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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Geschichte des tragikertextes.
allein unsere scholien sind viel später geschrieben und haben nur Theon
als urquelle für ihr bestes gut; man findet ihn mit hülfe der Römer.
sie selbst polemisiren mit einer, allerdings oft verdienten, grobheit, wie
sie den zeitgenossen und concurrenten trifft, gegen einen gewissen Muna-
tius 134). es war das ein mann aus der umgebung des Herodes Atticus,
gebürtig aus Tralles, der sich nicht grammatikos sondern kritikos
nannte, wie damals in Asien zuweilen wieder als feiner galt. da wir
nun einen jüngeren zeitgenossen von ihm, Amarantus, als Theokritscho-
liasten kennen und dieser nachweislich in unsern scholien steckt, so ist
der schluss gestattet, dass er der feind des Munatius, der gesuchte redactor
ist 135). die frühbyzantinische zeit mit ihren verselnden scholastikern, wie
Eratosthenes, repräsentirt selbstverständlich nur eine etappe der über-
lieferung des alten, wie es der scholiast im Apollonios und Phaeinos im
Aristophanes tat; auch ist sie wenig zu spüren. die überlieferung der
gedichte ist den modernen dadurch verwirrt, dass die von Nonnus bereits
benutzte sammlung von bukolika, 'alle in derselben hürde', also ohne gewähr
für die echtheit, welche keine scholien hatte, in den späten handschriften
mit Theokrit vermischt ist, an den sie sich zuerst angesetzt hatte. diese von
den guten grammatikern verworfenen und eigentlich gar nicht als theokri-
tisch überlieferten gedichte sind schwer entstellt, ganz natürlich, weil ihnen
der schutz der grammatik fehlte. die gedichte Theokrits dagegen waren
ebenso gut erhalten wie die der andern Alexandriner, und es schadet nicht
einmal sehr viel, dass wir nur für die mehrzahl eine treffliche, wenn auch
nicht sehr alte handschrift (Ambros. 222, K) haben, vor der die übrigen
verschwinden. denn auch in dem reste der gedichte birgt sich das echte
unter gemeinen schreibfehlern, die man heben kann. man muss nur ein
urteil über das treiben der redactoren in den jahrhunderten 14 15 16
mitbringen, damit man diese völlig abweist. sie haben sich allerdings
nicht gescheut selbst ganze verse zu fälschen. übrigens versagen für die
erweiterung der scholien die grammatiker nicht völlig, und zur controlle
des textes der theokritischen gedichte sind auch die citate nicht spärlich:
sie bestätigen unseren text.

Wenn hier die verwahrlosung scholienloser texte neben der sicherung
des textes durch die grammatische behandlung zu lernen und zu beherzigen
ist, so bietet Nikandros den beleg für die beiden erscheinungen am selben

134) Philostratus vit. Soph. p. 231. 244.
135) Et. M. aspalathos = schol. 4, 57. diekranosate = schol. 7, 154. hier ist
im schol. die erklärung, gegen die Amarantos polemisirt, mit erhalten. Amarantos
war dem Galen persönlich bekannt, aber vor ihm verstorben. XIV 208 K.

Geschichte des tragikertextes.
allein unsere scholien sind viel später geschrieben und haben nur Theon
als urquelle für ihr bestes gut; man findet ihn mit hülfe der Römer.
sie selbst polemisiren mit einer, allerdings oft verdienten, grobheit, wie
sie den zeitgenossen und concurrenten trifft, gegen einen gewissen Muna-
tius 134). es war das ein mann aus der umgebung des Herodes Atticus,
gebürtig aus Tralles, der sich nicht γραμματικός sondern κριτικός
nannte, wie damals in Asien zuweilen wieder als feiner galt. da wir
nun einen jüngeren zeitgenossen von ihm, Amarantus, als Theokritscho-
liasten kennen und dieser nachweislich in unsern scholien steckt, so ist
der schluſs gestattet, daſs er der feind des Munatius, der gesuchte redactor
ist 135). die frühbyzantinische zeit mit ihren verselnden scholastikern, wie
Eratosthenes, repräsentirt selbstverständlich nur eine etappe der über-
lieferung des alten, wie es der scholiast im Apollonios und Phaeinos im
Aristophanes tat; auch ist sie wenig zu spüren. die überlieferung der
gedichte ist den modernen dadurch verwirrt, daſs die von Nonnus bereits
benutzte sammlung von bukolika, ‘alle in derselben hürde’, also ohne gewähr
für die echtheit, welche keine scholien hatte, in den späten handschriften
mit Theokrit vermischt ist, an den sie sich zuerst angesetzt hatte. diese von
den guten grammatikern verworfenen und eigentlich gar nicht als theokri-
tisch überlieferten gedichte sind schwer entstellt, ganz natürlich, weil ihnen
der schutz der grammatik fehlte. die gedichte Theokrits dagegen waren
ebenso gut erhalten wie die der andern Alexandriner, und es schadet nicht
einmal sehr viel, daſs wir nur für die mehrzahl eine treffliche, wenn auch
nicht sehr alte handschrift (Ambros. 222, Κ) haben, vor der die übrigen
verschwinden. denn auch in dem reste der gedichte birgt sich das echte
unter gemeinen schreibfehlern, die man heben kann. man muſs nur ein
urteil über das treiben der redactoren in den jahrhunderten 14 15 16
mitbringen, damit man diese völlig abweist. sie haben sich allerdings
nicht gescheut selbst ganze verse zu fälschen. übrigens versagen für die
erweiterung der scholien die grammatiker nicht völlig, und zur controlle
des textes der theokritischen gedichte sind auch die citate nicht spärlich:
sie bestätigen unseren text.

Wenn hier die verwahrlosung scholienloser texte neben der sicherung
des textes durch die grammatische behandlung zu lernen und zu beherzigen
ist, so bietet Nikandros den beleg für die beiden erscheinungen am selben

134) Philostratus vit. Soph. p. 231. 244.
135) Et. M. ἀσπάλαϑος = schol. 4, 57. διεκρανώσατε = schol. 7, 154. hier ist
im schol. die erklärung, gegen die Amarantos polemisirt, mit erhalten. Amarantos
war dem Galen persönlich bekannt, aber vor ihm verstorben. XIV 208 K.
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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/208>, abgerufen am 23.11.2024.