Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.Der process des Perikles. also war die strafe erschwinglich. die angaben schwanken, 50 talenteist das höchste bezeugte51), also war die unterschlagene summe höchstens auf 5 talente geschätzt, eine wahre lappalie für den leitenden staats- mann, der mit tausenden von talenten gewirtschaftet hatte. also war es ein moralischer sieg des Perikles, und wir begreifen, dass er gleich darauf wieder zum strategen gewählt ward. Den ruf der notorisch reinen hände hat Perikles behalten: wir Für die rechtliche beurteilung des processes ist es wichtig die Isokrates gebildete verfasser der zweiten rede gegen Aristogeiton (die ich im gegen- satze zu der ersten als wirklich gehalten anerkenne) bezeugt die zahlung (7); er nennt 50 talente. 51) Plut. 32 gibt als minimum 15, als maximum 50 an, also ist 80 bei Diodor 12, 45 schreibfehler, P für N; denn das rechnen mit attischen ziffern, das Krech (p. 86) versucht, hat für diese handschriften und schriftsteller keine berechtigung. natürlich ist die höchste zahl mit nichten die glaubwürdigste. 52) Das apophthegma ist ächt, Aristophanes bezeugt es ja. aber wofür die 10 talente, über die Perikles keine nachweisungen hatte und die aussage verweigerte, wirklich verwandt waren, das getraut sich heute nur zu wissen, wer so kritiklos ist wie die athenischen philister, die an unterschlagung glaubten, oder zu der sorte histo- riker gehört, die alles wissen, wie Ephoros oder Duncker. gesprochen hat Perikles das wort natürlich in dem rechenschaftsprocess, den er allein ausgehalten hat. so viel sah Theophrast wenigstens ein und erzählte daher von einer jährlichen sub- vention an die friedenspartei in Sparta weil die bestechung des Pleistoanax 445, von der man gewöhnlich erzählte, zu lange her war. 54) Plut. Alkib. 7, 2 u. ö.
Der proceſs des Perikles. also war die strafe erschwinglich. die angaben schwanken, 50 talenteist das höchste bezeugte51), also war die unterschlagene summe höchstens auf 5 talente geschätzt, eine wahre lappalie für den leitenden staats- mann, der mit tausenden von talenten gewirtschaftet hatte. also war es ein moralischer sieg des Perikles, und wir begreifen, daſs er gleich darauf wieder zum strategen gewählt ward. Den ruf der notorisch reinen hände hat Perikles behalten: wir Für die rechtliche beurteilung des processes ist es wichtig die Isokrates gebildete verfasser der zweiten rede gegen Aristogeiton (die ich im gegen- satze zu der ersten als wirklich gehalten anerkenne) bezeugt die zahlung (7); er nennt 50 talente. 51) Plut. 32 gibt als minimum 15, als maximum 50 an, also ist 80 bei Diodor 12, 45 schreibfehler, Π für Ν; denn das rechnen mit attischen ziffern, das Krech (p. 86) versucht, hat für diese handschriften und schriftsteller keine berechtigung. natürlich ist die höchste zahl mit nichten die glaubwürdigste. 52) Das apophthegma ist ächt, Aristophanes bezeugt es ja. aber wofür die 10 talente, über die Perikles keine nachweisungen hatte und die aussage verweigerte, wirklich verwandt waren, das getraut sich heute nur zu wissen, wer so kritiklos ist wie die athenischen philister, die an unterschlagung glaubten, oder zu der sorte histo- riker gehört, die alles wissen, wie Ephoros oder Duncker. gesprochen hat Perikles das wort natürlich in dem rechenschaftsproceſs, den er allein ausgehalten hat. so viel sah Theophrast wenigstens ein und erzählte daher von einer jährlichen sub- vention an die friedenspartei in Sparta weil die bestechung des Pleistoanax 445, von der man gewöhnlich erzählte, zu lange her war. 54) Plut. Alkib. 7, 2 u. ö.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0257" n="247"/><fw place="top" type="header">Der proceſs des Perikles.</fw><lb/> also war die strafe erschwinglich. die angaben schwanken, 50 talente<lb/> ist das höchste bezeugte<note place="foot" n="51)">Plut. 32 gibt als minimum 15, als maximum 50 an, also ist 80 bei Diodor<lb/> 12, 45 schreibfehler, <hi rendition="#i">Π</hi> für <hi rendition="#i">Ν</hi>; denn das rechnen mit attischen ziffern, das Krech<lb/> (p. 86) versucht, hat für diese handschriften und schriftsteller keine berechtigung.<lb/> natürlich ist die höchste zahl mit nichten die glaubwürdigste.</note>, also war die unterschlagene summe höchstens<lb/> auf 5 talente geschätzt, eine wahre lappalie für den leitenden staats-<lb/> mann, der mit tausenden von talenten gewirtschaftet hatte. also war<lb/> es ein moralischer sieg des Perikles, und wir begreifen, daſs er gleich<lb/> darauf wieder zum strategen gewählt ward.</p><lb/> <p>Den ruf der notorisch reinen hände hat Perikles behalten: wir<lb/> verstehn jetzt, daſs es geschehen ist, gerade weil er diese buſse bezahlt<lb/> hat. natürlich insinuirt Strepsiades mit εἰς τὸ δέον ἀπώλεσα die<lb/> κλοπή, aber den heliasten hat εἰς τὸ δέον ἀνήλωσα bei dieser ver-<lb/> handlung, wo es gesprochen ist, doch imponirt.<note place="foot" n="52)">Das apophthegma ist ächt, Aristophanes bezeugt es ja. aber wofür die<lb/> 10 talente, über die Perikles keine nachweisungen hatte und die aussage verweigerte,<lb/> wirklich verwandt waren, das getraut sich heute nur zu wissen, wer so kritiklos ist<lb/> wie die athenischen philister, die an unterschlagung glaubten, oder zu der sorte histo-<lb/> riker gehört, die alles wissen, wie Ephoros oder Duncker. gesprochen hat Perikles<lb/> das wort natürlich in dem rechenschaftsproceſs, den er allein ausgehalten hat. so<lb/> viel sah Theophrast wenigstens ein und erzählte daher von einer jährlichen sub-<lb/> vention an die friedenspartei in Sparta weil die bestechung des Pleistoanax 445,<lb/> von der man gewöhnlich erzählte, zu lange her war.</note> die erinnerung,<lb/> daſs es die rechenschaftsablage war, um die der jahrzehnte lang unge-<lb/> prüfte stratege vor die richter treten muſste, ist nicht vergessen worden.<note place="foot" n="54)">Plut. Alkib. 7, 2 u. ö.</note></p><lb/> <p>Für die rechtliche beurteilung des processes ist es wichtig die<lb/> chronologie festzustellen. das jahr des Euthydemos lief vom 3 august<lb/> 431 bis zum 22/23 juli 430. die strategenwahlen für 430/29 muſsten<lb/> in einer der vier letzten prytanien stattfinden. die Peloponnesier fielen<lb/> sogleich mit sommers anfang ein und blieben 40 tage. während dieser<lb/> zeit brach die pest aus, zog Perikles mit der flotte gegen den Peloponnes,<lb/> kehrte heim, als jene wieder aus Attika fort waren, und sofort gieng<lb/> mit dieser selben flotte Hagnon nach Poteidaia, trug in das belagerungs-<lb/> heer die ansteckung und kehrte dann unverrichteter sache heim. diese<lb/> expedition hatte wieder 40 tage gedauert. das war also 90 tage etwa<lb/> nach sommers anfang: man wird doch nicht anders rechnen können<lb/><note xml:id="note-0257" prev="#note-0256" place="foot" n="50)">Isokrates gebildete verfasser der zweiten rede gegen Aristogeiton (die ich im gegen-<lb/> satze zu der ersten als wirklich gehalten anerkenne) bezeugt die zahlung (7); er<lb/> nennt 50 talente.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [247/0257]
Der proceſs des Perikles.
also war die strafe erschwinglich. die angaben schwanken, 50 talente
ist das höchste bezeugte 51), also war die unterschlagene summe höchstens
auf 5 talente geschätzt, eine wahre lappalie für den leitenden staats-
mann, der mit tausenden von talenten gewirtschaftet hatte. also war
es ein moralischer sieg des Perikles, und wir begreifen, daſs er gleich
darauf wieder zum strategen gewählt ward.
Den ruf der notorisch reinen hände hat Perikles behalten: wir
verstehn jetzt, daſs es geschehen ist, gerade weil er diese buſse bezahlt
hat. natürlich insinuirt Strepsiades mit εἰς τὸ δέον ἀπώλεσα die
κλοπή, aber den heliasten hat εἰς τὸ δέον ἀνήλωσα bei dieser ver-
handlung, wo es gesprochen ist, doch imponirt. 52) die erinnerung,
daſs es die rechenschaftsablage war, um die der jahrzehnte lang unge-
prüfte stratege vor die richter treten muſste, ist nicht vergessen worden. 54)
Für die rechtliche beurteilung des processes ist es wichtig die
chronologie festzustellen. das jahr des Euthydemos lief vom 3 august
431 bis zum 22/23 juli 430. die strategenwahlen für 430/29 muſsten
in einer der vier letzten prytanien stattfinden. die Peloponnesier fielen
sogleich mit sommers anfang ein und blieben 40 tage. während dieser
zeit brach die pest aus, zog Perikles mit der flotte gegen den Peloponnes,
kehrte heim, als jene wieder aus Attika fort waren, und sofort gieng
mit dieser selben flotte Hagnon nach Poteidaia, trug in das belagerungs-
heer die ansteckung und kehrte dann unverrichteter sache heim. diese
expedition hatte wieder 40 tage gedauert. das war also 90 tage etwa
nach sommers anfang: man wird doch nicht anders rechnen können
50)
51) Plut. 32 gibt als minimum 15, als maximum 50 an, also ist 80 bei Diodor
12, 45 schreibfehler, Π für Ν; denn das rechnen mit attischen ziffern, das Krech
(p. 86) versucht, hat für diese handschriften und schriftsteller keine berechtigung.
natürlich ist die höchste zahl mit nichten die glaubwürdigste.
52) Das apophthegma ist ächt, Aristophanes bezeugt es ja. aber wofür die
10 talente, über die Perikles keine nachweisungen hatte und die aussage verweigerte,
wirklich verwandt waren, das getraut sich heute nur zu wissen, wer so kritiklos ist
wie die athenischen philister, die an unterschlagung glaubten, oder zu der sorte histo-
riker gehört, die alles wissen, wie Ephoros oder Duncker. gesprochen hat Perikles
das wort natürlich in dem rechenschaftsproceſs, den er allein ausgehalten hat. so
viel sah Theophrast wenigstens ein und erzählte daher von einer jährlichen sub-
vention an die friedenspartei in Sparta weil die bestechung des Pleistoanax 445,
von der man gewöhnlich erzählte, zu lange her war.
54) Plut. Alkib. 7, 2 u. ö.
50) Isokrates gebildete verfasser der zweiten rede gegen Aristogeiton (die ich im gegen-
satze zu der ersten als wirklich gehalten anerkenne) bezeugt die zahlung (7); er
nennt 50 talente.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |