Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Die erwerbung von Eleusis.
konnte. da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch
von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach
norden7) unsicher und umstritten waren, endlich die erwerbung von
Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den grossen
erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe
gefolgt, die das ganze siebente jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos
dauerten und erst durch ein lakonisches schiedsgericht, das den Athenern
Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570--562), ein vorläufiges
ende fanden.

Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch
einige erinnerung bewahrt. die entsprechenden kämpfe früherer zeit
reflectiren kaum noch aus einzelnen institutionen und erzählungen.
dass die schweren völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer
stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an-
zahl vertriebener geschlechter, namentlich aus dem Peloponnes (des
stammes, aus dem in Asien die Ionier geworden sind), nach Attika
warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen
in das östliche und westliche meer teilnahmen8), ist eine durchaus glaub-
hafte überlieferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter.
die bevölkerung Attikas ist gewiss von vorn herein nicht eines stammes
gewesen (die zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich
der historiker im gegensatze zur sprachvergleichung nicht stark genug
vorstellen); sie hat von den nördlichen nachbarn, der von den Boeotern
fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern
und den vordorischen bewohnern der argolischen nordküste eine sehr
starke beeinflussung erfahren. und doch ist die verschmelzung zu einer

7) Die kleisthenische kreisordnung, die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet,
zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene
liegt. um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpass ist dann
noch weiter gestritten worden. der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist
gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfasste, denn er muss dort den
riesen Kerkyon bezwingen. das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen
und hiess orgas, ein wort, das nichts mit aergos zu tun hat, sondern die orgosa
ge bezeichnet: wenn die orgas gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der
bebauung entzogen.
8) Eine solche verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten
colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine
andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht. die Euboeer
haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka
sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die
wir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem sohne des Augeias.

Die erwerbung von Eleusis.
konnte. da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch
von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach
norden7) unsicher und umstritten waren, endlich die erwerbung von
Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den groſsen
erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe
gefolgt, die das ganze siebente jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos
dauerten und erst durch ein lakonisches schiedsgericht, das den Athenern
Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570—562), ein vorläufiges
ende fanden.

Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch
einige erinnerung bewahrt. die entsprechenden kämpfe früherer zeit
reflectiren kaum noch aus einzelnen institutionen und erzählungen.
daſs die schweren völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer
stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an-
zahl vertriebener geschlechter, namentlich aus dem Peloponnes (des
stammes, aus dem in Asien die Ionier geworden sind), nach Attika
warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen
in das östliche und westliche meer teilnahmen8), ist eine durchaus glaub-
hafte überlieferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter.
die bevölkerung Attikas ist gewiſs von vorn herein nicht eines stammes
gewesen (die zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich
der historiker im gegensatze zur sprachvergleichung nicht stark genug
vorstellen); sie hat von den nördlichen nachbarn, der von den Boeotern
fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern
und den vordorischen bewohnern der argolischen nordküste eine sehr
starke beeinflussung erfahren. und doch ist die verschmelzung zu einer

7) Die kleisthenische kreisordnung, die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet,
zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene
liegt. um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpaſs ist dann
noch weiter gestritten worden. der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist
gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfaſste, denn er muſs dort den
riesen Kerkyon bezwingen. das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen
und hieſs ὀϱγάς, ein wort, das nichts mit ἀεϱγός zu tun hat, sondern die ὀϱγῶσα
γῆ bezeichnet: wenn die ὀϱγάς gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der
bebauung entzogen.
8) Eine solche verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten
colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine
andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht. die Euboeer
haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka
sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die
wir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem sohne des Augeias.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0049" n="39"/><fw place="top" type="header">Die erwerbung von Eleusis.</fw><lb/>
konnte. da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch<lb/>
von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach<lb/>
norden<note place="foot" n="7)">Die kleisthenische <choice><sic>kreisordnnng</sic><corr>kreisordnung</corr></choice>, die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet,<lb/>
zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene<lb/>
liegt. um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpa&#x017F;s ist dann<lb/>
noch weiter gestritten worden. der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist<lb/>
gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfa&#x017F;ste, denn er mu&#x017F;s dort den<lb/>
riesen Kerkyon bezwingen. das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen<lb/>
und hie&#x017F;s &#x1F40;&#x03F1;&#x03B3;&#x03AC;&#x03C2;, ein wort, das nichts mit &#x1F00;&#x03B5;&#x03F1;&#x03B3;&#x03CC;&#x03C2; zu tun hat, sondern die &#x1F40;&#x03F1;&#x03B3;&#x1FF6;&#x03C3;&#x03B1;<lb/>
&#x03B3;&#x1FC6; bezeichnet: wenn die &#x1F40;&#x03F1;&#x03B3;&#x03AC;&#x03C2; gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der<lb/>
bebauung entzogen.</note> unsicher und umstritten waren, endlich die erwerbung von<lb/>
Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den gro&#x017F;sen<lb/>
erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe<lb/>
gefolgt, die das ganze siebente jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos<lb/>
dauerten und erst durch ein lakonisches schiedsgericht, das den Athenern<lb/>
Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570&#x2014;562), ein vorläufiges<lb/>
ende fanden.</p><lb/>
          <p>Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch<lb/>
einige erinnerung bewahrt. die entsprechenden kämpfe früherer zeit<lb/>
reflectiren kaum noch aus einzelnen institutionen und erzählungen.<lb/>
da&#x017F;s die schweren völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer<lb/>
stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an-<lb/>
zahl vertriebener geschlechter, namentlich aus dem Peloponnes (des<lb/>
stammes, aus dem in Asien die Ionier geworden sind), nach Attika<lb/>
warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen<lb/>
in das östliche und westliche meer teilnahmen<note place="foot" n="8)">Eine solche verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten<lb/>
colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine<lb/>
andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht. die Euboeer<lb/>
haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka<lb/>
sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die<lb/>
wir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem sohne des Augeias.</note>, ist eine durchaus glaub-<lb/>
hafte überlieferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter.<lb/>
die bevölkerung Attikas ist gewi&#x017F;s von vorn herein nicht eines stammes<lb/>
gewesen (die zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich<lb/>
der historiker im gegensatze zur sprachvergleichung nicht stark genug<lb/>
vorstellen); sie hat von den nördlichen nachbarn, der von den Boeotern<lb/>
fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern<lb/>
und den vordorischen bewohnern der argolischen nordküste eine sehr<lb/>
starke beeinflussung erfahren. und doch ist die verschmelzung zu einer<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0049] Die erwerbung von Eleusis. konnte. da Eleusis entweder zu Megara gehört hatte oder doch auch von dort begehrt ward, auch seine grenzen sowol nach westen wie nach norden 7) unsicher und umstritten waren, endlich die erwerbung von Salamis nunmehr für Athen eine lebensfrage ward, so ist auf den groſsen erfolg der erwerbung von Eleusis eine lange zeit wechselvoller kämpfe gefolgt, die das ganze siebente jahrhundert und weiter bis auf Peisistratos dauerten und erst durch ein lakonisches schiedsgericht, das den Athenern Salamis zusprach, Nisaia aber nahm (etwa 570—562), ein vorläufiges ende fanden. Von der erwerbung von Eleusis hat die sage wenigstens noch einige erinnerung bewahrt. die entsprechenden kämpfe früherer zeit reflectiren kaum noch aus einzelnen institutionen und erzählungen. daſs die schweren völkerverschiebungen, die der einbruch nordischer stämme, Thessaler Boeoter Dorer Eleer, im gefolge hatte, eine an- zahl vertriebener geschlechter, namentlich aus dem Peloponnes (des stammes, aus dem in Asien die Ionier geworden sind), nach Attika warfen, andererseits auch bewohner von Attika an den colonistenzügen in das östliche und westliche meer teilnahmen 8), ist eine durchaus glaub- hafte überlieferung, erhalten in der tradition der einzelnen geschlechter. die bevölkerung Attikas ist gewiſs von vorn herein nicht eines stammes gewesen (die zersplitterung, aus der der volkskörper erwächst, kann sich der historiker im gegensatze zur sprachvergleichung nicht stark genug vorstellen); sie hat von den nördlichen nachbarn, der von den Boeotern fast ganz zerriebenen alten bevölkerung dieses landes, von den Euboeern und den vordorischen bewohnern der argolischen nordküste eine sehr starke beeinflussung erfahren. und doch ist die verschmelzung zu einer 7) Die kleisthenische kreisordnung, die ganz Eleusis zur küstenprovinz rechnet, zieht Phyle zu diesem gebiete, das in der tat bedrohlich über der attischen ebene liegt. um den besitz von Panakton und den eigentlichen Kithaironpaſs ist dann noch weiter gestritten worden. der zug des Theseus von Trozen nach Athen ist gedichtet, als Athens gebiet noch nicht Eleusis umfaſste, denn er muſs dort den riesen Kerkyon bezwingen. das grenzland nach Megara zu gehörte den göttinnen und hieſs ὀϱγάς, ein wort, das nichts mit ἀεϱγός zu tun hat, sondern die ὀϱγῶσα γῆ bezeichnet: wenn die ὀϱγάς gleichwol wüst lag, so hat man es als grenzland der bebauung entzogen. 8) Eine solche verbindung geht von Athen nach Neapel; den Euboeern folgten colonisten etwa aus der Tetrapolis so gut wie Eunostiden aus dem Graerlande. eine andere hat den könig Kephalos von Thorikos nach Kephallenia gebracht. die Euboeer haben einmal jene inseln des westmeeres besessen; auf Kephallenia und Ithaka sind sie durch Peloponnesier, die vor den Eleern flüchteten, verdrängt worden, die wir Achaeer nennen. Dulichion gehört dann dem Phyleus, dem sohne des Augeias.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/49
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/49>, abgerufen am 21.11.2024.