Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.I. 3. Solon. übertriebene oligarchie beseitigt und durch eine richtige mischung derverfassung die ächte 38) demokratie begründet. denn der rat auf dem Areshügel sei oligarchisch, die wahl der beamten (d. h. ihre besetzung durch die begüterten) aristokratisch, das volksgericht demokratisch". dieses günstige urteil schränkt Aristoteles durch die tatsächliche berichtigung ein. "man muss aber als wahrscheinlich betrachten, dass der Areopag und die wahl der beamten schon vor Solon bestanden haben, und er sie nur nicht abgeschafft hat. die volksherrschaft aber hat er begründet, indem er die geschwornen aus allen Athenern nahm". nun kommen die tadler zu worte. "denn er habe alles übrige zerstört, indem er dem volksgericht, das ja durch das los bestimmt ward, die entscheidung in allem verlieh. denn als das einmal die macht hatte, hätten sie ihm wie einem tyrannen zu gefallen, die verfassung zu der jetzigen demokratie gemacht.39) den areopagitischen rat hätten Ephialtes und Perikles 40) beschränkt, die diaeten für die richter 38) demokratian katastesai ten patrion. die wortstellung hebt das schlag- wort als solches hervor. was die leute wie Theramenes mit diesen biedern demo- kraten gegenüber den dreissig vereinte, und was sie von ihnen schied, liegt darin, dass sie ten patrion politeian diokousi, vgl. 29, 3, 34, 3 und mein capitel "patrios politeia". 39) eis ten nun demokratian katestesan, nicht, wie conjicirt ist, mete- stesan: sonst wäre ja eine umgestaltung der solonischen verfassung zugestanden, während diese kritiker ihn für die nun katastasis verantworlich machen. 40) Die beteiligung des Perikles darf nicht mehr beanstandet werden, da Aristo-
teles selbst bezeugt (27, 1), dass er dem Areopag rechte genommen hat, geschweige denn dass man den Themistokles hinter Ephialtes einsetze; die anekdote hat Aristo- teles sogar schwerlich damals schon gekannt. vielmehr zeigt sich, dass Plutarch (Per. 9) einem wolunterrichteten gewährsmanne (Theopomp) folgt, wenn er unmittel- bar hinter der einführung des soldes die beschränkung des Areopages durch Perikles erwähnt. Plutarch hat nur selbst verwirrung gestiftet, indem er von sich aus den ihm bekannten Ephialtes einmischt und dahinter den ostrakismos Kimons. als an- tragsteller wider den Areopag wird sich Perikles des Archestratos bedient haben, dessen gesetze die dreissig cassirten (35, 2). das ist Arkhestratos Lukomedous Phlueus, der beim volke die abschaffung der gerichtshoheit der Chalkidier durchsetzt (CIA IV p. 11), gegen Poteidaia stratege ist, und 429/28 obmann der schatzmeister Athenas (CIA I 122). den vatersnamen, der auf die Lykomiden deutet, gibt Thuky- dides (I 57), den demos, den man wünscht, die schatzmeisterurkunde, wo ein name von fünf, wie in der nächsten, oder von sechs buchstaben, wie in der übernächsten zeile gefordert wird. sein bruder wird der feldherr Kleomedes Lukomedous Phlueus sein (CIA IV p. 32). ob der demokrat Khaireas Arkhestratou, 411 tamias tes Paralou (Thuk. VIII 74), sein sohn ist, bleibt ungewiss. denn einen Khaireas hat Eupolis in den Bapten als xenos bezeichnet, womit der scholiast vergeblich den Khaireou uios erklären will, der als sunegoros in den Wespen 687 vorkommt, und den ich nicht kenne. ein Archestratos lebte damals, der sehr hässlich war und I. 3. Solon. übertriebene oligarchie beseitigt und durch eine richtige mischung derverfassung die ächte 38) demokratie begründet. denn der rat auf dem Areshügel sei oligarchisch, die wahl der beamten (d. h. ihre besetzung durch die begüterten) aristokratisch, das volksgericht demokratisch”. dieses günstige urteil schränkt Aristoteles durch die tatsächliche berichtigung ein. “man muſs aber als wahrscheinlich betrachten, daſs der Areopag und die wahl der beamten schon vor Solon bestanden haben, und er sie nur nicht abgeschafft hat. die volksherrschaft aber hat er begründet, indem er die geschwornen aus allen Athenern nahm”. nun kommen die tadler zu worte. “denn er habe alles übrige zerstört, indem er dem volksgericht, das ja durch das los bestimmt ward, die entscheidung in allem verlieh. denn als das einmal die macht hatte, hätten sie ihm wie einem tyrannen zu gefallen, die verfassung zu der jetzigen demokratie gemacht.39) den areopagitischen rat hätten Ephialtes und Perikles 40) beschränkt, die diaeten für die richter 38) δημοκϱατίαν καταστῆσαι τὴν πάτϱιον. die wortstellung hebt das schlag- wort als solches hervor. was die leute wie Theramenes mit diesen biedern demo- kraten gegenüber den dreiſsig vereinte, und was sie von ihnen schied, liegt darin, daſs sie τὴν πάτϱιον πολιτείαν διώκουσι, vgl. 29, 3, 34, 3 und mein capitel “πάτϱιος πολιτεία”. 39) εἰς τὴν νῦν δημοκϱατίαν κατέστησαν, nicht, wie conjicirt ist, μετέ- στησαν: sonst wäre ja eine umgestaltung der solonischen verfassung zugestanden, während diese kritiker ihn für die νῦν κατάστασις verantworlich machen. 40) Die beteiligung des Perikles darf nicht mehr beanstandet werden, da Aristo-
teles selbst bezeugt (27, 1), daſs er dem Areopag rechte genommen hat, geschweige denn daſs man den Themistokles hinter Ephialtes einsetze; die anekdote hat Aristo- teles sogar schwerlich damals schon gekannt. vielmehr zeigt sich, daſs Plutarch (Per. 9) einem wolunterrichteten gewährsmanne (Theopomp) folgt, wenn er unmittel- bar hinter der einführung des soldes die beschränkung des Areopages durch Perikles erwähnt. Plutarch hat nur selbst verwirrung gestiftet, indem er von sich aus den ihm bekannten Ephialtes einmischt und dahinter den ostrakismos Kimons. als an- tragsteller wider den Areopag wird sich Perikles des Archestratos bedient haben, dessen gesetze die dreiſsig cassirten (35, 2). das ist Ἀϱχέστϱατος Λυκομήδους Φλυεύς, der beim volke die abschaffung der gerichtshoheit der Chalkidier durchsetzt (CIA IV p. 11), gegen Poteidaia stratege ist, und 429/28 obmann der schatzmeister Athenas (CIA I 122). den vatersnamen, der auf die Lykomiden deutet, gibt Thuky- dides (I 57), den demos, den man wünscht, die schatzmeisterurkunde, wo ein name von fünf, wie in der nächsten, oder von sechs buchstaben, wie in der übernächsten zeile gefordert wird. sein bruder wird der feldherr Κλεομήδης Λυκομήδους Φλυεύς sein (CIA IV p. 32). ob der demokrat Χαιϱέας Ἀϱχεστϱάτου, 411 ταμίας τῆς Παϱάλου (Thuk. VIII 74), sein sohn ist, bleibt ungewiſs. denn einen Χαιϱέας hat Eupolis in den Bapten als ξένος bezeichnet, womit der scholiast vergeblich den Χαιϱέου υἱός erklären will, der als συνήγοϱος in den Wespen 687 vorkommt, und den ich nicht kenne. ein Archestratos lebte damals, der sehr häſslich war und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0082" n="68"/><fw place="top" type="header">I. 3. Solon.</fw><lb/> übertriebene oligarchie beseitigt und durch eine richtige mischung der<lb/> verfassung die ächte <note place="foot" n="38)">δημοκϱατίαν καταστῆσαι τὴν πάτϱιον. die wortstellung hebt das schlag-<lb/> wort als solches hervor. was die leute wie Theramenes mit diesen biedern demo-<lb/> kraten gegenüber den dreiſsig vereinte, und was sie von ihnen schied, liegt darin,<lb/> daſs sie τὴν πάτϱιον πολιτείαν διώκουσι, vgl. 29, 3, 34, 3 und mein capitel “πάτϱιος<lb/> πολιτεία”.</note> demokratie begründet. denn der rat auf dem<lb/> Areshügel sei oligarchisch, die wahl der beamten (d. h. ihre besetzung<lb/> durch die begüterten) aristokratisch, das volksgericht demokratisch”. dieses<lb/> günstige urteil schränkt Aristoteles durch die tatsächliche berichtigung ein.<lb/> “man muſs aber als wahrscheinlich betrachten, daſs der Areopag und die<lb/> wahl der beamten schon vor Solon bestanden haben, und er sie nur nicht<lb/> abgeschafft hat. die volksherrschaft aber hat er begründet, indem er die<lb/> geschwornen aus allen Athenern nahm”. nun kommen die tadler zu worte.<lb/> “denn er habe alles übrige zerstört, indem er dem volksgericht, das ja durch<lb/> das los bestimmt ward, die entscheidung in allem verlieh. denn als das<lb/> einmal die macht hatte, hätten sie ihm wie einem tyrannen zu gefallen,<lb/> die verfassung zu der jetzigen demokratie gemacht.<note place="foot" n="39)">εἰς τὴν νῦν δημοκϱατίαν κατέστησαν, nicht, wie conjicirt ist, μετέ-<lb/> στησαν: sonst wäre ja eine umgestaltung der solonischen verfassung zugestanden,<lb/> während diese kritiker ihn für die νῦν κατάστασις verantworlich machen.</note> den areopagitischen<lb/> rat hätten Ephialtes und Perikles <note xml:id="note-0082" next="#note-0083" place="foot" n="40)">Die beteiligung des Perikles darf nicht mehr beanstandet werden, da Aristo-<lb/> teles selbst bezeugt (27, 1), daſs er dem Areopag rechte genommen hat, geschweige<lb/> denn daſs man den Themistokles hinter Ephialtes einsetze; die anekdote hat Aristo-<lb/> teles sogar schwerlich damals schon gekannt. vielmehr zeigt sich, daſs Plutarch<lb/> (Per. 9) einem wolunterrichteten gewährsmanne (Theopomp) folgt, wenn er unmittel-<lb/> bar hinter der einführung des soldes die beschränkung des Areopages durch Perikles<lb/> erwähnt. Plutarch hat nur selbst verwirrung gestiftet, indem er von sich aus den<lb/> ihm bekannten Ephialtes einmischt und dahinter den ostrakismos Kimons. als an-<lb/> tragsteller wider den Areopag wird sich Perikles des Archestratos bedient haben,<lb/> dessen gesetze die dreiſsig cassirten (35, 2). das ist Ἀϱχέστϱατος Λυκομήδους<lb/> Φλυεύς, der beim volke die abschaffung der gerichtshoheit der Chalkidier durchsetzt<lb/> (CIA IV p. 11), gegen Poteidaia stratege ist, und 429/28 obmann der schatzmeister<lb/> Athenas (CIA I 122). den vatersnamen, der auf die Lykomiden deutet, gibt Thuky-<lb/> dides (I 57), den demos, den man wünscht, die schatzmeisterurkunde, wo ein name von<lb/> fünf, wie in der nächsten, oder von sechs buchstaben, wie in der übernächsten<lb/> zeile gefordert wird. sein bruder wird der feldherr Κλεομήδης Λυκομήδους Φλυεύς<lb/> sein (CIA IV p. 32). ob der demokrat Χαιϱέας Ἀϱχεστϱάτου, 411 ταμίας τῆς<lb/> Παϱάλου (Thuk. VIII 74), sein sohn ist, bleibt ungewiſs. denn einen Χαιϱέας hat<lb/> Eupolis in den Bapten als ξένος bezeichnet, womit der scholiast vergeblich den<lb/> Χαιϱέου υἱός erklären will, der als συνήγοϱος in den Wespen 687 vorkommt, und<lb/> den ich nicht kenne. ein Archestratos lebte damals, der sehr häſslich war und</note> beschränkt, die diaeten für die richter<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0082]
I. 3. Solon.
übertriebene oligarchie beseitigt und durch eine richtige mischung der
verfassung die ächte 38) demokratie begründet. denn der rat auf dem
Areshügel sei oligarchisch, die wahl der beamten (d. h. ihre besetzung
durch die begüterten) aristokratisch, das volksgericht demokratisch”. dieses
günstige urteil schränkt Aristoteles durch die tatsächliche berichtigung ein.
“man muſs aber als wahrscheinlich betrachten, daſs der Areopag und die
wahl der beamten schon vor Solon bestanden haben, und er sie nur nicht
abgeschafft hat. die volksherrschaft aber hat er begründet, indem er die
geschwornen aus allen Athenern nahm”. nun kommen die tadler zu worte.
“denn er habe alles übrige zerstört, indem er dem volksgericht, das ja durch
das los bestimmt ward, die entscheidung in allem verlieh. denn als das
einmal die macht hatte, hätten sie ihm wie einem tyrannen zu gefallen,
die verfassung zu der jetzigen demokratie gemacht. 39) den areopagitischen
rat hätten Ephialtes und Perikles 40) beschränkt, die diaeten für die richter
38) δημοκϱατίαν καταστῆσαι τὴν πάτϱιον. die wortstellung hebt das schlag-
wort als solches hervor. was die leute wie Theramenes mit diesen biedern demo-
kraten gegenüber den dreiſsig vereinte, und was sie von ihnen schied, liegt darin,
daſs sie τὴν πάτϱιον πολιτείαν διώκουσι, vgl. 29, 3, 34, 3 und mein capitel “πάτϱιος
πολιτεία”.
39) εἰς τὴν νῦν δημοκϱατίαν κατέστησαν, nicht, wie conjicirt ist, μετέ-
στησαν: sonst wäre ja eine umgestaltung der solonischen verfassung zugestanden,
während diese kritiker ihn für die νῦν κατάστασις verantworlich machen.
40) Die beteiligung des Perikles darf nicht mehr beanstandet werden, da Aristo-
teles selbst bezeugt (27, 1), daſs er dem Areopag rechte genommen hat, geschweige
denn daſs man den Themistokles hinter Ephialtes einsetze; die anekdote hat Aristo-
teles sogar schwerlich damals schon gekannt. vielmehr zeigt sich, daſs Plutarch
(Per. 9) einem wolunterrichteten gewährsmanne (Theopomp) folgt, wenn er unmittel-
bar hinter der einführung des soldes die beschränkung des Areopages durch Perikles
erwähnt. Plutarch hat nur selbst verwirrung gestiftet, indem er von sich aus den
ihm bekannten Ephialtes einmischt und dahinter den ostrakismos Kimons. als an-
tragsteller wider den Areopag wird sich Perikles des Archestratos bedient haben,
dessen gesetze die dreiſsig cassirten (35, 2). das ist Ἀϱχέστϱατος Λυκομήδους
Φλυεύς, der beim volke die abschaffung der gerichtshoheit der Chalkidier durchsetzt
(CIA IV p. 11), gegen Poteidaia stratege ist, und 429/28 obmann der schatzmeister
Athenas (CIA I 122). den vatersnamen, der auf die Lykomiden deutet, gibt Thuky-
dides (I 57), den demos, den man wünscht, die schatzmeisterurkunde, wo ein name von
fünf, wie in der nächsten, oder von sechs buchstaben, wie in der übernächsten
zeile gefordert wird. sein bruder wird der feldherr Κλεομήδης Λυκομήδους Φλυεύς
sein (CIA IV p. 32). ob der demokrat Χαιϱέας Ἀϱχεστϱάτου, 411 ταμίας τῆς
Παϱάλου (Thuk. VIII 74), sein sohn ist, bleibt ungewiſs. denn einen Χαιϱέας hat
Eupolis in den Bapten als ξένος bezeichnet, womit der scholiast vergeblich den
Χαιϱέου υἱός erklären will, der als συνήγοϱος in den Wespen 687 vorkommt, und
den ich nicht kenne. ein Archestratos lebte damals, der sehr häſslich war und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |