Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.II. 12. Logos und euthuna. Im fünften jahrhundert bestehen beide prüfungen in voller kraft lässt Demosthenes eben so unentschieden, wie beide über den vorsitzenden beamten schweigen. es ist kaum auszudenken, wie die logisten vorsitzen sollten: welche denn? die vom jahre des Themistokles oder die vom jahre des Pythodotos? da die logisten doch eine sachliche prüfung der rechnungen vornehmen sollen, ist bei ihnen die überweisung einer anhängigen sache an ihre nachfolger viel we- niger glaublich als bei lediglich formell tätigen gerichtsvorständen. wo bleiben ausserdem die synegoren? und da es sich um geld wirklich nicht handelte, konnte der logos des Aischines immer schon abgemacht sein, ohne dass die hauptsache damit erledigt war. Demosthenes redet aber immer von tod und atimie als strafe, beide immer von euthunai, und man kann nur eine schriftlich formulirte an- klageschrift annehmen, wie man auch immer getan hat. im logistenprocess fordert der herold zum reden auf, fällt die graphe also fort. alles passt also zu dem verfahren vor den thesmotheten auf grund einer beschwerdeschrift beim euthynos. aber immerhin wird der euthynos auch nirgend erwähnt, und man muss überhaupt die reden ein par mal durchlesen und neun zehntel als ungehörig absondern, um sich den rechtsfall klar zu machen, und dann tut man etwas was weder richter noch redner gewollt noch getan haben. hier wie bei dem processe des Demosthenes 330 ist die verschleppung unverständlich, ist der rechtshandel ganz nebensache geworden. das politische duell geht um den einfluss bei dem souverän, wie zwischen dem Paphlagonier und dem Wursthändler; und das oratorische duell um die gunst des publicums überwiegt alles andere. der rechtliche massstab (nach dem Demosthenes in beiden fällen unterliegen müsste) und der moralische (nach dem der tugendstolz des Aischines noch unerträglicher ist als die gehässigkeit des Demosthenes) sind beide unberechtigt, da sie den rednern und den richtern ganz fern gelegen haben. 24) Deutlich insbesondere das gesetz über die schatzmeister der andern götter CIA I 32 kai logon didonton pros tous logistas, kai euthunas didonton, kai ek Panathenaion eis Panathenaia ton logon didonton. die etatsperiode ist vier- jährig: die euthuna natürlich jährig. CIA IV p. 63 (n. 34) ist von Schöll sicher hergestellt hostis d an la -- -- -- toin] anakoin e proteron e -- -- -- eggr]aphon- ton auton hoi hi[eropoioi -- --, toi]n anakoin e euthunos[thon] m[uriasi drakhmensi hekastos; ho de euthunos kai ho]i parhedroi kat[agi]gno[skonton auton epanagkes e autoi ophlonton. die opfercommission ist bei strafe verpflichtet gegen einen zur zeit uns noch unbekannten beamten eine beschwerdeschrift bei dem euthynos ein- zureichen, und dieser darf sie nicht unberücksichtigt lassen. 25) CIA I 32. 226 ffg. 273; 189b ist unverständlich. 26) CIA I 32, die berufenen oi logistai oi triakonta oiper nun u. ö. die ver-
suche zwischen den 30 und den späteren 10 zu vermitteln sind alle gescheitert; es liegt auch gar keine veranlassung vor mehr zu wollen als die verminderung der zahl zu constatiren. II. 12. Λόγος und εὔϑυνα. Im fünften jahrhundert bestehen beide prüfungen in voller kraft läſst Demosthenes eben so unentschieden, wie beide über den vorsitzenden beamten schweigen. es ist kaum auszudenken, wie die logisten vorsitzen sollten: welche denn? die vom jahre des Themistokles oder die vom jahre des Pythodotos? da die logisten doch eine sachliche prüfung der rechnungen vornehmen sollen, ist bei ihnen die überweisung einer anhängigen sache an ihre nachfolger viel we- niger glaublich als bei lediglich formell tätigen gerichtsvorständen. wo bleiben auſserdem die synegoren? und da es sich um geld wirklich nicht handelte, konnte der λόγος des Aischines immer schon abgemacht sein, ohne daſs die hauptsache damit erledigt war. Demosthenes redet aber immer von tod und atimie als strafe, beide immer von εὔϑυναι, und man kann nur eine schriftlich formulirte an- klageschrift annehmen, wie man auch immer getan hat. im logistenproceſs fordert der herold zum reden auf, fällt die γϱαφή also fort. alles paſst also zu dem verfahren vor den thesmotheten auf grund einer beschwerdeschrift beim euthynos. aber immerhin wird der euthynos auch nirgend erwähnt, und man muſs überhaupt die reden ein par mal durchlesen und neun zehntel als ungehörig absondern, um sich den rechtsfall klar zu machen, und dann tut man etwas was weder richter noch redner gewollt noch getan haben. hier wie bei dem processe des Demosthenes 330 ist die verschleppung unverständlich, ist der rechtshandel ganz nebensache geworden. das politische duell geht um den einfluſs bei dem souverän, wie zwischen dem Paphlagonier und dem Wursthändler; und das oratorische duell um die gunst des publicums überwiegt alles andere. der rechtliche maſsstab (nach dem Demosthenes in beiden fällen unterliegen müſste) und der moralische (nach dem der tugendstolz des Aischines noch unerträglicher ist als die gehässigkeit des Demosthenes) sind beide unberechtigt, da sie den rednern und den richtern ganz fern gelegen haben. 24) Deutlich insbesondere das gesetz über die schatzmeister der andern götter CIA I 32 καὶ λόγον διδόντων πϱὸς τοὺς λογιστάς, καὶ εὐϑύνας διδόντων, καὶ ἐκ Παναϑηναὶων εἰς Παναϑήναια τὸν λόγον διδόντων. die etatsperiode ist vier- jährig: die εὔϑυνα natürlich jährig. CIA IV p. 63 (n. 34) ist von Schöll sicher hergestellt hόστις δ̕ ἂν λα — — — τοῖν] ἀνάκοιν ἒ πϱότεϱον ἒ — — — ἐγγϱ]αφόν- τον αὐτὸν hοι hι[εϱοποιοὶ — —, τοῖ]ν ἀνάκοιν ἒ εὐϑυνόσ[ϑον] μ[υϱίασι δϱαχμε̃σι hέκαστος· hο δὲ εὔϑυνος καὶ hο]ι πάϱhεδϱοι κατ[αγι]γνο[σκόντον αὐτο̃ ἐπάναγκες ἒ αὐτοὶ ὀφλόντων. die opfercommission ist bei strafe verpflichtet gegen einen zur zeit uns noch unbekannten beamten eine beschwerdeschrift bei dem euthynos ein- zureichen, und dieser darf sie nicht unberücksichtigt lassen. 25) CIA I 32. 226 ffg. 273; 189b ist unverständlich. 26) CIA I 32, die berufenen οἱ λογισταὶ οἱ τϱιάκοντα οἵπεϱ νῦν u. ö. die ver-
suche zwischen den 30 und den späteren 10 zu vermitteln sind alle gescheitert; es liegt auch gar keine veranlassung vor mehr zu wollen als die verminderung der zahl zu constatiren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0248" n="238"/> <fw place="top" type="header">II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.</fw><lb/> <p>Im fünften jahrhundert bestehen beide prüfungen in voller kraft<lb/> neben einander<note place="foot" n="24)">Deutlich insbesondere das gesetz über die schatzmeister der andern götter<lb/> CIA I 32 καὶ λόγον διδόντων πϱὸς τοὺς λογιστάς, καὶ εὐϑύνας διδόντων, καὶ ἐκ<lb/> Παναϑηναὶων εἰς Παναϑήναια τὸν λόγον διδόντων. die etatsperiode ist vier-<lb/> jährig: die εὔϑυνα natürlich jährig. CIA IV p. 63 (n. 34) ist von Schöll sicher<lb/> hergestellt <hi rendition="#i">h</hi>όστις δ̕ ἂν λα — — — τοῖν] ἀνάκοιν ἒ πϱότεϱον ἒ — — — ἐγγϱ]αφόν-<lb/> τον αὐτὸν <hi rendition="#i">h</hi>οι <hi rendition="#i">h</hi>ι[εϱοποιοὶ — —, τοῖ]ν ἀνάκοιν ἒ εὐϑυνόσ[ϑον] μ[υϱίασι δϱαχμε̃σι<lb/><hi rendition="#i">h</hi>έκαστος· <hi rendition="#i">h</hi>ο δὲ εὔϑυνος καὶ <hi rendition="#i">h</hi>ο]ι πάϱ<hi rendition="#i">h</hi>εδϱοι κατ[αγι]γνο[σκόντον αὐτο̃ ἐπάναγκες<lb/> ἒ αὐτοὶ ὀφλόντων. die opfercommission ist bei strafe verpflichtet gegen einen zur<lb/> zeit uns noch unbekannten beamten eine beschwerdeschrift bei dem euthynos ein-<lb/> zureichen, und dieser darf sie nicht unberücksichtigt lassen.</note>, insbesondere sind der euthynos und seine beisitzer<lb/> in lebhafter tätigkeit. aber die logisten haben daneben eine andere<lb/> aufgabe, die lediglich rechnerische, wenn es gilt die quoten der tribute<lb/> oder die zinsen der staatsanleihen u. dgl. zu berechnen.<note place="foot" n="25)">CIA I 32. 226 ffg. 273; 189<hi rendition="#sup">b</hi> ist unverständlich.</note> dem ent-<lb/> sprechend ist ihre zahl nicht 10 sondern 30.<note place="foot" n="26)">CIA I 32, die berufenen οἱ λογισταὶ οἱ τϱιάκοντα οἵπεϱ νῦν u. ö. die ver-<lb/> suche zwischen den 30 und den späteren 10 zu vermitteln sind alle gescheitert; es<lb/> liegt auch gar keine veranlassung vor mehr zu wollen als die verminderung der<lb/> zahl zu constatiren.</note> es liegt in der natur<lb/><note xml:id="note-0248" prev="#note-0247" place="foot" n="23)">läſst Demosthenes eben so unentschieden, wie beide über den vorsitzenden beamten<lb/> schweigen. es ist kaum auszudenken, wie die logisten vorsitzen sollten: welche<lb/> denn? die vom jahre des Themistokles oder die vom jahre des Pythodotos? da<lb/> die logisten doch eine sachliche prüfung der rechnungen vornehmen sollen, ist<lb/> bei ihnen die überweisung einer anhängigen sache an ihre nachfolger viel we-<lb/> niger glaublich als bei lediglich formell tätigen gerichtsvorständen. wo bleiben<lb/> auſserdem die synegoren? und da es sich um geld wirklich nicht handelte, konnte<lb/> der λόγος des Aischines immer schon abgemacht sein, ohne daſs die hauptsache<lb/> damit erledigt war. Demosthenes redet aber immer von tod und atimie als strafe,<lb/> beide immer von εὔϑυναι, und man kann nur eine schriftlich formulirte an-<lb/> klageschrift annehmen, wie man auch immer getan hat. im logistenproceſs fordert<lb/> der herold zum reden auf, fällt die γϱαφή also fort. alles paſst also zu dem<lb/> verfahren vor den thesmotheten auf grund einer beschwerdeschrift beim euthynos.<lb/> aber immerhin wird der euthynos auch nirgend erwähnt, und man muſs überhaupt<lb/> die reden ein par mal durchlesen und neun zehntel als ungehörig absondern, um sich<lb/> den rechtsfall klar zu machen, und dann tut man etwas was weder richter noch<lb/> redner gewollt noch getan haben. hier wie bei dem processe des Demosthenes 330<lb/> ist die verschleppung unverständlich, ist der rechtshandel ganz nebensache geworden.<lb/> das politische duell geht um den einfluſs bei dem souverän, wie zwischen dem<lb/> Paphlagonier und dem Wursthändler; und das oratorische duell um die gunst des<lb/> publicums überwiegt alles andere. der rechtliche maſsstab (nach dem Demosthenes<lb/> in beiden fällen unterliegen müſste) und der moralische (nach dem der tugendstolz<lb/> des Aischines noch unerträglicher ist als die gehässigkeit des Demosthenes) sind<lb/> beide unberechtigt, da sie den rednern und den richtern ganz fern gelegen haben.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [238/0248]
II. 12. Λόγος und εὔϑυνα.
Im fünften jahrhundert bestehen beide prüfungen in voller kraft
neben einander 24), insbesondere sind der euthynos und seine beisitzer
in lebhafter tätigkeit. aber die logisten haben daneben eine andere
aufgabe, die lediglich rechnerische, wenn es gilt die quoten der tribute
oder die zinsen der staatsanleihen u. dgl. zu berechnen. 25) dem ent-
sprechend ist ihre zahl nicht 10 sondern 30. 26) es liegt in der natur
23)
24) Deutlich insbesondere das gesetz über die schatzmeister der andern götter
CIA I 32 καὶ λόγον διδόντων πϱὸς τοὺς λογιστάς, καὶ εὐϑύνας διδόντων, καὶ ἐκ
Παναϑηναὶων εἰς Παναϑήναια τὸν λόγον διδόντων. die etatsperiode ist vier-
jährig: die εὔϑυνα natürlich jährig. CIA IV p. 63 (n. 34) ist von Schöll sicher
hergestellt hόστις δ̕ ἂν λα — — — τοῖν] ἀνάκοιν ἒ πϱότεϱον ἒ — — — ἐγγϱ]αφόν-
τον αὐτὸν hοι hι[εϱοποιοὶ — —, τοῖ]ν ἀνάκοιν ἒ εὐϑυνόσ[ϑον] μ[υϱίασι δϱαχμε̃σι
hέκαστος· hο δὲ εὔϑυνος καὶ hο]ι πάϱhεδϱοι κατ[αγι]γνο[σκόντον αὐτο̃ ἐπάναγκες
ἒ αὐτοὶ ὀφλόντων. die opfercommission ist bei strafe verpflichtet gegen einen zur
zeit uns noch unbekannten beamten eine beschwerdeschrift bei dem euthynos ein-
zureichen, und dieser darf sie nicht unberücksichtigt lassen.
25) CIA I 32. 226 ffg. 273; 189b ist unverständlich.
26) CIA I 32, die berufenen οἱ λογισταὶ οἱ τϱιάκοντα οἵπεϱ νῦν u. ö. die ver-
suche zwischen den 30 und den späteren 10 zu vermitteln sind alle gescheitert; es
liegt auch gar keine veranlassung vor mehr zu wollen als die verminderung der
zahl zu constatiren.
23) läſst Demosthenes eben so unentschieden, wie beide über den vorsitzenden beamten
schweigen. es ist kaum auszudenken, wie die logisten vorsitzen sollten: welche
denn? die vom jahre des Themistokles oder die vom jahre des Pythodotos? da
die logisten doch eine sachliche prüfung der rechnungen vornehmen sollen, ist
bei ihnen die überweisung einer anhängigen sache an ihre nachfolger viel we-
niger glaublich als bei lediglich formell tätigen gerichtsvorständen. wo bleiben
auſserdem die synegoren? und da es sich um geld wirklich nicht handelte, konnte
der λόγος des Aischines immer schon abgemacht sein, ohne daſs die hauptsache
damit erledigt war. Demosthenes redet aber immer von tod und atimie als strafe,
beide immer von εὔϑυναι, und man kann nur eine schriftlich formulirte an-
klageschrift annehmen, wie man auch immer getan hat. im logistenproceſs fordert
der herold zum reden auf, fällt die γϱαφή also fort. alles paſst also zu dem
verfahren vor den thesmotheten auf grund einer beschwerdeschrift beim euthynos.
aber immerhin wird der euthynos auch nirgend erwähnt, und man muſs überhaupt
die reden ein par mal durchlesen und neun zehntel als ungehörig absondern, um sich
den rechtsfall klar zu machen, und dann tut man etwas was weder richter noch
redner gewollt noch getan haben. hier wie bei dem processe des Demosthenes 330
ist die verschleppung unverständlich, ist der rechtshandel ganz nebensache geworden.
das politische duell geht um den einfluſs bei dem souverän, wie zwischen dem
Paphlagonier und dem Wursthändler; und das oratorische duell um die gunst des
publicums überwiegt alles andere. der rechtliche maſsstab (nach dem Demosthenes
in beiden fällen unterliegen müſste) und der moralische (nach dem der tugendstolz
des Aischines noch unerträglicher ist als die gehässigkeit des Demosthenes) sind
beide unberechtigt, da sie den rednern und den richtern ganz fern gelegen haben.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |