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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 7. Der process der Eumeniden.

Die parteien haben gesprochen. Athena fragt zunächst im allge-
gemeinen, ob sie fertig wären, die abstimmung also beginnen könne.
die Erinyen bejahen. dann richtet sie diese frage an die andere partei,
Orestes und Apollon; der letztere erklärt ebenfalls, dass das urteil nun
gesprochen werden möge.6)

Die göttin beginnt denn auch 'hört die verordnung, volk von Athen,
die ihr zum ersten male über mord richtet.' aber es folgt keine ver-
ordnung, sondern lose durch ein de angeknüpft 'auch für die zukunft
wird es in Athen diese ratsversammlung von richtern7) geben.' und
nun folgt eine lange rede über den Areopag, die vielen unpassend er-
schienen ist. Aischylos hat sie aber für diese stelle gedichtet, denn,
wie das seine art ist, schliesst er so zu sagen die parenthese durch die
aufnahme derselben worte. estai de kai to loipon, hebt Athena an,
tauten men exetein emois parainesin astoisin es to loipon hört
sie auf (707). und nun folgt erst der befehl, den sie gleich hätte geben
können 'steht auf8) und erhebt die stimmsteine'. das geschieht dann,
während Apollon und die Erinyen erst die richter mahnen, dann heftig
zanken, 23 verse lang. dann haben die richter abgestimmt und Athena
tut dasselbe, indem sie ihre stimmabgabe motivirt. das widerspricht dem
prinzipe der geheimen stimmabgabe; aber der dichter musste einen ausweg
wählen, der das urteil sowol motivierte wie als götterwillen hinstellte:
der gedanke durfte nicht aufkommen, dass Athena überstimmt wäre. da
sie erklärt, die ihre zu den stimmen für Orestes legen zu wollen, folgt,
dass die richter nur einen stimmstein haben, also zwei urnen da stehen,
eine freisprechende und eine verurteilende, und die richter so zu jeder
von ihnen treten, dass sie einmal den stein hineinwerfen, das andere mal
nur so tun, ganz wie es in den Wespen gehalten wird und das gleichnis
des Agamemnon 815 voraussetzt. wo die urnen standen, wird nicht

bündnis empfahl, konnte er daran erinnern, dass das bündnis auf einem dreifusse in
Delphi zum zeugnisse für Hellas aufgezeichnet stünde, Hik. 1202. da war also eine
fromme inschriftfälschung vorgenommen, wie Herodotos von einer erzählt (I 61).
6) Die richtige personenverteilung und interpunction von 674--80 hat Kirchhoff
gegeben.
7) Dikaston für d ekaston M, d ekasto der geringeren, Canter. dass die
geschichte nur diese einfachste änderung erträgt, wird unten klar werden.
8) orthousthai heisst 'sich aufrichten', das kann ein liegender, indem er sich
setzt, ein schlaff gehender indem er 'sich richtet', ein sitzender auch, wenn er zu-
sammengefallen sass, indem er straffe haltung annimmt. aber das einfache ist in
diesem falle, dass er sich ganz 'gerade macht', also aufsteht. man bedürfte wahrlich
nicht der belege, die das lexikon bietet, um den wortgebrauch zu verstehen.
III. 7. Der proceſs der Eumeniden.

Die parteien haben gesprochen. Athena fragt zunächst im allge-
gemeinen, ob sie fertig wären, die abstimmung also beginnen könne.
die Erinyen bejahen. dann richtet sie diese frage an die andere partei,
Orestes und Apollon; der letztere erklärt ebenfalls, daſs das urteil nun
gesprochen werden möge.6)

Die göttin beginnt denn auch ‘hört die verordnung, volk von Athen,
die ihr zum ersten male über mord richtet.’ aber es folgt keine ver-
ordnung, sondern lose durch ein δέ angeknüpft ‘auch für die zukunft
wird es in Athen diese ratsversammlung von richtern7) geben.’ und
nun folgt eine lange rede über den Areopag, die vielen unpassend er-
schienen ist. Aischylos hat sie aber für diese stelle gedichtet, denn,
wie das seine art ist, schlieſst er so zu sagen die parenthese durch die
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ταύτην μὲν ἐξέτειν̕ ἐμοῖς παϱαίνεσιν ἀστοῖσιν ἐς τὸ λοιπόν hört
sie auf (707). und nun folgt erst der befehl, den sie gleich hätte geben
können ‘steht auf8) und erhebt die stimmsteine’. das geschieht dann,
während Apollon und die Erinyen erst die richter mahnen, dann heftig
zanken, 23 verse lang. dann haben die richter abgestimmt und Athena
tut dasselbe, indem sie ihre stimmabgabe motivirt. das widerspricht dem
prinzipe der geheimen stimmabgabe; aber der dichter muſste einen ausweg
wählen, der das urteil sowol motivierte wie als götterwillen hinstellte:
der gedanke durfte nicht aufkommen, daſs Athena überstimmt wäre. da
sie erklärt, die ihre zu den stimmen für Orestes legen zu wollen, folgt,
daſs die richter nur einen stimmstein haben, also zwei urnen da stehen,
eine freisprechende und eine verurteilende, und die richter so zu jeder
von ihnen treten, daſs sie einmal den stein hineinwerfen, das andere mal
nur so tun, ganz wie es in den Wespen gehalten wird und das gleichnis
des Agamemnon 815 voraussetzt. wo die urnen standen, wird nicht

bündnis empfahl, konnte er daran erinnern, daſs das bündnis auf einem dreifuſse in
Delphi zum zeugnisse für Hellas aufgezeichnet stünde, Hik. 1202. da war also eine
fromme inschriftfälschung vorgenommen, wie Herodotos von einer erzählt (I 61).
6) Die richtige personenverteilung und interpunction von 674—80 hat Kirchhoff
gegeben.
7) Δικαστῶν für δ̕ ἑκάστων Μ, δ̕ ἑκάστω der geringeren, Canter. daſs die
geschichte nur diese einfachste änderung erträgt, wird unten klar werden.
8) ὀϱϑοῦσϑαι heiſst ‘sich aufrichten’, das kann ein liegender, indem er sich
setzt, ein schlaff gehender indem er ‘sich richtet’, ein sitzender auch, wenn er zu-
sammengefallen saſs, indem er straffe haltung annimmt. aber das einfache ist in
diesem falle, daſs er sich ganz ‘gerade macht’, also aufsteht. man bedürfte wahrlich
nicht der belege, die das lexikon bietet, um den wortgebrauch zu verstehen.
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[332/0342] III. 7. Der proceſs der Eumeniden. Die parteien haben gesprochen. Athena fragt zunächst im allge- gemeinen, ob sie fertig wären, die abstimmung also beginnen könne. die Erinyen bejahen. dann richtet sie diese frage an die andere partei, Orestes und Apollon; der letztere erklärt ebenfalls, daſs das urteil nun gesprochen werden möge. 6) Die göttin beginnt denn auch ‘hört die verordnung, volk von Athen, die ihr zum ersten male über mord richtet.’ aber es folgt keine ver- ordnung, sondern lose durch ein δέ angeknüpft ‘auch für die zukunft wird es in Athen diese ratsversammlung von richtern 7) geben.’ und nun folgt eine lange rede über den Areopag, die vielen unpassend er- schienen ist. Aischylos hat sie aber für diese stelle gedichtet, denn, wie das seine art ist, schlieſst er so zu sagen die parenthese durch die aufnahme derselben worte. ἔσται δὲ καὶ τὸ λοιπόν, hebt Athena an, ταύτην μὲν ἐξέτειν̕ ἐμοῖς παϱαίνεσιν ἀστοῖσιν ἐς τὸ λοιπόν hört sie auf (707). und nun folgt erst der befehl, den sie gleich hätte geben können ‘steht auf 8) und erhebt die stimmsteine’. das geschieht dann, während Apollon und die Erinyen erst die richter mahnen, dann heftig zanken, 23 verse lang. dann haben die richter abgestimmt und Athena tut dasselbe, indem sie ihre stimmabgabe motivirt. das widerspricht dem prinzipe der geheimen stimmabgabe; aber der dichter muſste einen ausweg wählen, der das urteil sowol motivierte wie als götterwillen hinstellte: der gedanke durfte nicht aufkommen, daſs Athena überstimmt wäre. da sie erklärt, die ihre zu den stimmen für Orestes legen zu wollen, folgt, daſs die richter nur einen stimmstein haben, also zwei urnen da stehen, eine freisprechende und eine verurteilende, und die richter so zu jeder von ihnen treten, daſs sie einmal den stein hineinwerfen, das andere mal nur so tun, ganz wie es in den Wespen gehalten wird und das gleichnis des Agamemnon 815 voraussetzt. wo die urnen standen, wird nicht 5) 6) Die richtige personenverteilung und interpunction von 674—80 hat Kirchhoff gegeben. 7) Δικαστῶν für δ̕ ἑκάστων Μ, δ̕ ἑκάστω der geringeren, Canter. daſs die geschichte nur diese einfachste änderung erträgt, wird unten klar werden. 8) ὀϱϑοῦσϑαι heiſst ‘sich aufrichten’, das kann ein liegender, indem er sich setzt, ein schlaff gehender indem er ‘sich richtet’, ein sitzender auch, wenn er zu- sammengefallen saſs, indem er straffe haltung annimmt. aber das einfache ist in diesem falle, daſs er sich ganz ‘gerade macht’, also aufsteht. man bedürfte wahrlich nicht der belege, die das lexikon bietet, um den wortgebrauch zu verstehen. 5) bündnis empfahl, konnte er daran erinnern, daſs das bündnis auf einem dreifuſse in Delphi zum zeugnisse für Hellas aufgezeichnet stünde, Hik. 1202. da war also eine fromme inschriftfälschung vorgenommen, wie Herodotos von einer erzählt (I 61).

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/342>, abgerufen am 24.11.2024.