Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.Das leben des Euripides. Also nahe an das epochenjahr 480, die schlacht bei Salamis, reichte geburtsaristokratie, die in jenen dorischen gegenden herrschte. wir besitzen von dem Kos benachbarten Kalymnos listen, die genau in derselben weise jahr und monat (den tag aber nicht) angeben, selbst für weiber. Bull. de Corr. Hell. VIII 30. 5) Ob zu fuss, in seiner taxis, der Kekropis, oder auf der galeere, welche die
kleruchen von Salamis zu stellen hatten, ist nicht zu sagen. militärische neigungen hat er nicht, seine schlachtengemälde in Hiketiden und Herakliden streben, wie alle an- deren, nach anschaulichkeit, aber sie erreichen sie nicht. für den sport des reiters, den Sophokles verherrlicht, hat er vollends nichts übrig. der reiche Sophokles hat natürlich bei der cavallerie gedient. Das leben des Euripides. Also nahe an das epochenjahr 480, die schlacht bei Salamis, reichte geburtsaristokratie, die in jenen dorischen gegenden herrschte. wir besitzen von dem Kos benachbarten Kalymnos listen, die genau in derselben weise jahr und monat (den tag aber nicht) angeben, selbst für weiber. Bull. de Corr. Hell. VIII 30. 5) Ob zu fuſs, in seiner τάξις, der Kekropis, oder auf der galeere, welche die
kleruchen von Salamis zu stellen hatten, ist nicht zu sagen. militärische neigungen hat er nicht, seine schlachtengemälde in Hiketiden und Herakliden streben, wie alle an- deren, nach anschaulichkeit, aber sie erreichen sie nicht. für den sport des reiters, den Sophokles verherrlicht, hat er vollends nichts übrig. der reiche Sophokles hat natürlich bei der cavallerie gedient. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0024" n="4"/> <fw place="top" type="header">Das leben des Euripides.</fw><lb/> <p>Also nahe an das epochenjahr 480, die schlacht bei Salamis, reichte<lb/> das geburtsjahr des Euripides sicher; auf Salamis lag das gut seines<lb/> vaters: da lag es nahe genug, die geburt nach der schlacht zu datiren.<lb/> das hat die treffliche alexandrinische chronographie getan, selbst Era-<lb/> tosthenes, und wir dürfen ihr zutrauen, daſs sie sich bewuſst war, mit<lb/> einem approximativen datum zu operiren. ihre absicht war, mit der<lb/> richtigkeit die bequemlichkeit zu verbinden, und in der antiken jahres-<lb/> rechnung, die jedem jahre einen individualnamen gab, war das auch<lb/> dringend nötig. so erzielte man aber auch, daſs Euripides unter einem<lb/> Kallias geboren ward, unter einem zweiten den ersten chor erhielt, unter<lb/> einem dritten starb — denn um des synchronismus mit Sophokles willen<lb/> rückte man auch seinen tod ein jahr hinab. auch die pointe hat ja<lb/> selbst auf Lessing ihre wirkung nicht verfehlt, daſs die tragische Muse<lb/> ihre drei lieblinge in einer vorbildlichen gradation auf Salamis versammelt<lb/> hätte, Aischylos zu kämpfen, Sophokles den siegesreigen zu tanzen, Euri-<lb/> pides geboren zu werden. wenn man sich hütet, das für wirklichkeit<lb/> zu halten, hat es in der tat eine symbolische wahrheit. für Aischylos<lb/> ist der freiheitskrieg die lebenserfahrung, die sein ganzes herz erfüllt.<lb/> Sophokles hat zwar nicht mitgestritten, aber er hat die siegesfreude<lb/> und begeisterung mit in das leben genommen, und der helle stral, welcher<lb/> in die jugendliche seele fiel, hat sie für alle zukunft durchleuchtet und<lb/> erwärmt. Euripides hat die güter, welche 480/79 errungen wurden, von<lb/> kindesbeinen an als etwas selbstverständlich gegebenes hingenommen.<lb/> in solcher zeit geht das leben rasch und machen ein par jahre einen<lb/> gewaltigen unterschied. das alte Athen, das bei Marathon gesiegt hatte,<lb/> gieng in dem attischen Reiche auf. die nächste generation schon, der<lb/> Euripides angehörte, hatte kein verständnis und keine pietät dafür. und<lb/> der nationale gegensatz gegen die Barbaren, der das Reich gegründet<lb/> hatte, war für diese so wenig jüngeren Athener nicht mehr vorhanden.<lb/> Euripides hat gewiſs, wenn wir auch nichts davon wissen, seiner wehr-<lb/> pflicht genügt<note place="foot" n="5)">Ob zu fuſs, in seiner τάξις, der Kekropis, oder auf der galeere, welche die<lb/> kleruchen von Salamis zu stellen hatten, ist nicht zu sagen. militärische neigungen<lb/> hat er nicht, seine schlachtengemälde in Hiketiden und Herakliden streben, wie alle an-<lb/> deren, nach anschaulichkeit, aber sie erreichen sie nicht. für den sport des reiters,<lb/> den Sophokles verherrlicht, hat er vollends nichts übrig. der reiche Sophokles<lb/> hat natürlich bei der cavallerie gedient.</note>: aber dann hat er wider Aegineten, Boeoter, Peloponnesier<lb/><note xml:id="note-0024" prev="#note-0024" place="foot" n="4)">geburtsaristokratie, die in jenen dorischen gegenden herrschte. wir besitzen von<lb/> dem Kos benachbarten Kalymnos listen, die genau in derselben weise jahr und<lb/> monat (den tag aber nicht) angeben, selbst für weiber. Bull. de Corr. Hell. VIII 30.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0024]
Das leben des Euripides.
