Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Die geschichte des Kleisthenes. von denen seine tradition stammt, bewundern sollen. Aristoteles erzähltkurz, dass sie den bau übernahmen, othen euporesan khrematon.6) das ist so kurz, dass man sich's erst überlegen muss, wieso die übernahme einer leistung geld bringen kann. dann erschliesst man freilich, dass sie nach abschluss des contractes einen teil des bedungenen preises als baufonds erhielten und dies geld zu der anwerbung des freicorps wider die Peisistratiden verwandten. vollkommene aufklärung gibt ein auszug aus der attischen chronik, schol. Pind. Pyth. 7, 9 legetai gar oti ton Puthikon neon empresthenta, os tines (dies fügt D zu) phasin, upo ton Peisistratidon oi Alkmaionidai phugadeuthentes up auton upeskhonto anoikodomesein (so D für -mesai B), kai dexamenoi khre- mata kai sunagagontes dunamin epethento tois Peisistratidais kai nikesantes meta kharisterion (so D für eukhar. B) pleionon anokodo- mesan to theo to temenos, os Philokhoros istorei. das ist, so weit es hierher gehört, die unmittelbar einleuchtende wahrheit. die allerdings dreiste fabel, dass die bösen Peisistratiden den tempel angesteckt hätten, der 548/7 verbrannte7), während Peisistratos nicht einmal herr Athens war8), hat Boeckh durch eine conjectur beseitigen wollen, die schon deshalb falsch ist, weil damit das os tines phasi unverständlich wird, mit dem Philochoros seinen zweifel andeutet. wir sind nicht berechtigt, weder der verläumdung 6) Wir haben dahinter eine lücke angesetzt, weil pros ten ton Lakonon boetheian sich überhaupt nicht construiren lässt. vielleicht ist es aber richtiger, diese worte zu beseitigen, als zusatz eines lesers, der sich überlegte, wozu das geld dienen sollte, Lakones neben Lakedaimonioi, das in derselben zeile folgt, misfällt. die bestechung der Pythia konnte Aristoteles weglassen. in der tat bedarf es dieser annahme nicht: Delphi und Kleisthenes machten ein ganz solides geschäft durch ihre combinirte action, und es ist beiden gut bekommen. 7) Paus. X 5, 13 Euseb. chron. ungefähr in der gegend von ol. 58, 1, Herod. II 180; wenn dieser hervorhebt, dass der brand automatos geschah, so ist das nur die officielle delphische version; latente polemik gegen die beschuldigung der Pei- sistratiden liegt seiner art zu erzählen ganz fern. 8) Darum, ob der synchronismus stimmte, hat sich eine solche geschichte so wenig gekümmert wie Herodot I 56, als er den Kroisos sich überlegen liess, ob er nicht bei den Athenern, dem hervorragendsten ionischen staate, hilfe suchen sollte, was er dann wegen des druckes der tyrannis, die auf Athen lastete, unterlassen habe. das ist ein schriftstellerisches motiv, nur zu dem brauchbar was es bewirkt, der motivirung eines excurses; es hat genau so viel wert wie die übergänge in Ovids Metamorphosen. dass Athen damals nicht unter den tyrannen stand, dass die tyrannen es nicht herunter, sondern heraufgebracht haben, dass es um 550 eine stadt dritten ranges unter den ionischen war, kümmerte alles mit recht den Herodotos nicht. aber die modernen, die auf diesen synchronismus die Peisistratidenchrono- logie bauen, brauchen uns nicht zu kümmern. v. Wilamowitz, Aristoteles. 3
