreut. was mir aber<lb/> noch wichtiger ist, die ansicht, die ich mir über die ganze überlieferung<lb/> und das ganze litteraturleben der Hellenen bis Aristoteles und über ihn<lb/> hinaus gebildet habe, weil ich das ganze vor dem einzelnen zu verstehn<lb/> trachte, ist in dem eingangscapitel des nächsten buches dargelegt. hier<lb/> nur noch die wenigen worte, die ich angesichts unserer traurigen über-<lb/> lieferung von den einzelnen Atthiden zu sagen wage.</p><lb/> <p><note place="left">Die<lb/> einzelnen<lb/> Atthido-<lb/> graphen.</note>So lange die Athener geschichte machten, hatten ihre politiker keine<lb/> zeit, sie zu schreiben, und ihre schriftstellerischen talente hatten keine<lb/> zeit dazu, so lange die tragoedie lebte. so ist es gekommen, daſs der<lb/> fremde litterat Hellanikos die erste attische chronik geschrieben hat. da<lb/> er mehrere andere chroniken, namentlich die von Argos, vorher schon<lb/> behandelt hatte, war er auf synchronismen aus, und es kann sein, daſs<lb/> er die entscheidenden punkte, den fall von Ilios und die erste olympiade<lb/><note xml:id="note-0296" prev="#note-0295" place="foot" n="33)">gewesen wäre. er will das beweisen mit einem verwirrten artikel des Stephanus<lb/> Byz. Χαιϱώνεια, wo auf das citat Ἑλλάνικος ἐν β̕ Ἱεϱειῶν Ἥϱας worte folgen,<lb/> die offenbar den attischen feldzug des Tolmides von 447 angehn. es ist nur nicht<lb/> abzusehn, weshalb man genötigt wäre die worte so zu verbinden, wie O. Müller<lb/> und Meineke wollen: Χαιϱώνεια πόλις ἐν τοῖς ὅϱοις Φωκίδος, citat dafür aus<lb/> Hekataios; κέκληται ἀπὸ Χαίϱωνος, citat aus dem Boeoter Aristophanes, τοῦτον δὲ<lb/> μυϑολογοῦσιν Ἀπόλλωνος καὶ Θηϱοῦς, ὡς Ἑλλάνικος. was dann fehlt, ist deutlich<lb/> zu sehen áἦν δὲ Ὀϱχομενίων ὡς ὁ δεῖναñ, und das citat, in dem der ausdruck<lb/> πόλις Ὀϱχομενίων vorkommt. dann der alte name Arne, und Homercitat. also<lb/> für eine mythische genealogie ist Hellanikos zeuge, und daſs er den Chairon in der<lb/> chronik von Argos erwähnen konnte, ist nicht wunderbar: galt doch der haupt-<lb/> cult Chaironeias dem scepter Agamemnons. Niese schlieſst dann gar aus den<lb/> worten Ἀμπϱακιῶται καὶ οἱ μετ̕ αὐτῶν Χάονες καὶ Ἠπειϱῶται (Steph. Χαονία)<lb/> auf eine erzählung des amphilochischen krieges: das würde ich mich nicht getrauen,<lb/> aber daſs die geschicke des amphilochischen Argos in einer chronik der inachischen<lb/> mutterstadt vorkamen, ist schlieſslich nicht schlimmer, als daſs die gründung der<lb/> asiatischen pflanzstädte in der Atthis vorkam (Harpokr. Ἐϱυϑϱαῖοι). die urteile auf<lb/> dem Areopag hat Hellanikos allerdings gelegentlich des letzten über Orestes in<lb/> einem excurse eingefügt, eben aus chronologischen rücksichten, weil es noch keine<lb/> Atthis gab. vgl. über dies wichtigste bruchstück (schol. Eur. Or. 1644), was ich<lb/><hi rendition="#i">Comm. gramm</hi>. IV 11 gegen Niese, nur nicht scharf genug ablehnend, gesagt habe.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [282/0296]
I. 8. Die Atthis.
so wenig und so zertrümmert, daſs es keine groſse mühe ist, es völlig
zu zerkrümeln. mit den resten von Melanthios, Kleidemos u. s. w. ge-
traue ich mich es auf verlangen ebenso zu machen. aber ich habe es
nicht so gemacht und halte die ganze methode für falsch. was mich
zur annahme einer wirklichen attischen annalistik, einer urkundlichen
überlieferung bis in sehr hohe zeit hinauf veranlaſst, steht teils hier,
teils durch die meisten capitel dieses buches zerstreut. was mir aber
noch wichtiger ist, die ansicht, die ich mir über die ganze überlieferung
und das ganze litteraturleben der Hellenen bis Aristoteles und über ihn
hinaus gebildet habe, weil ich das ganze vor dem einzelnen zu verstehn
trachte, ist in dem eingangscapitel des nächsten buches dargelegt. hier
nur noch die wenigen worte, die ich angesichts unserer traurigen über-
lieferung von den einzelnen Atthiden zu sagen wage.
So lange die Athener geschichte machten, hatten ihre politiker keine
zeit, sie zu schreiben, und ihre schriftstellerischen talente hatten keine
zeit dazu, so lange die tragoedie lebte. so ist es gekommen, daſs der
fremde litterat Hellanikos die erste attische chronik geschrieben hat. da
er mehrere andere chroniken, namentlich die von Argos, vorher schon
behandelt hatte, war er auf synchronismen aus, und es kann sein, daſs
er die entscheidenden punkte, den fall von Ilios und die erste olympiade
33)
Die
einzelnen
Atthido-
graphen.
33) gewesen wäre. er will das beweisen mit einem verwirrten artikel des Stephanus
Byz. Χαιϱώνεια, wo auf das citat Ἑλλάνικος ἐν β̕ Ἱεϱειῶν Ἥϱας worte folgen,
die offenbar den attischen feldzug des Tolmides von 447 angehn. es ist nur nicht
abzusehn, weshalb man genötigt wäre die worte so zu verbinden, wie O. Müller
und Meineke wollen: Χαιϱώνεια πόλις ἐν τοῖς ὅϱοις Φωκίδος, citat dafür aus
Hekataios; κέκληται ἀπὸ Χαίϱωνος, citat aus dem Boeoter Aristophanes, τοῦτον δὲ
μυϑολογοῦσιν Ἀπόλλωνος καὶ Θηϱοῦς, ὡς Ἑλλάνικος. was dann fehlt, ist deutlich
zu sehen áἦν δὲ Ὀϱχομενίων ὡς ὁ δεῖναñ, und das citat, in dem der ausdruck
πόλις Ὀϱχομενίων vorkommt. dann der alte name Arne, und Homercitat. also
für eine mythische genealogie ist Hellanikos zeuge, und daſs er den Chairon in der
chronik von Argos erwähnen konnte, ist nicht wunderbar: galt doch der haupt-
cult Chaironeias dem scepter Agamemnons. Niese schlieſst dann gar aus den
worten Ἀμπϱακιῶται καὶ οἱ μετ̕ αὐτῶν Χάονες καὶ Ἠπειϱῶται (Steph. Χαονία)
auf eine erzählung des amphilochischen krieges: das würde ich mich nicht getrauen,
aber daſs die geschicke des amphilochischen Argos in einer chronik der inachischen
mutterstadt vorkamen, ist schlieſslich nicht schlimmer, als daſs die gründung der
asiatischen pflanzstädte in der Atthis vorkam (Harpokr. Ἐϱυϑϱαῖοι). die urteile auf
dem Areopag hat Hellanikos allerdings gelegentlich des letzten über Orestes in
einem excurse eingefügt, eben aus chronologischen rücksichten, weil es noch keine
Atthis gab. vgl. über dies wichtigste bruchstück (schol. Eur. Or. 1644), was ich
Comm. gramm. IV 11 gegen Niese, nur nicht scharf genug ablehnend, gesagt habe.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |