Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 3. Solon. der solonischen auxesis mit dem zuschlag zu mass und gewicht injenem gesetze wird man deshalb nicht irre zu werden brauchen.6) das bedingt dann freilich die annahme, dass Aristoteles nicht verstanden hat, was Androtion meinte, dem er folgte, ja dass er die Pheidonischen masse, von denen er in andern Politien berichtete, in ihrem wahren verhältnis zu den attischen nicht gekannt hat, sich auch von diesen sachen schlechter- dings keine vorstellung zu machen versucht hat. das ist schlimm; aber die unzweideutige stelle über die münze zwingt zu diesem zugeständnis, und wir werden uns damit abfinden, dass derselbe Aristoteles, den wir uns fast als epigraphiker dachten, dem Epicharm die erfindung von ThKh, dem Simonides die von EKsPsO zugeschrieben hat (fgm. 301 Rose vgl. 638). er hat weder die gesetze Solons auf den kurbeis noch den vertrag zwischen Lykurgos und Iphitos auf dem diskos selbst gelesen. Selbstverständlich ist es für die beurteilung des Aristoteles bezeich- Der act der 6) Seitdem dies geschrieben war, hat Nissen in der zweiten auflage seiner
metrologie die sache behandelt; er hat seine hypothesen auf einen text gebaut, den er doch wirklich nicht für verständliches griechisch ausgeben kann. dann ist die sehr fördernde besprechung von C. F. Lehmann im Hermes 1892 erschienen, der über die münzreform ebenso urteilt wie ich, mit vollem rechte betont dass zwischen den pheidonischen massen und der aiginetischen münzprägung ein unterschied ist, und als neue tatsache würdigt, dass das pheidonische mass in Athen galt. wenn sie nur richtig ist; dass Aristoteles 'altes mass' und 'pheidonisches mass' ungeprüft gleichsetzen konnte, ist ein verdacht, dem ich mich nicht verschliessen kann. in betreff der gewichte greift Lehmann zu dem gewaltmittel, so oder so zu con- jiciren, ohne dass für irgend eine conjectur philologisch eine wahrscheinlichkeit erreicht würde. das heisst, wir verstehen diesen satz eigentlich noch nicht; das muss ich ja selbst sagen. die erklärung, die Sandys nach Ridgeway gibt, geht von dem misverständnisse aus, dass der letzte satz von münzen statt von gewichten handele. I. 3. Solon. der solonischen αὔξησις mit dem zuschlag zu maſs und gewicht injenem gesetze wird man deshalb nicht irre zu werden brauchen.6) das bedingt dann freilich die annahme, daſs Aristoteles nicht verstanden hat, was Androtion meinte, dem er folgte, ja daſs er die Pheidonischen maſse, von denen er in andern Politien berichtete, in ihrem wahren verhältnis zu den attischen nicht gekannt hat, sich auch von diesen sachen schlechter- dings keine vorstellung zu machen versucht hat. das ist schlimm; aber die unzweideutige stelle über die münze zwingt zu diesem zugeständnis, und wir werden uns damit abfinden, daſs derselbe Aristoteles, den wir uns fast als epigraphiker dachten, dem Epicharm die erfindung von ΘΧ, dem Simonides die von ΗΞΨΩ zugeschrieben hat (fgm. 301 Rose vgl. 638). er hat weder die gesetze Solons auf den κύϱβεις noch den vertrag zwischen Lykurgos und Iphitos auf dem diskos selbst gelesen. Selbstverständlich ist es für die beurteilung des Aristoteles bezeich- Der act der 6) Seitdem dies geschrieben war, hat Nissen in der zweiten auflage seiner
metrologie die sache behandelt; er hat seine hypothesen auf einen text gebaut, den er doch wirklich nicht für verständliches griechisch ausgeben kann. dann ist die sehr fördernde besprechung von C. F. Lehmann im Hermes 1892 erschienen, der über die münzreform ebenso urteilt wie ich, mit vollem rechte betont daſs zwischen den pheidonischen maſsen und der aiginetischen münzprägung ein unterschied ist, und als neue tatsache würdigt, daſs das pheidonische maſs in Athen galt. wenn sie nur richtig ist; daſs Aristoteles ‘altes maſs’ und ‘pheidonisches maſs’ ungeprüft gleichsetzen konnte, ist ein verdacht, dem ich mich nicht verschlieſsen kann. in betreff der gewichte greift Lehmann zu dem gewaltmittel, so oder so zu con- jiciren, ohne daſs für irgend eine conjectur philologisch eine wahrscheinlichkeit erreicht würde. das heiſst, wir verstehen diesen satz eigentlich noch nicht; das muſs ich ja selbst sagen. die erklärung, die Sandys nach Ridgeway gibt, geht von dem misverständnisse aus, daſs der letzte satz von münzen statt von gewichten handele. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0058" n="44"/><fw place="top" type="header">I. 3. Solon.</fw><lb/> der solonischen αὔξησις mit dem zuschlag zu maſs und gewicht in<lb/> jenem gesetze wird man deshalb nicht irre zu werden brauchen.<note place="foot" n="6)">Seitdem dies geschrieben war, hat Nissen in der zweiten auflage seiner<lb/> metrologie die sache behandelt; er hat seine hypothesen auf einen text gebaut, den<lb/> er doch wirklich nicht für verständliches griechisch ausgeben kann. dann ist die<lb/> sehr fördernde besprechung von C. F. Lehmann im Hermes 1892 erschienen, der über<lb/> die münzreform ebenso urteilt wie ich, mit vollem rechte betont daſs zwischen den<lb/> pheidonischen maſsen und der aiginetischen münzprägung ein unterschied ist, und<lb/> als neue tatsache würdigt, daſs das pheidonische maſs in Athen galt. wenn sie<lb/> nur richtig ist; daſs Aristoteles ‘altes maſs’ und ‘pheidonisches maſs’ ungeprüft<lb/> gleichsetzen konnte, ist ein verdacht, dem ich mich nicht verschlieſsen kann. in<lb/> betreff der gewichte greift Lehmann zu dem gewaltmittel, so oder so zu con-<lb/> jiciren, ohne daſs für irgend eine conjectur philologisch eine wahrscheinlichkeit erreicht<lb/> würde. das heiſst, wir verstehen diesen satz eigentlich noch nicht; das muſs ich<lb/> ja selbst sagen. die erklärung, die Sandys nach Ridgeway gibt, geht von dem<lb/> misverständnisse aus, daſs der letzte satz von münzen statt von gewichten handele.</note> das<lb/> bedingt dann freilich die annahme, daſs Aristoteles nicht verstanden hat,<lb/> was Androtion meinte, dem er folgte, ja daſs er die Pheidonischen maſse,<lb/> von denen er in andern Politien berichtete, in ihrem wahren verhältnis<lb/> zu den attischen nicht gekannt hat, sich auch von diesen sachen schlechter-<lb/> dings keine vorstellung zu machen versucht hat. das ist schlimm; aber<lb/> die unzweideutige stelle über die münze zwingt zu diesem zugeständnis,<lb/> und wir werden uns damit abfinden, daſs derselbe Aristoteles, den wir<lb/> uns fast als epigraphiker dachten, dem Epicharm die erfindung von ΘΧ,<lb/> dem Simonides die von ΗΞΨΩ zugeschrieben hat (fgm. 301 Rose<lb/> vgl. 638). er hat weder die gesetze Solons auf den κύϱβεις noch den<lb/> vertrag zwischen Lykurgos und Iphitos auf dem diskos selbst gelesen.</p><lb/> <p>Selbstverständlich ist es für die beurteilung des Aristoteles bezeich-<lb/> nend, daſs er hier dem Androtion folgt, ohne ihn zu verstehn. das<lb/> kann jeder ausschreiber gerade so. aber von politik und geschichte ver-<lb/> stand er etwas; darum erzählt er dem Androtion nicht nach, daſs die<lb/> niederschlagung aller schulden nur eine conversion gewesen wäre,<lb/> würdigt vielmehr diese hypothese des finanzmanns keiner widerlegung.<lb/> das kann ein ausschreiber nicht, und es ist nicht minder bezeichnend.</p><lb/> <p><note place="left">Der act der<lb/> gesetz-<lb/> gebung.</note>Das capitel über die münzreform ist ein nachtrag; für die herkunft<lb/> des hauptberichtes beweist es nichts. sehen wir also diesen an. die<lb/> erste und wichtigste tat Solons, die aufhebung der schuldknechtschaft<lb/> und die schuldentilgung wird nur als factum berichtet. daſs wuſste<lb/> Aristoteles ohne ein buch aufzuschlagen. aber stilistisch ist die ganze<lb/> frühere darstellung darauf angelegt, δανείζεσϑαι ἐπὶ τοῖς σώμασιν,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0058]
I. 3. Solon.
der solonischen αὔξησις mit dem zuschlag zu maſs und gewicht in
jenem gesetze wird man deshalb nicht irre zu werden brauchen. 6) das
bedingt dann freilich die annahme, daſs Aristoteles nicht verstanden hat,
was Androtion meinte, dem er folgte, ja daſs er die Pheidonischen maſse,
von denen er in andern Politien berichtete, in ihrem wahren verhältnis
zu den attischen nicht gekannt hat, sich auch von diesen sachen schlechter-
dings keine vorstellung zu machen versucht hat. das ist schlimm; aber
die unzweideutige stelle über die münze zwingt zu diesem zugeständnis,
und wir werden uns damit abfinden, daſs derselbe Aristoteles, den wir
uns fast als epigraphiker dachten, dem Epicharm die erfindung von ΘΧ,
dem Simonides die von ΗΞΨΩ zugeschrieben hat (fgm. 301 Rose
vgl. 638). er hat weder die gesetze Solons auf den κύϱβεις noch den
vertrag zwischen Lykurgos und Iphitos auf dem diskos selbst gelesen.
Selbstverständlich ist es für die beurteilung des Aristoteles bezeich-
nend, daſs er hier dem Androtion folgt, ohne ihn zu verstehn. das
kann jeder ausschreiber gerade so. aber von politik und geschichte ver-
stand er etwas; darum erzählt er dem Androtion nicht nach, daſs die
niederschlagung aller schulden nur eine conversion gewesen wäre,
würdigt vielmehr diese hypothese des finanzmanns keiner widerlegung.
das kann ein ausschreiber nicht, und es ist nicht minder bezeichnend.
Das capitel über die münzreform ist ein nachtrag; für die herkunft
des hauptberichtes beweist es nichts. sehen wir also diesen an. die
erste und wichtigste tat Solons, die aufhebung der schuldknechtschaft
und die schuldentilgung wird nur als factum berichtet. daſs wuſste
Aristoteles ohne ein buch aufzuschlagen. aber stilistisch ist die ganze
frühere darstellung darauf angelegt, δανείζεσϑαι ἐπὶ τοῖς σώμασιν,
Der act der
gesetz-
gebung.
6) Seitdem dies geschrieben war, hat Nissen in der zweiten auflage seiner
metrologie die sache behandelt; er hat seine hypothesen auf einen text gebaut, den
er doch wirklich nicht für verständliches griechisch ausgeben kann. dann ist die
sehr fördernde besprechung von C. F. Lehmann im Hermes 1892 erschienen, der über
die münzreform ebenso urteilt wie ich, mit vollem rechte betont daſs zwischen den
pheidonischen maſsen und der aiginetischen münzprägung ein unterschied ist, und
als neue tatsache würdigt, daſs das pheidonische maſs in Athen galt. wenn sie
nur richtig ist; daſs Aristoteles ‘altes maſs’ und ‘pheidonisches maſs’ ungeprüft
gleichsetzen konnte, ist ein verdacht, dem ich mich nicht verschlieſsen kann. in
betreff der gewichte greift Lehmann zu dem gewaltmittel, so oder so zu con-
jiciren, ohne daſs für irgend eine conjectur philologisch eine wahrscheinlichkeit erreicht
würde. das heiſst, wir verstehen diesen satz eigentlich noch nicht; das muſs ich
ja selbst sagen. die erklärung, die Sandys nach Ridgeway gibt, geht von dem
misverständnisse aus, daſs der letzte satz von münzen statt von gewichten handele.
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