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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Bei Hermias. Erziehung Alexanders.
darunter, dass keine mächtige vormacht über ihr stand; tyrannen und
oligarchien stritten sich, und Athen, die beschützerin der demokratien,
sah sich genötigt mit den tyrannen mehr als einmal zu transigiren. für
Eresos, die heimat seiner jungen freunde, hat Aristoteles später bei
Philippos intervenirt: wir wissen ja durch die steine, wie heillos gerade
dort die verhältnisse zerrüttet waren. so war denn Lesbos, so hoch wir
auch die geistige regsamkeit der Aeoler schätzen müssen, die eine unver-
hältnismässig grosse zahl von philosophen gestellt haben35), aus äusseren
gründen kein günstiger boden für eine schule, wie sie Aristoteles plante.
das erleichterte ihm den entschluss, als könig Philippos ihn 343/2
aufforderte die erziehung seines dreizehnjährigen sohnes zu übernehmen.
durch die erwerbung der Chalkidike war Philippos der landesherr des
Aristoteles geworden, und seine herrschaft war keine leichte für die
Chalkidier36); bei seiner liebe zur heimat mochte dieser gern auch für sie
etwas gutes tun, hat es ja auch versucht und auch undank geerntet.37)
eine dauernde stellung konnte das hofmeisteramt nicht werden; anderer-
seits suchte Philippos seinen hof auf jede weise der bildung, die er
schätzte, zu öffnen, wie er denn sein volk energisch hellenisirte: hier
konnte ein feld für eine tätigkeit im sinne der Akademie sich eröffnen.
so nahm Aristoteles die berufung an, obgleich es wahrlich unter seiner
würde lag, knabenunterricht zu erteilen.

So war die situation, wie sie 343/2 den beteiligten erscheinenErziehung
Alexanders.

35) Auch Epikuros hatte einen freundeskreis in Mytilene. da auch die
ionischen und dorischen städte auf der südküste der Propontis an dem interesse
für philosophie, namentlich physik und astronomie, teilnehmen (vgl. Antig. Kar. 153),
so darf man von einem hellespontischen culturkreise reden, während es nur ein
beweis von gänzlichem mangel an einsicht in die geschichte ist, wenn die archaeo-
logen eine nordgriechische kunst erfinden: Thessalien, die Chalkidike, Thasos, Abdera
haben nur auf der karte nahe beziehungen. jene hellespontische bevölkerung ist
aber in ihrer grundlage aeolisch: das ionische und dorische liegt fast allerorten
auf einer solchen unterlage. bis in späte zeit ist der unterschied dieser Hellenen
von denen der ionischen zwölfstädte nicht verwischt, sondern teilt sich dem helle-
nisirten hinterlande mit. dass die Bithyner frischeres blut hatten als die Phryger
hat allerdings dazu auch mitgewirkt.
36) Dass die zerstörung der chalkidischen städte eine demosthenische über-
treibung ist, hat Köhler (Berl. Sitz. Ber. 28 Mai 1891) sehr belehrend gezeigt. aber
das ist nicht zu bestreiten, dass die Chalkidike für die cultur verschwindet; selbst
die versuche des Kassandros und seines tollen bruders Alexarchos haben daran nichts
geändert. die einverleibung in Makedonien bedeutet eben das aufgeben des helleni-
nischen städtischen sonderlebens.
37) Dion von Prusa 47, 9 ffg., nicht ohne irrtümer, aber unter berücksich-
tigung der aristotelischen briefe.

Bei Hermias. Erziehung Alexanders.
darunter, daſs keine mächtige vormacht über ihr stand; tyrannen und
oligarchien stritten sich, und Athen, die beschützerin der demokratien,
sah sich genötigt mit den tyrannen mehr als einmal zu transigiren. für
Eresos, die heimat seiner jungen freunde, hat Aristoteles später bei
Philippos intervenirt: wir wissen ja durch die steine, wie heillos gerade
dort die verhältnisse zerrüttet waren. so war denn Lesbos, so hoch wir
auch die geistige regsamkeit der Aeoler schätzen müssen, die eine unver-
hältnismäſsig groſse zahl von philosophen gestellt haben35), aus äuſseren
gründen kein günstiger boden für eine schule, wie sie Aristoteles plante.
das erleichterte ihm den entschluſs, als könig Philippos ihn 343/2
aufforderte die erziehung seines dreizehnjährigen sohnes zu übernehmen.
durch die erwerbung der Chalkidike war Philippos der landesherr des
Aristoteles geworden, und seine herrschaft war keine leichte für die
Chalkidier36); bei seiner liebe zur heimat mochte dieser gern auch für sie
etwas gutes tun, hat es ja auch versucht und auch undank geerntet.37)
eine dauernde stellung konnte das hofmeisteramt nicht werden; anderer-
seits suchte Philippos seinen hof auf jede weise der bildung, die er
schätzte, zu öffnen, wie er denn sein volk energisch hellenisirte: hier
konnte ein feld für eine tätigkeit im sinne der Akademie sich eröffnen.
so nahm Aristoteles die berufung an, obgleich es wahrlich unter seiner
würde lag, knabenunterricht zu erteilen.

So war die situation, wie sie 343/2 den beteiligten erscheinenErziehung
Alexanders.

35) Auch Epikuros hatte einen freundeskreis in Mytilene. da auch die
ionischen und dorischen städte auf der südküste der Propontis an dem interesse
für philosophie, namentlich physik und astronomie, teilnehmen (vgl. Antig. Kar. 153),
so darf man von einem hellespontischen culturkreise reden, während es nur ein
beweis von gänzlichem mangel an einsicht in die geschichte ist, wenn die archaeo-
logen eine nordgriechische kunst erfinden: Thessalien, die Chalkidike, Thasos, Abdera
haben nur auf der karte nahe beziehungen. jene hellespontische bevölkerung ist
aber in ihrer grundlage aeolisch: das ionische und dorische liegt fast allerorten
auf einer solchen unterlage. bis in späte zeit ist der unterschied dieser Hellenen
von denen der ionischen zwölfstädte nicht verwischt, sondern teilt sich dem helle-
nisirten hinterlande mit. daſs die Bithyner frischeres blut hatten als die Phryger
hat allerdings dazu auch mitgewirkt.
36) Daſs die zerstörung der chalkidischen städte eine demosthenische über-
treibung ist, hat Köhler (Berl. Sitz. Ber. 28 Mai 1891) sehr belehrend gezeigt. aber
das ist nicht zu bestreiten, daſs die Chalkidike für die cultur verschwindet; selbst
die versuche des Kassandros und seines tollen bruders Alexarchos haben daran nichts
geändert. die einverleibung in Makedonien bedeutet eben das aufgeben des helleni-
nischen städtischen sonderlebens.
37) Dion von Prusa 47, 9 ffg., nicht ohne irrtümer, aber unter berücksich-
tigung der aristotelischen briefe.
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[335/0349] Bei Hermias. Erziehung Alexanders. darunter, daſs keine mächtige vormacht über ihr stand; tyrannen und oligarchien stritten sich, und Athen, die beschützerin der demokratien, sah sich genötigt mit den tyrannen mehr als einmal zu transigiren. für Eresos, die heimat seiner jungen freunde, hat Aristoteles später bei Philippos intervenirt: wir wissen ja durch die steine, wie heillos gerade dort die verhältnisse zerrüttet waren. so war denn Lesbos, so hoch wir auch die geistige regsamkeit der Aeoler schätzen müssen, die eine unver- hältnismäſsig groſse zahl von philosophen gestellt haben 35), aus äuſseren gründen kein günstiger boden für eine schule, wie sie Aristoteles plante. das erleichterte ihm den entschluſs, als könig Philippos ihn 343/2 aufforderte die erziehung seines dreizehnjährigen sohnes zu übernehmen. durch die erwerbung der Chalkidike war Philippos der landesherr des Aristoteles geworden, und seine herrschaft war keine leichte für die Chalkidier 36); bei seiner liebe zur heimat mochte dieser gern auch für sie etwas gutes tun, hat es ja auch versucht und auch undank geerntet. 37) eine dauernde stellung konnte das hofmeisteramt nicht werden; anderer- seits suchte Philippos seinen hof auf jede weise der bildung, die er schätzte, zu öffnen, wie er denn sein volk energisch hellenisirte: hier konnte ein feld für eine tätigkeit im sinne der Akademie sich eröffnen. so nahm Aristoteles die berufung an, obgleich es wahrlich unter seiner würde lag, knabenunterricht zu erteilen. So war die situation, wie sie 343/2 den beteiligten erscheinen Erziehung Alexanders. 35) Auch Epikuros hatte einen freundeskreis in Mytilene. da auch die ionischen und dorischen städte auf der südküste der Propontis an dem interesse für philosophie, namentlich physik und astronomie, teilnehmen (vgl. Antig. Kar. 153), so darf man von einem hellespontischen culturkreise reden, während es nur ein beweis von gänzlichem mangel an einsicht in die geschichte ist, wenn die archaeo- logen eine nordgriechische kunst erfinden: Thessalien, die Chalkidike, Thasos, Abdera haben nur auf der karte nahe beziehungen. jene hellespontische bevölkerung ist aber in ihrer grundlage aeolisch: das ionische und dorische liegt fast allerorten auf einer solchen unterlage. bis in späte zeit ist der unterschied dieser Hellenen von denen der ionischen zwölfstädte nicht verwischt, sondern teilt sich dem helle- nisirten hinterlande mit. daſs die Bithyner frischeres blut hatten als die Phryger hat allerdings dazu auch mitgewirkt. 36) Daſs die zerstörung der chalkidischen städte eine demosthenische über- treibung ist, hat Köhler (Berl. Sitz. Ber. 28 Mai 1891) sehr belehrend gezeigt. aber das ist nicht zu bestreiten, daſs die Chalkidike für die cultur verschwindet; selbst die versuche des Kassandros und seines tollen bruders Alexarchos haben daran nichts geändert. die einverleibung in Makedonien bedeutet eben das aufgeben des helleni- nischen städtischen sonderlebens. 37) Dion von Prusa 47, 9 ffg., nicht ohne irrtümer, aber unter berücksich- tigung der aristotelischen briefe.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/349>, abgerufen am 22.11.2024.