Also nahe an das epochenjahr 480, die schlacht bei Salamis, reichte
das geburtsjahr des Euripides sicher; auf Salamis lag das gut seines
vaters: da lag es nahe genug, die geburt nach der schlacht zu datiren.
das hat die treffliche alexandrinische chronographie getan, selbst Era-
tosthenes, und wir dürfen ihr zutrauen, daſs sie sich bewuſst war, mit
einem approximativen datum zu operiren. ihre absicht war, mit der
richtigkeit die bequemlichkeit zu verbinden, und in der antiken jahres-
rechnung, die jedem jahre einen individualnamen gab, war das auch
dringend nötig. so erzielte man aber auch, daſs Euripides unter einem
Kallias geboren ward, unter einem zweiten den ersten chor erhielt, unter
einem dritten starb — denn um des synchronismus mit Sophokles willen
rückte man auch seinen tod ein jahr hinab. auch die pointe hat ja
selbst auf Lessing ihre wirkung nicht verfehlt, daſs die tragische Muse
ihre drei lieblinge in einer vorbildlichen gradation auf Salamis versammelt
hätte, Aischylos zu kämpfen, Sophokles den siegesreigen zu tanzen, Euri-
pides geboren zu werden. wenn man sich hütet, das für wirklichkeit
zu halten, hat es in der tat eine symbolische wahrheit. für Aischylos
ist der freiheitskrieg die lebenserfahrung, die sein ganzes herz erfüllt.
Sophokles hat zwar nicht mitgestritten, aber er hat die siegesfreude
und begeisterung mit in das leben genommen, und der helle stral, welcher
in die jugendliche seele fiel, hat sie für alle zukunft durchleuchtet und
erwärmt. Euripides hat die güter, welche 480/79 errungen wurden, von
kindesbeinen an als etwas selbstverständlich gegebenes hingenommen.
in solcher zeit geht das leben rasch und machen ein par jahre einen
gewaltigen unterschied. das alte Athen, das bei Marathon gesiegt hatte,
gieng in dem attischen Reiche auf. die nächste generation schon, der
Euripides angehörte, hatte kein verständnis und keine pietät dafür. und
der nationale gegensatz gegen die Barbaren, der das Reich gegründet
hatte, war für diese so wenig jüngeren Athener nicht mehr vorhanden.
Euripides hat gewiſs, wenn wir auch nichts davon wissen, seiner wehr-
pflicht genügt 5): aber dann hat er wider Aegineten, Boeoter, Peloponnesier
4)
5) Ob zu fuſs, in seiner τάξις, der Kekropis, oder auf der galeere, welche die
kleruchen von Salamis zu stellen hatten, ist nicht zu sagen. militärische neigungen
hat er nicht, seine schlachtengemälde in Hiketiden und Herakliden streben, wie alle an-
deren, nach anschaulichkeit, aber sie erreichen sie nicht. für den sport des reiters,
den Sophokles verherrlicht, hat er vollends nichts übrig. der reiche Sophokles
hat natürlich bei der cavallerie gedient.
4) geburtsaristokratie, die in jenen dorischen gegenden herrschte. wir besitzen von
dem Kos benachbarten Kalymnos listen, die genau in derselben weise jahr und
monat (den tag aber nicht) angeben, selbst für weiber. Bull. de Corr. Hell. VIII 30.
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