Die geschichte des Kleisthenes. von denen seine tradition stammt, bewundern sollen. Aristoteles erzähltkurz, daſs sie den bau übernahmen, ὅϑεν εὐπόϱησαν χϱημάτων.6) das ist so kurz, daſs man sich’s erst überlegen muſs, wieso die übernahme einer leistung geld bringen kann. dann erschlieſst man freilich, daſs sie nach abschluſs des contractes einen teil des bedungenen preises als baufonds erhielten und dies geld zu der anwerbung des freicorps wider die Peisistratiden verwandten. vollkommene aufklärung gibt ein auszug aus der attischen chronik, schol. Pind. Pyth. 7, 9 λέγεται γὰϱ ὅτι τὸν Πυϑικὸν νεὼν ἐμπϱησϑέντα, ὥς τινες (dies fügt D zu) φασίν, ὑπὸ τῶν Πεισιστϱατιδῶν οἱ Ἀλκμαιονίδαι φυγαδευϑέντες ὑπ̕ αὐτῶν ὑπέσχοντο ἀνοικοδομήσειν (so D für -μῆσαι B), καὶ δεξάμενοι χϱή- ματα καὶ συναγαγόντες δύναμιν ἐπέϑεντο τοῖς Πεισιστϱατίδαις καὶ νικήσαντες μετὰ χαϱιστηϱίων (so D für εὐχαϱ. B) πλειόνων ἀνῳκοδό- μησαν τῷ ϑεῷ τὸ τέμενος, ὡς Φιλόχοϱος ἱστοϱεῖ. das ist, so weit es hierher gehört, die unmittelbar einleuchtende wahrheit. die allerdings dreiste fabel, daſs die bösen Peisistratiden den tempel angesteckt hätten, der 548/7 verbrannte7), während Peisistratos nicht einmal herr Athens war8), hat Boeckh durch eine conjectur beseitigen wollen, die schon deshalb falsch ist, weil damit das ὥς τινες φασί unverständlich wird, mit dem Philochoros seinen zweifel andeutet. wir sind nicht berechtigt, weder der verläumdung 6) Wir haben dahinter eine lücke angesetzt, weil πϱὸς τὴν τῶν Λακώνων βοήϑειαν sich überhaupt nicht construiren läſst. vielleicht ist es aber richtiger, diese worte zu beseitigen, als zusatz eines lesers, der sich überlegte, wozu das geld dienen sollte, Λάκωνες neben Λακεδαιμόνιοι, das in derselben zeile folgt, misfällt. die bestechung der Pythia konnte Aristoteles weglassen. in der tat bedarf es dieser annahme nicht: Delphi und Kleisthenes machten ein ganz solides geschäft durch ihre combinirte action, und es ist beiden gut bekommen. 7) Paus. X 5, 13 Euseb. chron. ungefähr in der gegend von ol. 58, 1, Herod. II 180; wenn dieser hervorhebt, daſs der brand αὐτομάτως geschah, so ist das nur die officielle delphische version; latente polemik gegen die beschuldigung der Pei- sistratiden liegt seiner art zu erzählen ganz fern. 8) Darum, ob der synchronismus stimmte, hat sich eine solche geschichte so wenig gekümmert wie Herodot I 56, als er den Kroisos sich überlegen lieſs, ob er nicht bei den Athenern, dem hervorragendsten ionischen staate, hilfe suchen sollte, was er dann wegen des druckes der tyrannis, die auf Athen lastete, unterlassen habe. das ist ein schriftstellerisches motiv, nur zu dem brauchbar was es bewirkt, der motivirung eines excurses; es hat genau so viel wert wie die übergänge in Ovids Metamorphosen. daſs Athen damals nicht unter den tyrannen stand, daſs die tyrannen es nicht herunter, sondern heraufgebracht haben, daſs es um 550 eine stadt dritten ranges unter den ionischen war, kümmerte alles mit recht den Herodotos nicht. aber die modernen, die auf diesen synchronismus die Peisistratidenchrono- logie bauen, brauchen uns nicht zu kümmern. v. Wilamowitz, Aristoteles. 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="33"/><fw place="top" type="header">Die geschichte des Kleisthenes.</fw><lb/> von denen seine tradition stammt, bewundern sollen. Aristoteles erzählt<lb/> kurz, daſs sie den bau übernahmen, ὅϑεν εὐπόϱησαν χϱημάτων.<note place="foot" n="6)">Wir haben dahinter eine lücke angesetzt, weil πϱὸς τὴν τῶν Λακώνων<lb/> βοήϑειαν sich überhaupt nicht construiren läſst. vielleicht ist es aber richtiger,<lb/> diese worte zu beseitigen, als zusatz eines lesers, der sich überlegte, wozu das geld<lb/> dienen sollte, Λάκωνες neben Λακεδαιμόνιοι, das in derselben zeile folgt, misfällt.<lb/> die bestechung der Pythia konnte Aristoteles weglassen. in der tat bedarf es dieser<lb/> annahme nicht: Delphi und Kleisthenes machten ein ganz solides geschäft durch<lb/> ihre combinirte action, und es ist beiden gut bekommen.</note> das<lb/> ist so kurz, daſs man sich’s erst überlegen muſs, wieso die übernahme<lb/> einer leistung geld bringen kann. dann erschlieſst man freilich, daſs<lb/> sie nach abschluſs des contractes einen teil des bedungenen preises als<lb/> baufonds erhielten und dies geld zu der anwerbung des freicorps wider<lb/> die Peisistratiden verwandten. vollkommene aufklärung gibt ein auszug<lb/> aus der attischen chronik, schol. Pind. Pyth. 7, 9 λέγεται γὰϱ ὅτι τὸν<lb/> Πυϑικὸν νεὼν ἐμπϱησϑέντα, ὥς τινες (dies fügt <hi rendition="#i">D</hi> zu) φασίν, ὑπὸ<lb/> τῶν Πεισιστϱατιδῶν οἱ Ἀλκμαιονίδαι φυγαδευϑέντες ὑπ̕ αὐτῶν<lb/> ὑπέσχοντο ἀνοικοδομήσειν (so <hi rendition="#i">D</hi> für -μῆσαι <hi rendition="#i">B</hi>), καὶ δεξάμενοι χϱή-<lb/> ματα καὶ συναγαγόντες δύναμιν ἐπέϑεντο τοῖς Πεισιστϱατίδαις καὶ<lb/> νικήσαντες μετὰ χαϱιστηϱίων (so <hi rendition="#i">D</hi> für εὐχαϱ. <hi rendition="#i">B</hi>) πλειόνων ἀνῳκοδό-<lb/> μησαν τῷ ϑεῷ τὸ τέμενος, ὡς Φιλόχοϱος ἱστοϱεῖ. das ist, so weit es<lb/> hierher gehört, die unmittelbar einleuchtende wahrheit. die allerdings<lb/> dreiste fabel, daſs die bösen Peisistratiden den tempel angesteckt hätten, der<lb/> 548/7 verbrannte<note place="foot" n="7)">Paus. X 5, 13 Euseb. chron. ungefähr in der gegend von ol. 58, 1, Herod.<lb/> II 180; wenn dieser hervorhebt, daſs der brand αὐτομάτως geschah, so ist das nur<lb/> die officielle delphische version; latente polemik gegen die beschuldigung der Pei-<lb/> sistratiden liegt seiner art zu erzählen ganz fern.</note>, während Peisistratos nicht einmal herr Athens war<note place="foot" n="8)">Darum, ob der synchronismus stimmte, hat sich eine solche geschichte so<lb/> wenig gekümmert wie Herodot I 56, als er den Kroisos sich überlegen lieſs, ob er<lb/> nicht bei den Athenern, dem hervorragendsten ionischen staate, hilfe suchen sollte,<lb/> was er dann wegen des druckes der tyrannis, die auf Athen lastete, unterlassen<lb/> habe. das ist ein schriftstellerisches motiv, nur zu dem brauchbar was es bewirkt,<lb/> der motivirung eines excurses; es hat genau so viel wert wie die übergänge in<lb/> Ovids Metamorphosen. daſs Athen damals nicht unter den tyrannen stand, daſs die<lb/> tyrannen es nicht herunter, sondern heraufgebracht haben, daſs es um 550 eine stadt<lb/> dritten ranges unter den ionischen war, kümmerte alles mit recht den Herodotos<lb/> nicht. aber die modernen, die auf diesen synchronismus die Peisistratidenchrono-<lb/> logie bauen, brauchen uns nicht zu kümmern.</note>, hat<lb/> Boeckh durch eine conjectur beseitigen wollen, die schon deshalb falsch<lb/> ist, weil damit das ὥς τινες φασί unverständlich wird, mit dem Philochoros<lb/> seinen zweifel andeutet. wir sind nicht berechtigt, weder der verläumdung<lb/> <fw place="bottom" type="sig">v. Wilamowitz, Aristoteles. 3</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0047]
Die geschichte des Kleisthenes.
von denen seine tradition stammt, bewundern sollen. Aristoteles erzählt
kurz, daſs sie den bau übernahmen, ὅϑεν εὐπόϱησαν χϱημάτων. 6) das
ist so kurz, daſs man sich’s erst überlegen muſs, wieso die übernahme
einer leistung geld bringen kann. dann erschlieſst man freilich, daſs
sie nach abschluſs des contractes einen teil des bedungenen preises als
baufonds erhielten und dies geld zu der anwerbung des freicorps wider
die Peisistratiden verwandten. vollkommene aufklärung gibt ein auszug
aus der attischen chronik, schol. Pind. Pyth. 7, 9 λέγεται γὰϱ ὅτι τὸν
Πυϑικὸν νεὼν ἐμπϱησϑέντα, ὥς τινες (dies fügt D zu) φασίν, ὑπὸ
τῶν Πεισιστϱατιδῶν οἱ Ἀλκμαιονίδαι φυγαδευϑέντες ὑπ̕ αὐτῶν
ὑπέσχοντο ἀνοικοδομήσειν (so D für -μῆσαι B), καὶ δεξάμενοι χϱή-
ματα καὶ συναγαγόντες δύναμιν ἐπέϑεντο τοῖς Πεισιστϱατίδαις καὶ
νικήσαντες μετὰ χαϱιστηϱίων (so D für εὐχαϱ. B) πλειόνων ἀνῳκοδό-
μησαν τῷ ϑεῷ τὸ τέμενος, ὡς Φιλόχοϱος ἱστοϱεῖ. das ist, so weit es
hierher gehört, die unmittelbar einleuchtende wahrheit. die allerdings
dreiste fabel, daſs die bösen Peisistratiden den tempel angesteckt hätten, der
548/7 verbrannte 7), während Peisistratos nicht einmal herr Athens war 8), hat
Boeckh durch eine conjectur beseitigen wollen, die schon deshalb falsch
ist, weil damit das ὥς τινες φασί unverständlich wird, mit dem Philochoros
seinen zweifel andeutet. wir sind nicht berechtigt, weder der verläumdung
6) Wir haben dahinter eine lücke angesetzt, weil πϱὸς τὴν τῶν Λακώνων
βοήϑειαν sich überhaupt nicht construiren läſst. vielleicht ist es aber richtiger,
diese worte zu beseitigen, als zusatz eines lesers, der sich überlegte, wozu das geld
dienen sollte, Λάκωνες neben Λακεδαιμόνιοι, das in derselben zeile folgt, misfällt.
die bestechung der Pythia konnte Aristoteles weglassen. in der tat bedarf es dieser
annahme nicht: Delphi und Kleisthenes machten ein ganz solides geschäft durch
ihre combinirte action, und es ist beiden gut bekommen.
7) Paus. X 5, 13 Euseb. chron. ungefähr in der gegend von ol. 58, 1, Herod.
II 180; wenn dieser hervorhebt, daſs der brand αὐτομάτως geschah, so ist das nur
die officielle delphische version; latente polemik gegen die beschuldigung der Pei-
sistratiden liegt seiner art zu erzählen ganz fern.
8) Darum, ob der synchronismus stimmte, hat sich eine solche geschichte so
wenig gekümmert wie Herodot I 56, als er den Kroisos sich überlegen lieſs, ob er
nicht bei den Athenern, dem hervorragendsten ionischen staate, hilfe suchen sollte,
was er dann wegen des druckes der tyrannis, die auf Athen lastete, unterlassen
habe. das ist ein schriftstellerisches motiv, nur zu dem brauchbar was es bewirkt,
der motivirung eines excurses; es hat genau so viel wert wie die übergänge in
Ovids Metamorphosen. daſs Athen damals nicht unter den tyrannen stand, daſs die
tyrannen es nicht herunter, sondern heraufgebracht haben, daſs es um 550 eine stadt
dritten ranges unter den ionischen war, kümmerte alles mit recht den Herodotos
nicht. aber die modernen, die auf diesen synchronismus die Peisistratidenchrono-
logie bauen, brauchen uns nicht zu kümmern.
v. Wilamowitz, Aristoteles. 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |